
Astronaut beim Space Walk (Symbolbild)
Warum man im Weltraum Wearables tragen sollte
Man liegt gemütlich auf der Couch und genießt die Lieblings-Netflixserie. Da piepst die Smartwatch - schon wieder. Man solle doch ein paar Schritte machen. Im All sieht das anders aus: Wenn das Wearable der Astronautin piepst, geht es nicht darum, den inneren Schweinehund in Zaum zu halten - sondern um Leben oder Tod.
Vor allem längere Missionen, wie jene zum Mars, stellen den menschlichen Körper vor Herausforderungen. Schon allein die Anreise dauert rund 9 Monate. Eine neue Generation von Wearables könnte durch die Zunahme von Langzeitmissionen enorm an Relevanz gewinnen und als Warnsystem dienen. Wie diese aussehen könnten und welche Hürden für den Einsatz überwunden werden müssen, berichten Forscher in einer aktuellen Studie.
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Welche Gefahren im Weltraum lauern
Ein wesentlicher Aspekt bei der Erforschung des Weltraums ist, dass sich die Bedingungen dort enorm von jenen auf der Erde unterscheiden. Das belastet nicht nur Material, sondern auch die Menschen der bemannten Raumfahrt.
Ohne das Magnetfeld der Erde sind Astronautinnen und Astronauten einer hohen Strahlenbelastung ausgesetzt. Die Mikrogravitation im All, also die beinahe Schwerelosigkeit, die durch die fehlende Erdanziehungskraft ausgelöst wird, führt zu Druckveränderungen im Körper.
Dadurch fließt mehr Blut in Richtung Brust und Kopf. Das entlastet das Herz, führt aber dazu, dass der Herzmuskel schrumpft und die Regulierung des Blutdrucks gestört wird. Außerdem kommt es dadurch zu Muskelschwund und einer Abnahme der Knochendichte von bis zu 2 Prozent pro Monat.
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Wearables für das Weltraumpersonal
Um die Sicherheit des Weltraumpersonals zu gewährleisten, plädieren Forscher der Renmin University of China für den Einsatz einer neuen Generation von Wearables. Damit sind flexible, tragbare Systeme gemeint, die mit verschiedenen Sensoren ausgestattet sind.
Zum Beispiel können damit die Herzfrequenz, der Blutdruck oder Umgebungsparameter in Echtzeit erfasst werden. Und das ohne die Mobilität der Belegschaft einzuschränken. „Im Gegensatz zu herkömmlichen sperrigen Überwachungsgeräten passen sich diese flexiblen Sensoren dem Körper an und liefern kontinuierliche Daten, ohne die Bewegungsfreiheit bei kritischen Einsätzen einzuschränken”, schreiben die Forscher.
Die Daten und Analysen, die durch die Wearables verfügbar sind, können laut den Forschern direkt mit medizinischen Zentren auf der Erde geteilt werden. Dadurch sollen kritische Gesundheitszustände rechtzeitig erkannt und die Sicherheit der Missionen verbessert werden. Das ist nicht ganz unwichtig, wenn das nächste Krankenhaus 200 Millionen Kilometer entfernt ist.
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Ein Mix von Sensoren
Durch den Einsatz von verschiedenen Sensoren wird die Gesundheit der Astronautinnen und Astronauten überwacht. Zum Beispiel können bestimmte Sensoren Veränderungen wie verminderten Blutdruck oder Schwankungen der Herzfrequenz erfassen. Eine weitere Art von Sensoren erfasst die von Muskeln erzeugten elektrischen Signale, wodurch die Muskelaktivität überwacht werden kann. Durch die Kombination dieser Sensoren können maßgeschneiderte Trainingspläne erstellt werden, mit Übungen, die etwa den Herzmuskel trainieren, um einem potenziell tödlichen Herzversagen vorzubeugen.
Mikrogravitation, Strahlenbelastung oder die Isolation wirken sich negativ auf die Gehirnstruktur und die kognitiven Fähigkeiten aus. Deshalb wird auch das zentrale Nervensystem mit speziellen Sensoren überwacht, indem elektrische Signale des Gehirns gemessen werden. Laut den Forschern haben Fortschritte in der Forschung dazu geführt, dass sich die Genauigkeit und Zuverlässigkeit dieser Sensoren erheblich verbessert hat.
In den Wearables finden auch Sensoren zur Überwachung der Umgebung Platz. Damit werden Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Stickstoffmonoxidgehalt sowie die Luftqualität im Inneren der Raumfahrzeuge überprüft. „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, wie vielversprechend Wearables sind, um die Anpassungsfähigkeit von Astronauten an ihre Umweltbedingungen zu bewerten”, so die Forscher.

Übersicht der Sensoren in Wearables
© Wang et al.
Welche Hürden gemeistert werden müssen
Den extremen Bedingungen im Weltraum müssen nicht nur die Astronautinnen und Astronauten, sondern auch die eingesetzte Technik standhalten. Die Forscher nennen 3 zentrale Hürden, die überwunden werden müssen. Das sind die Gerätestabilität, der Datenschutz und die präzise Auswertung vielfältiger Daten. In Bezug auf den Datenschutz besteht beispielsweise die Gefahr, dass Daten nach außen dringen und missbraucht werden.
Um diese Hürden zu überwinden, seien „Materialinnovationen, intelligente Algorithmen, die Verbesserung der Nutzererfahrung und die interdisziplinäre Zusammenarbeit” wichtig, berichtet das Wissenschaftler-Team. Als Beispiele für Materialinnovationen nennen die Forscher den Einsatz von Seide und Zellulose. Diese würden einen besseren Schutz der Gesundheit bieten. Gerade in beengten Umgebungen, wie einem Raumschiff, sei die Verwendung von Materialien mit geringem Hautirritationspotenzial entscheidend.
Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Bereitstellung von Energie. Forscher haben bereits eine Sohle entwickelt, die die Bewegungsenergie der Astronautinnen und Astronauten beim Gehen nutzt, um Wearables mit Strom zu versorgen. Weitere Forschung sei hier essenziell, um die Abhängigkeit von externen Energiequellen zu reduzieren.
Um die Daten besser auswerten zu können, brauche es verbesserte Algorithmen, die Muster in den Daten erkennen und Empfehlungen anbieten können. Wesentlich sei auch die Benutzerfreundlichkeit: „Der Schlüssel für ein effektives Gesundheitsmanagement für Astronauten ist die nahtlose Integration der Daten in ein zentrales Überwachungssystem”, schlussfolgern die Forscher.
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