Google: "Wir sehen Atomenergie als weiteres Werkzeug"
Google bietet eine ausgesprochen breite Palette an Services an. Dazu gehören neben der Suchmaschine und beliebten Apps wie Google Maps, auch Clouddienste und Hardware wie Smartphones, Tablets und Laptops.
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Die Herstellung bzw. der Betrieb all dieser Produkte verschlingt massenweise Energie, bei deren Produktion CO2-Emissionen entstehen. Unter den Tech-Unternehmen gilt Google allerdings schon seit Jahren als Musterschüler in Sachen Nachhaltigkeit. Mit seiner ehrgeizigen Ankündigung, bis 2030 keine klimaschädlichen Treibhausgase mehr ausstoßen zu wollen, sorgte der Konzern vor 3 Jahren für Aufhorchen in der Techbranche.
Energiefresser Künstliche Intelligenz
Seine Vorreiterrolle im Bereich Klimaschutz nimmt Google sehr ernst. Man will nicht nur selbst einen Beitrag leisten, sondern auch andere dazu anregen.
Eine Schlüsselrolle soll dabei Künstliche Intelligenz (KI) haben. Hier gilt der Konzern mit Hauptsitz in Kalifornien als eines der weltweit führenden Unternehmen. Gemeinsam mit der Boston Consulting Group veröffentlichte Google kürzlich einen Bericht, der unterstreicht, wie die Technologie bei der Klimawandelbekämpfung helfen könnte. „Existierende KI-Lösungen haben die Möglichkeit, globale Treibhausgasemissionen, um bis zu 10 Prozent zu senken“, erklärt Adam Elman, der für Europa und Afrika zuständige Nachhaltigkeitschef von Google, der futurezone.
"Es gibt viel Gerede darum, wie KI die Energievorräte der Erde absaugt"
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Gleichzeitig gilt aber auch KI selbst als Energiefresser. Im Sommer veröffentlichte Google einen Bericht, der zeigte, dass Google im Vorjahresvergleich 13 Prozent mehr Emissionen ausgestoßen hat. Im Vergleich zu 2019 sind es sogar um 48 Prozent mehr. Laut Associated Press waren Googles KI-Projekte und der damit einhergehende Energieverbrauch der Datencenter der Grund für den Anstieg.
Elman sagt allerdings, dass KI nicht daran Schuld sei, sondern das allgemeine Unternehmenswachstum: „Es gibt viel Gerede darum, wie KI die Energievorräte der Erde absaugt. Ich möchte dazu veröffentlichte Zahlen der Internationalen Energieagentur von 2022 vorlesen: Datencenter sind für 1,3 Prozent des globalen Elektrizitätsverbrauchs verantwortlich und für ca. 0,3 Prozent der Emissionen. Sie sagen, dass der Bedarf bis 2030 steigen wird, aber immer noch ein kleiner Teil des weltweiten Elektrizitätsverbrauchs sein wird. Hier ist KI wiederum nur ein kleiner Prozentteil“, sagt er.
Wenn es um die Nettonull bis 2030 gehe, sei Google trotz des Anstiegs nach wie vor auf Kurs: „Wir sagen bereits seit einigen Jahren, dass unsere Emissionen zuerst ansteigen werden, bevor sie wieder sinken“, sagt Elman. Auch seien die Emissionen seit 2023 langsamer gestiegen als in den Vorjahren.
Atomkraft ist Teil der Strategie
Um seine Ziele zu erreichen, will der Konzern u. a. seine Datencenter effizienter machen, etwa durch leistungsfähigere Chips. Zudem investiert Google in neue Energien, die dem Konzern dabei helfen sollen, nur mehr „sauberen Strom“ zu verwenden.
Neben Wind, Solarkraft und neuen Energiespeichern sei darunter auch Atomenergie: „Wir sehen Atomenergie als weiteres Werkzeug im Kasten", so Elman. „Wir wollen nicht nur saubere Energie verwenden, die es schon gibt, sondern auch neue, saubere Energie ans Netz bringen. Dazu sehen wir uns auch Atomenergie an.“
So will Google unser Verhalten beeinflussen
Der Konzern will aber nicht nur selbst klimafitter werden, sondern auch andere dazu bringen, sich nachhaltiger zu verhalten. „Wir wollen bis 2030 auch andere dazu befähigen, eine Gigatonne an Emissionen pro Jahr einzusparen. Das entspricht etwa den Emissionen von Japan“, erklärt Elman. KI in Google-Produkten soll dabei eine zentrale Rolle spielen.
Elman nennt Google Nest als Beispiel. Die Technologie helfe Nutzern beim intelligenten Energiesparen im eigenen Heim, indem sie Wohnräume automatisiert heizt und kühlt. „Letztes Jahr allein konnten 20 Mrd. Kilowattstunden an Energie durch die Nutzer eingespart werden“, meint Elman.
Bei Google Maps versucht Google indessen, Nutzer klimafreundlicher durch Städte zu lenken. Gibt man dort etwa eine Fahrstrecke ein, berechnet Google seit einiger Zeit neben der schnellsten auch eine klimafreundliche Route. „Wenn das grüne Blatt aufpoppt, sagt es dann etwas wie: Diese Route ist 3 Minuten länger, aber wird dir 15 Prozent Treibstoff sparen“, meint Elman. Seit der Veröffentlichung vor 3 Jahren konnte Google seine Nutzer bereits dazu bringen, so viel CO2 einzusparen, wie 650.000 Autos in einem Jahr ausstoßen.
Zauberwort "Nudging"
Auch die Google-Suche wurde im Dienste des Klimaschutzes verändert. Wer dort jetzt etwa „Wien nach Bregenz“ sucht, bekommt direkt Zugverbindungen vorgeschlagen. Damit betreibt Google „Nudging“, also ein "Anstupsen" seiner Nutzer in eine bestimmte Richtung. Dieses Prinzip kennt man etwa von der Platzierung von Süßigkeiten und Schnaps bei der Supermarktkassa: Hier wird man beim Warten in der Schlange auf die Produkte aufmerksam und tätigt eher Impulskäufe.
„Wenn Sie nach einer Fahr- oder Flugstrecke suchen, können wir sagen: Wussten Sie schon, dass Sie stattdessen auch den Zug nehmen könnten“, erläutert Elman die neue Platzierung der Zugverbindungen in der Google-Suche.
Google sagt Hochwasser vorher
Neben Einzelpersonen will Google mit seinen gewaltigen Ressourcen auch Städten und ganzen Regionen unter die Arme greifen, wenn es um Klimawandel-Maßnahmen geht. So entwickelt der IT-Konzern etwa Tools zur Überschwemmungsvorhersage. Dank KI soll Google bereits 7 Tage im Vorhinein vor Überschwemmungen warnen können.
Auch Waldbrände trackt Google. Für eines dieser Projekte namens FireSat werden kommendes Jahr einige Satelliten in den Orbit geschossen, die selbst kleinste Brände registrieren sollen.
In solche Umweltüberwachungsdienste fließen zum einen historische Daten und solche, die von verschiedenen Organisationen und öffentlichen Stellen stammen. Dank KI wird Google dabei immer schneller und genauer.
Mit eigenen Services wie Environmental Insights Explorer stellt Google außerdem eigene Karten für Behörden und Stadtverwaltungen zur Verfügung, auf denen Gebäudemissionen, Verkehrsemissionen und geeignete Flächen zur Solarstromerzeugung gezeigt werden.
Google sagt Piloten, wie sie fliegen sollen
Auch der umweltschädlichen Luftfahrt hilft Google in Sachen CO2-Vermeidung - indem es Piloten sagt, wie sie fliegen sollen. Denn durch angepasstes Flugverhalten könnten Kondensstreifen vermieden werden, die erheblich zur globalen Erwärmung durch die Luftfahrt beitragen. Vergangenes Jahr wurde bei 70 Flügen von American Airlines getestet, ob das funktioniert. „Wir konnten die Kondensstreifen um 54 Prozent reduzieren. Dafür haben wir den Piloten Signale geschickt, um ihre Flüge leicht zu verändern“, sagt Elman. Mittlerweile arbeite Google bereits mit mehreren Airlines und der europäischen Luftraumüberwachung Eurocontrol zusammen.
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Google verfolgt mit seinem Nettonull-Ziel bis 2030 eine ehrgeizige Klimastrategie, von der momentan niemand weiß, ob das Unternehmen sein Versprechen tatsächlich einhalten kann. Auch deshalb, weil man derzeit nicht weiß, wie viel Energie Google in den kommenden 5 Jahren letztendlich brauchen wird.
Die Strategie, auch andere mit ins Boot zu holen, erzählt allerdings noch eine andere Geschichte: Offenbar sieht Google seine Rolle auch zunehmend darin, zu beeinflussen, wie sich Menschen auf der ganzen Welt verhalten. Auch wenn Google mit dem Klimaschutz grundsätzlich positive Absichten verfolgen mag - eine so weitreichende Steuerungsfunktion hatte bisher eher die Politik und nicht ein einzelnes Unternehmen.
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