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© APA - Austria Presse Agentur

Kommentar

Musks Trollarmeen leiden unter dem eXit

Der Troll braucht einen Gegenpart, sonst verkümmert er

Ein Online-Troll ist nur so “gut” wie sein “Opfer”. Oder anders gesagt: seine Zielscheibe, sein Angriffsziel, sein Gegenpart. Dieses Phänomen kann man nach und nach auch auf Elon Musks Lautsprecher-Plattform X (den Älteren unter uns bekannt als Twitter) beobachten. Mit der massiven Abwanderungswelle gemäßigter, liberaler oder dem linken Spektrum zuordenbarer Nutzerinnen und Nutzer verlieren die Kampfposter (Gendern für gewöhnlich unnötig) auf X so etwas wie die Quelle, aus der sie sich nähren. 

Wen soll man auch beschimpfen oder bedrohen, wenn die Leute, die man so sehr ablehnt, manchmal hasst, nichts mehr posten oder gar ihre Accounts stilllegen. Wohin mit der Aggression, dem Frauenhass, der Coronaverschwörung? Die Trolle können sich diese Dinge natürlich auch gegenseitig im Kreis erzählen, aber das ist üblicherweise nicht das Ziel, das sie verfolgen. Diskurszerstörung gelingt nur, wenn jemand da ist, der den Diskurs überhaupt noch führen will. Musks Trolle sind das in der Regel nicht. Sie diskutieren nicht. Sie hassen, schimpfen, beleidigen. 

Keine Reaktion

Am Wochenende fiel es mir zum ersten Mal besonders auf: Ich postete auf X (gleichermaßen wie auf Bluesky) einen Artikel zum Thema Klimakrise. Einfach nur mit einem Zitat aus dem Text, ohne weitere Kommentierung. In den vergangenen Monaten hatte so ein Posting auf X dafür ausgereicht, ganze “Armeen” an Trollen anzuziehen. Da musste ich dann schon einplanen, mindestens ein bis 2 Tage von hunderten Accounts wüst beflegelt zu werden. Doch diesmal: nichts bzw. so gut wie nichts. Ich scherzte noch, dass X nun wirklich tot sein müsse, da nicht einmal mehr Beschimpfungen kommen. 

Tot ist die Plattform natürlich (noch) nicht. Musk kann auch jetzt trotz Abwanderung noch auf einen beachtlichen Nutzerstamm zurückgreifen. Immerhin ist Twitter/X über viele Jahre angewachsen. Auch weiterhin gibt es viele Promis, Medien und Politiker und Politikerinnen, die aktiv sind - und ihre Reichweiten nicht einfach so aufgeben wollen. Die Frage ist jedoch: Wie lange noch? 

Denn je mehr (einflussreiche) Menschen dem Netzwerk den Rücken kehren, desto größer ist auch der Anreiz diesen zu folgen bzw. desto stiller und unbedeutender wird es auf der “gemäßigten” Seite. Und die Sache mit der Reichweite ist auch so eine: Viele Followerzahlen trügen, weil Accounts längst nicht mehr aktiv sind, weil Reichweite bekommt, wer sich einen blauen Haken kauft (und damit Musk Geld gibt) oder vom Algorithmus für aggressive Hottakes belohnt wird. Aktuell lässt sich beobachten, dass in Relation zu noch immer geringen Followerzahlen auf der alternativen Plattform Bluesky die Interaktionen dort jedoch deutlich besser ausfallen. 

Die wirkliche Echokammer

Beobachtungen derart, dass die aggressiven User auf X ihr “Spielzeug” verlieren und damit zu einem großen Stück auch ihren “Sinn”, macht man offensichtlich auch international. Zuletzt etwa erschien im renommierten Magazin The Atlantic ein Text, der in die Richtung weist. Die Rechtsaußen-Fraktion, die seit Musks Übernahme die Plattform aufmischt, bekomme ein Problem heißt es da

Denn setzt sich der eXit-Trend weiter fort, wird keine breite Masse mehr verbleiben, deren Widersacher man spielen oder die man versuchen kann, auf seine Seite zu ziehen. Das Ergebnis wäre tatsächlich eine Echokammer, in der man die Aggression unter Seinesgleichen im Kreis schicken kann. Der Effekt wäre nur noch eine Selbstbespielung, wie sie jetzt vor allem den Abwandernden vorgeworfen wird. Dass es einen Unterschied zwischen Meinungsaustausch, Diskurs und Dialog auf der einen Seite und blinder Wut, Diskurszerstörung und Beschimpfung auf der anderen Seite gibt, werden manche aber auch noch lernen.

Ob sich Bluesky wirklich als massentauglicher Ersatz für das einstige Twitter durchsetzen wird, bleibt noch immer abzuwarten. Ob X tatsächlich zu einer rechten Echokammer auf Niveau von Trumps Truth Social zusammenschrumpft, ebenfalls. Dass man Trolle am besten bekämpft, indem man sie ignoriert, blockt oder gegen eine Wand reden lässt, darf aber jetzt schon als gesichert gelten. 

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Claudia Zettel

ClaudiaZettel

futurezone-Chefredakteurin, Feministin, Musik-Liebhaberin und Katzen-Verehrerin. Im Zweifel für den Zweifel.

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