Außenministerium lädt US-Botschafter vor
Der amerikanische Botschafter wird aufgrund der Spitzelaffäre ins Außenministerium einberufen. Das berichtet die Tageszeitung Österreich. Demnach muss US-Botschafter William Eacho morgen um 17 Uhr bei Außenminister Michael Spindelegger im Außenministerium erscheinen und zur aktuellen Abhöraffäre Stellung nehmen.
Damit ist Österreich das erste Land, das einen US-Botschafter in das Außenministerium einberuft, um eine Erklärung zu den Spionage-Vorwürfen vom US-Geheimdienst zu erhalten. Außenminister Spindelegger betont in einer ersten Stellungnahme: „Die Vorwürfe sind für uns nicht akzeptabel. Wir wollen von offizieller amerikanischer Seite eine dringende Aufklärung, ob sie den Tatsachen entsprechen und welche Spionageaktivitäten konkret in Österreich stattgefunden haben."
Ermittlungen der EU
Die EU hat am Montag US-Botschafter William Kennard wegen der vermuteten Ausspähung von Verbündeten vorgeladen. Kennard solle darüber mit dem EU-Spitzendiplomaten Pierre Vimont sprechen. Außerdem habe die Außenbeauftragte Catherine Ashton mit US-Außenminister John Kerry das Thema angesprochen. Kerry bestätigte das Gespräch, nannte aber keine Einzelheiten. Die EU hat Aufklärung über Medienberichte verlangt, denen zufolge unter anderem die Europäische Vertretung in Washington mit Abhörgeräten verwanzt wurde.
Der US-Geheimdienst hat nach Informationen des „Guardian" auch die diplomatischen Vertretungen von Frankreich, Italien und Griechenland in Washington und bei den Vereinten Nationen ausgespäht. Die NSA habe in den Botschaften und UN-Vertretungen unter anderem Wanzen installiert und Kabel angezapft, berichtete die britische Zeitung am Sonntag auf ihrer Internetseite unter Berufung auf Dokumente des flüchtigen IT-Spezialisten Edward Snowden. Insgesamt seien in den NSA-Dokumenten 38 Überwachungsziele genannt worden, darunter auch Japan, Mexiko, Südkorea, Indien und die Türkei.
Die USA boten inzwischen an, auf diplomatischem Weg zu den Berichten Stellung zu nehmen. Zudem solle es bilaterale Gespräche mit den EU-Staaten geben sowieso Gespräche zwischen US- und EU-Geheimdienstexperten, teilte das Büro des Direktors der Nationalen Nachrichtendienste (DNI) mit.
"Eine heikle Angelegenheit"
Auch Vertreter anderer Nationen melden sich nun nach Bekanntwerden von weiteren Details zum Abhörprogramm PRISM zu Wort. Der italienische Staatspräsident Giorgio Napolitano fordert wie Spindelegger Antworten von den USA. „Das ist eine heikle Angelegenheit, die zufriedenstellende Antworten braucht", sagte Napolitano der Nachrichtenagentur Ansa zufolge am Montag in Zagreb.
Die Berichte, wonach auch die italienischen Botschaften in New York und Washington abgehört wurden, wollte er nicht bestätigen. Als „wirkliche Katastrophe" bezeichnete Fabrizio Cicchitto, Vorsitzender des Außenausschusses im italienischen Abgeordnetenhaus, den Skandal. „Eine Situation, die zugleich tragisch und grotesk ist", sagte er.
Frankreich entspannt
Frankreichs Regierung reagierte deutlich entspannter. Die französische Staatsministerin Fleur Pellerin hält die mutmaßlichen US-Spionageangriffe auf europäische Regierungs- und EU-Einrichtungen für wenig spektakulär. „Auch wenn das vonseiten einer befreundeten Macht nicht wirklich ein freundschaftlicher Akt ist - das ist nichts Neues", sagte die für digitale Medien zuständige Regierungspolitikerin am Montag dem Sender BFM TV. „Das ist wirklich nicht das erste Mal in der Geschichte, dass so etwas passiert." Als Beispiel nannte Pellerin Spionage-Angriffe während des Irak-Krieges.
Als „äußerst schockierend" bezeichnete die Staatsministerin hingegen die Berichte über mutmaßlich breite Abhöraktionen gegen die Bevölkerung. „Das ist eine ganze andere Sache (...) Das ist sehr viel schlimmer", sagte sie. Forderungen nach einem Stopp der Gespräche über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und USA seien aber derzeit unangebracht.
Wesentlich verärgerter über die EU-Spionage-Berichte hatte sich am Vortag die französische Justizministerin Christiane Taubira geäußert. „Wenn die europäischen Institutionen tatsächlich von amerikanischen Geheimdiensten überwacht werden, wäre dies ein Akt von unglaublicher Feindseligkeit", sagte die sozialistische Politikerin. Man habe Washington um Erklärungen gebeten.
Kerry beschwichtigt
Auch US-Außenminister John Kerry versuchte zu beschwichtigen und hat das Sammeln von Informationen in anderen Ländern als „nichts Ungewöhnliches" bezeichnet. Kerry reagierte damit am Montag als erstes Mitglied der US-Regierung offiziell auf Enthüllungen in einem mutmaßlichen Abhör- und Überwachungsskandal in europäischen Regierungs- und EU-Einrichtungen.
„Jedes Land, das sich international mit Fragen der nationalen Sicherheit befasst, unternimmt jede Menge Aktivitäten, um seine nationale Sicherheit zu schützen, und dazu gehört (das Sammeln) von allen möglichen Informationen", sagte Kerry am Rande des Treffens mit den Außenministern der Südostasiatischen Staatengemeinschaft (Asean). „Ich kann nur sagen: Das ist für viele Nationen nichts Ungewöhnliches." Konkret könne er sich zu den jüngsten Berichten erst äußern, wenn er alle Fakten in der Hand habe.
"Kein Abhören von Freunden"
Die EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton hatte Kerry in Brunei auf die Enthüllungen vom Wochenende angesprochen. Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" hat der US-Geheimdienst NSA nicht nur in EU-Gebäuden Wanzen installiert sondern auch die Bundesregierung ausgeforscht. Die Zeitschrift beruft sich auf Dokumente des frühere US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden, der seit Wochen mit Angaben über den Umfang der Überwachung Schlagzeilen macht. Er hält sich seit gut einer Woche im Transitbereich des Flughafens von Moskau auf und hat in Ecuador Asyl beantragt.
Die deutsche Bundesregierung hat mit Befremden auf mutmaßliche Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland und der EU reagiert. Sie verlangt von Washington rasche Klarheit. „Wenn sich bestätigt, dass tatsächlich diplomatische Vertretungen der Europäischen Union und einzelner europäischer Länder ausgespäht worden sind, dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. „Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg."
Gespräch in Deutschland
Das Auswärtige Amt teilte mit, dass der US-Botschafter in Berlin für Montagnachmittag zu einem Gespräch erwartet werde. Eine förmliche „Einbestellung" sei dies jedoch nicht.
Seibert sagte, notwendig seien nun vollständige Aufklärung „und gegebenenfalls eine einstimmige und auch eine sehr deutliche europäische Reaktion." Die Bundesregierung spreche über das Thema mit der französischen Regierung. „Europa und die USA sind Partner, sind Freunde, sind Verbündete. Also muss Vertrauen die Basis unserer Zusammenarbeit sein. Und Vertrauen muss in dieser Angelegenheit wiederhergestellt werden", sagte der Regierungssprecher.
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