© IBM / Andrew Lindemann

Science

Wie funktioniert ein Quantencomputer?

In den vergangenen Jahren wurden Nachrichten über neue Durchbrüche bei der Quantentechnologie immer häufiger. Will man die Errungenschaften erklären, fallen Begriffe wie Qubits, Superposition und Verschränkung. Doch was bedeuten sie, wie sind Quantencomputer aufgebaut und was kann man damit eigentlich machen? Die futurezone hat nachgefragt.

Was unterscheidet einen normalen Computer von einem Quantencomputer? 

Ein normaler Computer, den die meisten Menschen täglich nutzen, verarbeitet Informationen in Bits. Sie können entweder den Zustand 1 oder 0 annehmen. Damit können alle Informationen dargestellt werden. 8 Bits sind ein Byte. Desto mehr Bytes ein Computer hat, desto mehr Informationen kann man darauf speichern. 

Ein Quantencomputer nutzt hingegen Qubits. Wie normale Bits können auch sie den Zustand 0 oder 1 annehmen. Allerdings sind sie nicht entweder in dem einen oder anderen Zustand, sondern gleichzeitig in beiden (Superposition). Damit wird sehr schnell eine enorme Rechenleistung möglich, die ein normaler Computer nicht erbringen könnte.

Was bedeutet der Begriff „Quanten“ überhaupt?

Bei der Quantenphysik und damit der Grundlage für Quantencomputer werden kleinste Teilchen untersucht. Auf molekularer Ebene verhalten sich diese Teilchen nach anderen physikalischen Gesetzen. Etwa, dass sie gleichzeitig mehrere Zustände annehmen können, die sogenannte Superposition. Das bekannte Gedankenexperiment – Schrödingers Katze – eines des Begründers der Quantenmechanik, Erwin Schrödinger, beschreibt genau diese Idee. Die Katze befindet sich gleichzeitig in zwei Zuständen – einmal lebendig und einmal tot.

Nun stellte man aber fest, dass diese Teilchen bestrahlt werden können, zum Beispiel mit Photonen. Dadurch entsteht eine Wechselwirkung und ihr Zustand wird gemessen. Durch die Messung „entscheiden“ sich die Teilchen zufällig für einen dieser beiden Zustände.

Wie funktioniert ein Quantencomputer?

Mit den Regeln dieser Quantenmechanik lassen sich also Qubits (Zweizustandsystem) erstellen. Genutzt werden unter anderem Elektronen, Ionen oder Photonen. Für eine bestimmte Zeit bleiben sie stabil, die sogenannte Kohärenzzeit. Dann befinden sie sich im Zustand der Superposition, also gleichzeitig 0 und 1. 

Sobald ein Qubit gemessen wird, „entscheidet“ es sich für einen Zustand. Macht man diese Messung häufig genug, zeichnet sich ein eindeutiges Ergebnis ab. Möchte man z.B. eine Primfaktorzerlegung der Zahl 15 machen, wird man bei einer Messung das Ergebnis 3 erhalten und bei einer anderen das Ergebnis 5.

Was ist eine Primfaktorzerlegung?

Als Primfaktorzerlegung bezeichnet man den mathematischen Vorgang, eine natürliche Zahl in Primzahlen darzustellen. Primzahlen sind natürliche Zahlen, die nur durch 1 und sich selbst geteilt werden können (z.B. 2, 3, 5, 7, 11...). Eine Primfaktorzerlegung von 9 würde also 3x3 ergeben, bei 20 erhält man 2x(2x5). 

Macht man die Messung immer wieder, sieht man, welche möglichen Ergebnisse ausgespuckt werden. In diesem einfachen Beispiel könnte man bei 1.000 Messungen 499 Mal die 3 finden, und 501 Mal die 5 und weiß: 3 und 5 sind die richtigen Antworten.

Hier sind die Messungen im großen Rahmen noch fehleranfällig und es gilt herauszufinden, ob kleinere Abweichungen weitere Ergebnisse oder Fehler des Computers sind. Bleibt man beim obigen, vereinfachten Beispiel der Primfaktorzerlegung von 15, bedeutet das, man erhält zu 50 Prozent 5, zu 49,9 Prozent 3 und zu 0,1 Prozent eine andere Zahl. Zu validieren, ob man nun 2 oder 3 richtige Antworten gefunden hat, ist derzeit ein Forschungsgebiet.

Googles Quantencomputer

Im Gegensatz zu einem normalen Computer können die Qubits mehrere Rechnungen gleichzeitig ausführen und werden damit nicht nur sehr viel schneller, sie machen möglich, was bisher undenkbar war. Möchte man etwa den Zustand von 300 Atomen speichern, bräuchte ein normaler Computer so viel Speicherplatz, wie es Atome im Universum gibt.

Ein Quantencomputer, der 300 Qubits hat, kann diese 300 Atome einfach abbilden, wie eine Miniatur. Im Gespräch mit der futurezone bringt der Quantenphysiker Gerhard Kirchmair einen Vergleich: „Wenn ich ein Flugzeug oder Auto konstruiere, teste ich zum Beispiel eine 1:1 Miniatur in einem Windkanal. So kann man sich das auch in einem Quantencomputer vorstellen“.

Welche verschiedenen Bauweisen gibt es?

Sieht man sich Bilder von Quantencomputern an, begegnet man immer einem goldenen Aufbau, der wie ein Luster aussieht. Das meiste daran ist aber der „Kühlschrank“. Der tatsächliche Prozessor ist ein Chip von wenigen Quadratzentimetern, der ganz unten hängt.

Der Quantencomputer mit Supraleitenden Schaltkreisen aus dem Labor von Gerhard Kirchmair

Dabei handelt es sich um einen Quantencomputern mit supraleitenden Schaltkreisen. Wie der Name schon sagt, werden die Qubits im ersten Fall aus Supraleitern aufgebaut, ähnlich wie elektrische Schaltkreise.

Es gibt noch eine weitere Art von Quantencomputern, die im Moment viel Potenzial zeigt: die Ionen-Fallen. Hier werden Ionen in einer Vakuum-Kammer mit einem Laser und elektrischen Feldern gefangen. Statt wie unten an einem "Kronenleuchter" ist der Prozessor in einem Stahlbehälter. 

„Beide Technologien haben vor und Nachteile“, erklärt Kirchmair, der an der Uni Innsbruck an supraleitenden Schaltkreisen forscht. Ionen-Fallen seien etwa schlechter skalierbar, könnten aber eine bessere Kohärenzzeit aufweisen, also die Dauer, während der die Qubits stabil bleiben.

Die Ionen-Falle des IQOQI in Innsbruck

Außerdem könne man bei Ionen-Fallen davon ausgehen, dass man überall auf der Welt immer die exakt gleichen Quantenbits verwendet. „Das ist ein Vorteil, weil sie nicht mehr charakterisiert werden müssen. Bei supraleitenden Schaltkreisen ist das anders, aber hier kann ich wiederum mein System selbst designen“, sagt Kirchmair.

Es muss aber gar nicht das eine oder das andere sein. „Meiner Meinung nach wird es nicht den einen Quantencomputer in der Zukunft geben, sondern es könnten mehrere verschiedene Plattformen in einem Rechenzentrum miteinander verbunden werden“, vermutet der Physiker.

Google zeigt bei seiner Labor-Tour auf YouTube genau, wie sein Quantencomputer aufgebaut ist.

Wofür brauche ich das – und wofür nicht?

Die große Frage ist natürlich: Was tut man mit dem Quantencomputer, wenn man ihn hat? In der Forschung kann man beispielsweise das Verhalten von Molekülen simulieren. Man kann ihre Eigenschaften untersuchen und welche Reaktionen ablaufen.

In der Zukunft könnte man sie aber auch für Verschlüsselung einsetzen. Dafür nutzen wir heute Public Key Encryption, etwa bei Browsern oder Bank-Transaktionen. Dabei werden Schlüsselpaare ausgetauscht die zum Teil geheim, zum Teil aber öffentlich sind. Das funktioniert, weil ein normaler Computer viel zu lange brauchen würde, um den jeweiligen Schlüssel zu identifizieren. Quantencomputer können das aber viel effizienter machen – und damit in kürzester Zeit diesen Schutz knacken.

Mit den Mitteln der Quantenphysik kann man allerdings ein unknackbares System schaffen. Dafür nutzt man die Verschränkung, also die Verbindung, von Qubits. Hat das Qubit auf dem Quantencomputer des Senders der Nachricht den Wert 1, dann hat das auch das Qubit auf dem Quantencomputer des Empfängers. So kann man Sicherheitsschlüssel verschränken. Der zufällige Wert des Schlüssels des Senders ist damit immer auch derselbe zufällige Wert beim Schlüssel des Empfängers.

Theoretisch funktioniert das über weite Strecken hinweg. Mit Photonen wurde das Prinzip bereits erfolgreich getestet, unter anderem von der Uni Wien und der Uni Innsbruck. Diese Quantenkommunikation ist die Grundlage für das unknackbare Quanteninternet. Allerdings gibt es noch Probleme, die Verschränkung aufrechtzuerhalten. 

Ein anderes Einsatzgebiet ist die Optimierung von Prozessen. Kirchmair erklärt das anhand des „Problem des Handelsreisenden“: „Man stellt sich einen Lieferanten vor, der mit einem gegebenen Stadtplan Pakete ausliefern soll. Dafür wird die beste Route gesucht, das kann die schnellste sein oder die kürzeste Strecke. Ein klassischer Computer würde alle Wege ausprobieren und dafür sehr lange brauchen. Quantencomputer können aber alle Wege gleichzeitig testen.“

Googles Quantenprozessor

Wie viele Qubits braucht man?

Immer wieder melden sich Forscher*innen mit Meilensteinen zu Wort: Quantencomputer in China sollen 66 Qubits kontrollieren, IBM baut einen Quantencomputer mit 127 Qubits. Doch wie viele Qubits braucht man überhaupt? „Das lässt sich noch gar nicht sagen. Man muss sich in der Forschung erstmal auf gewisse Benchmarks einigen. Ein Qubit ist auch nicht gleich ein Qubit. Man spricht eher vom Quantenvolumen“, sagt Kirchmair. Beim Volumen spielt nicht nur die reine Anzahl der Qubits, sondern etwa auch, wie gut die Verbindungen zwischen ihnen ist.

Für Forschungsprojekte, etwa um fundamentale Physikfragen zu beantworten, würden schon mehrere Hundert Qubits ausreichen. Möchte man aber Algorithmen oder Optimierungsprobleme lösen, dann würde die Zahl der nötigen Qubits schon auf Hundertausende bis Millionen klettern.

Gerhard Kirchmair, Quantenphysiker an der Uni Innsbruck und dem Institute for Quantum Optics and Quantum Information der ÖWA

Ist die Quantenrevolution schon da?  

Während die Lösung komplexer Algorithmen und Optimierungsprozesse noch weit in der Zukunft liegt, werden Quantencomputer in der Forschung schon genutzt. Zumindest in kleinem Rahmen können Theoretiker*innen die Quantencomputer vieler Firmen über die Cloud nutzen. „In den nächsten Jahren wird das auch für größere Prozessoren möglich sein“, sagt Kirchmair.

Frag die futurezone

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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