Meinung

Der Mythos vom Quantencomputer

Eine Revolution soll es werden, ein neues Kapitel der Technologiegeschichte, eine Umwälzung unseres täglichen Lebens: Der Quantencomputer steht vor der Tür, so heißt es zumindest oft in reißerischen Artikeln.

Ist das nun eine echte, seriöse Prognose, oder ein überzogener Hype? Irgendwie beides: Der Quantencomputer wird wohl tatsächlich kommen. Aber sein Potenzial wird oft derart übertrieben, dass man schon fast von antiwissenschaftlicher Quantenesoterik reden muss. Wenn man uns einredet, dass Quantencomputer die Klimakrise lösen, Heilmethoden für Krankheiten entwickeln oder gar Maschinen ein menschenähnliches Bewusstsein verleihen würden, hat man sich von seriösen wissenschaftlichen Fakten ziemlich weit entfernt.

Nicht „Entweder-oder“ sondern „Sowohl-als-auch“

Die Grundidee des Quantencomputers ist tatsächlich höchst interessant: Unsere klassischen Computer arbeiten mit Bits – mit Informationseinheiten, die entweder den Wert 0 oder 1 annehmen können. Ein Quantencomputer hingegen arbeitet mit Quantenbits – auch Qubits genannt. Sie können nicht nur die Werte 0 oder 1 annehmen, sondern auch jede beliebige Kombination davon. Zum Beispiel halb 0 und halb 1. Oder 70 Prozent 0 und 30 Prozent 1. Außerdem können sich mehrere Qubits in gewissem Sinn einen Zustand teilen – man spricht dann von „Quantenverschränkung“.

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Das ist eines der Grundgesetze der Quantenphysik: Sie erlaubt Kombinationen unterschiedlicher Zustände. Ein klassisches Objekt, etwa ein Fußball, hat einen eindeutigen Zustand. Er kann sich zum Beispiel im Uhrzeigersinn drehen oder gegen den Uhrzeigersinn. Ein Quantenobjekt, etwa ein einzelnes Atom, kann sich aber auch in beide Richtungen gleichzeitig drehen. Vorstellen kann man sich das nicht – das macht aber nichts. Man kann es ausrechnen und technisch nutzen, das genügt.

Hier liegt aber auch die Wurzel eines populären Missverständnisses: Manchmal werden Quantencomputer dargestellt, als könnten sie sich auf diese Weise in einen Kombinationszustand versetzen und so mehrere Rechnungen gleichzeitig durchführen. Oder mehrere mögliche Lösungen einer Aufgabe gleichzeitig ausprobieren. Aber das ist zu simpel gedacht.

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Quanten-Computing besteht nicht einfach darin, den Quantencomputer in eine Kombination mehrerer Rechnungen zu versetzen, das wäre ziemlich sinnlos. Dann würde man am Ende nämlich auch einfach eine Kombination mehrerer Antworten bekommen und wüsste nicht, was man damit anfangen soll. 

Völlig neue Rechentechniken werden notwendig

Quanten-Computing ist komplizierter. Man muss sich völlig neuartige Rechentechniken ausdenken, bei denen man die merkwürdigen Gesetze der Quantenphysik auf geschickte Weise ausnutzt. So fand man etwa eine hoch komplizierte Methode, wie man mit einem zukünftigen Quantencomputer (vorausgesetzt er hat ausreichend viele Qubits) große Zahlen viel schneller in ihre Primfaktoren zerlegen könnte als mit klassischen Computern.

Das ist schön, besonders weil Primfaktoren in modernen Verschlüsselungsverfahren eine wichtige Rolle spielen. Aber die meiste Zeit im Leben verbringen wir nicht damit, Zahlen in Primfaktoren zu zerlegen. Die Liste der Rechenaufgaben, von denen man weiß, dass sie mit Quantencomputern schneller zu lösen wären als mit klassischen Computern, ist ziemlich kurz. Von den meisten Aufgaben, für die wir Computer heute verwenden, ist nicht zu erwarten, dass sie in der Praxis von einem Quantencomputer schneller gelöst werden könnten als bisher.

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Das unterscheidet den Quantencomputer von anderen Computer-Innovationen der Vergangenheit: Wenn ein neuer, schnellerer Prozessor auf den Markt kommt, kann man auf diesem Prozessor normalerweise alle Programme laufen lassen, die auf dem alten Prozessor liefen – und alle laufen schneller. Der Quantencomputer ist aber eine völlig neue Technologie. Es gibt keine Methode, unsere heutigen Computerprogramme einfach allesamt in Quanten-Codes zu übersetzen und dadurch garantiert zu beschleunigen. Man müsste ganz individuell für unterschiedliche Rechenaufgaben jeweils völlig neue Quantenalgorithmen entwickeln – und ob die Rechnung dann am Ende tatsächlich schneller sein wird, ist zunächst alles andere als klar.

Man handelt sich nämlich mit dem Quantencomputer auch schwerwiegende Nachteile ein: Man muss gewaltigen Aufwand treiben, damit die zerbrechlichen Quantenzustände nicht durch irgendwelche Störungen von außen kaputtgehen. Außerdem muss man zunächst mal die Daten auf geeignete Weise in irgendein Quantensystem codieren – zum Beispiel in einzelne Atome, die bei extrem tiefen Temperaturen in elektromagnetischen Fallen festgehalten werden. Und am Ende muss man durch komplizierte Quantenexperimente aus diesen Atomen das Rechenergebnis ablesen. Beides ist kompliziert, braucht große, aufwändige Technik und dauert seine Zeit. Zeit, in der ein klassischer Computer bereits einiges an Rechenarbeit hätte leisten können.

Interessantes Spezialwerkzeug

Daher ist es durchaus möglich, dass der Quantencomputer eines Tages wirklich da ist, die große Revolution aber ausbleibt. Vielleicht wird der Quantencomputer einfach nur ein hochinteressantes Werkzeug für ganz bestimmte Spezialaufgaben sein – auch das wäre schon eine wunderbare Sache. Dass wir eines Tages zu Hause unter dem Schreibtisch einen Quantencomputer stehen haben werden, ist aus heutiger Sicht extrem unwahrscheinlich.

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Und reißerische Ankündigungen über die Quanten-Revolution, die angeblich die fundamentalen Probleme unserer Gesellschaft lösen wird, oder gar über Quanten-Technologien, mit denen wir unser Bewusstsein abspeichern und damit ewig leben können – die können wir getrost ignorieren. Sie haben einen ähnlichen Informationswert wie das Horoskop von letzter Woche. Nämlich ziemlich genau null Bit.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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