Netzpolitik

EU-Wahl: Was tun gegen die Massenüberwachung?

Am 25. Mai findet die Wahl zum EU-Parlament statt. Um Ihnen bei der Wahlentscheidung zu helfen, hat die futurezone die Spitzenkandidaten österreichischer Parteien zu netzpolitischen Themen von der Überwachung über den Datenschutz bis hin zur Netzneutralität und dem Urheberrecht befragt. Zum Auftakt unserer dreiteiligen Serie zur EU-Wahl legen Eugen Freund, Othmar Karas und Co. ihre Positionen zu Überwachung, Vorratsdatenspeicherung und Datenschutz dar.

Welche Konsequenzen soll die EU aus der Massenüberwachung durch Geheimdienste ziehen?

Eugen Freund, SPÖ: Es braucht mehr Sicherheit und Transparenz bei der Datenverarbeitung sowie gesetzliche Maßnahmen zur Sicherstellung von Anonymität im Netz. Die großflächige Überwachung von Europäischen BürgerInnen durch in- und ausländische Geheimdienste muss aufgearbeitet und gestoppt werden. Maßnahmen zum Schutz und die gesetzliche Verankerung von Netzneutralität sind notwendig.

Othmar Karas, ÖVP: Mit guten Freunden spricht man. Aber man hört sie nicht ab. Präsident Obama hat Handlungsbedarf. Über die Spionage der USA und anderer zu jammern, bringt uns aber nicht weiter. Wir haben eine Initiative zur Gründung einer Europäischen Spionageabwehr gestartet. Wir wollen keinen EU-Geheimdienst, auch keine neue EU-Institution, sondern eine Vernetzung der nationalen Spionageabwehrdienste. Dies soll nach dem Vorbild der Polizeizusammenarbeit bei Europol geschehen.

Harald Vilimsky, FPÖ: Die Konsequenz kann nur auf eine Verstärkung des Datenschutzes in der EU sein. Jedwede Verletzung im Sinne eines Eingriffes von Geheimdiensten sollte bestraft werden. Die EU muss viel entschlossener gegenüber solchen internationalen Rechtsbrüchen reagieren, muss aber darauf achten, generelle Freiheiten der Internet-Nutzung nicht zu verletzen oder einzuschränken.

Ulrike Lunacek, Grüne: Die Grünen fordern neben der Aufhebung der Safe-Harbor-Entscheidung (erleichterte Datenübermittlung in die USA) auch die Aufkündigung der bestehenden Datentauschabkommen (SWIFT, Passagierdaten, Polizeidaten usw.) und die Ermöglichung wirksamer europäischer Kontrollen des Datenschutzes, auch durch Aufbau eigener, von den USA unabhängiger Internet-Infrastruktur.

Angelika Mlinar, NEOS: Offenbar war Vorratsdatenspeicherung nicht genug. Viele Behörden sind noch viel gieriger nach Daten als wir uns vorstellen konnten. Die EU muss hier ganz klare legislative Grenzen ziehen, die auch vor dem EUGH einklagbar sind. Ein Rechtsstaat schützt seine Bürger vor dem Staat und nicht umgekehrt. Gegenüber Nicht-EU-Staaten muss dieses Prinzip umso vehementer verteidigt werden.

Angelika Werthmann, BZÖ: Es muss vordringlich ein striktes und vor allem kohärentes politisches Vorgehen angestrebt werden. Eine Positionierung im Sinne der Bürger ist in diesem Kontext unabdinglich, und auch eine hohe Qualität in Bezug auf Datenschutz muss eingefordert und konsequent verfolgt werden. Die Einhaltung europäischer Standards ist in dieser Frage obligatorisch und die EU muss ihre Interessen wesentlich bestimmter wahren.

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Die EU muss ein starker Gegenpol gegen die wachsenden Überwachungsgelüste der Nationalstaaten innerhalb und außerhalb Europas bilden. An Menschenrechten wie Privatsphäre und Datenschutz darf nicht gerüttelt werden. Konkret: Pauschale, verdachtslose Überwachung verbieten; jegliche bestehende Systeme und Kooperationen transparent machen; das zahnlose Safe-Harbor-Abkommen mit den USA aussetzen und neu verhandeln. Die EU soll ein internationales Abkommen initiieren, das Netzfreiheit garantiert.

Ewald Stadler, REKOS: Die EU-Kommission soll das SWIFT-Abkommen mit den USA umgehend kündigen, so wie es das EU-Parlament bereits in seiner Entschließung vom 23. Oktober beschlossen hat.

Robert Marschall, EU-Stop: Besser wäre die Frage, welche Konsequenzen Österreich ziehen sollte. Am besten aus der EU austreten und die unrechtmäßigen Geheimdienstüberwachungen von ausländischen Staaten (USA, anderen EU-Ländern) in Österreich vor ein österreichisches Gericht bringen. Eventuell sind auch gesetzliche Verschärfungen in Österreich sinnvoll. Da sollten Experten einen Maßnahmenentwurf erstellen. So sollte es jedenfalls nicht weitergehen.

Für den Europäischen Gerichtshof (EuGH) ist die bestehende Regelung zur Vorratsdatenspeicherung in der EU ein besonders schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte. Sind Sie für die Ausarbeitung einer neuen EU-Richtlinie zur VDS oder soll diese nach dem EuGH-Urteil endgültig begraben werden?

Eugen Freund, SPÖ: Im April 2014 hatte der EuGH entschieden, dass die europaweite Vorratsdatenspeicherung nicht grundrechtskonform ist und sie rückwirkend seit Bestehen für ungültig erklärt. Es handelt sich dabei um die erste Richtlinie, die aufgrund von Verletzungen gegen die Grundrechte-Charta vom EuGH gekippt wurde. Wer glaubt, dass die massenhafte Ansammlung von Daten auf Vorrat und die Schaffung von überdimensionierten Datenlagern innerhalb und außerhalb Europas zu mehr Sicherheit führt, ist auf einem Irrweg. Ich sehe keine Notwendigkeit, in Sachen VDS einen neuen Anlauf zu unternehmen.

Othmar Karas, ÖVP: Die Vorratsdatenspeicherung, wie sie bisher erfolgt, war zu ausufernd. Der EuGH hat die gesamte betreffende EU-Richtlinie für ungültig erklärt. Nun ist die Kommission am Ball, einen neuen Vorschlag vorzulegen. Es braucht eine Lösung, die sowohl den nötigen Schutz gewährleistet, als auch die Privatsphäre der Menschen sicherstellt.

Harald Vilimsky, FPÖ: Ich bin der Ansicht, dass es entscheidend ist, ein wichtiges Grundrecht der Bürger zu stärken: die Privatsphäre. Eine Vorratsdatenspeicherung ist nicht nur ein eindeutiger Bruch der europäischen Grundrechte, sondern auch ein Beispiel, dass an Orwells Albtraum eines gläsernen Menschen fleißig gearbeitet wird. Wir sind daher mit dem Urteil zufrieden und unterstützen auf gar keinen Fall eine neue Richtlinie einer Vorratsdatenspeicherung.

Ulrike Lunacek, Grüne: Die Grünen haben gemeinsam mit dem AK-Vorrat und über 11.000 BürgerInnen die Vorratsdatenspeicherung angefochten und damit das EuGH-Urteil ermöglicht. Das Verfahren hat gezeigt, dass sich verdachtsunabhängige Pauschalspeicherung nicht mit den Grundrechten vereinbaren lässt. Die Vorratsdatenspeicherung hat sich auch als nicht wirksam in der Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität erwiesen. Es soll daher keine neue Richtlinie dazu geben.

Angelika Mlinar, NEOS: Nach dem jahrelangen Experiment wurde klar, dass die Vorratsdatenspeicherung hohe Kosten bei hohem Missbrauchsrisiko und sehr niedrigen Nutzen vereinigt. Es wäre nützlich eine ganz andere Richtlinie zu entwickeln, die scharfe Grenzen für Alleingänge der Mitgliedsstaaten zieht.

Angelika Werthmann, BZÖ: Die Europapolitik muss sich gegen die Entwicklung zum „gläsernen Menschen“ einsetzen. Transparenz ist im Bereich der Politik wichtig, um fundierte Entscheidungen der BürgerInnen und demokratische Vorgehensweisen zu gewährleisten. Die Rechte des Bürgers auf Privatsphäre müssen hingegen unbedingt gewahrt werden.

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Keine neue Richtlinie. Jede Form der verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung stellt einen unverhältnismäßigen und unnötigen Grundrechtseingriff dar. Die Erfahrung zeigt die Erfolglosigkeit und die Missbrauchsgefahr dieses Modells. Wir fordern daher insbesondere auch das österreichische Parlament dazu auf, die nationale Umsetzung der VDS-Richtlinie sofort aufzuheben und nicht erst auf eine weitere Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu warten.

Ewald Stadler, REKOS: Die Vorratsdatenspeicherung lehnen wir REKOS ab, es soll keine neue EU-Richtlinie dazu geben. Wir fordern weiters den Schutz der Privatsphäre und des privaten Zahlungsverkehrs aller EU-Bürger vor Ausspähung und Datenangriffen, zumeist unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung, ohne hinreichendenvon nationalen Gerichten festgestelltenTatverdacht.

Robert Marschall, EU-Stop: Österreich sollte aus der EU austreten und die Vorratsdatenspeicherung in Österreich verbieten. Immerhin hat ja sogar der EuGH schon erkannt, dass die EU-Kommission und das EU-Parlament sich komplett am Irrweg befinden. Mit einem Verbot der VDS würde die Privatsphäre der Bürger wieder respektiert werden. Weiters reduziert das Verbot zur VDS die Kosten bei den Telekom- und Internetfirmen, was in weiterer Folge auch den Kunden mit geringeren Entgelten zu Gute kommt.

Sollen Unternehmen, die gegen Datenschutzrichtlinien verstoßen, ernsthaft bestraft werden, d.h. mit bis zu fünf Prozent des Jahresumsatzes, oder 100 Millionen Euro, wie es das EU-Parlament in erster Lesung bereits beschlossen hat?

Eugen Freund, SPÖ: Ja, harte Sanktionierungen sollten im Falle von schwerwiegenden Verstößen gegen Datenschutzrichtlinien in Betracht gezogen werden können.

Othmar Karas, ÖVP: Ich will einen praktikablen Datenschutz: Maximaler Schutz für Konsumenten bei minimalem Bürokratieaufwand für Unternehmen. Wenn eine Firma personenbezogene Daten sammelt, muss sie der betreffenden Person in einer einfachen Tabelle auflisten, wie und zu welchem Zweck die Daten gespeichert werden, ob sie an Dritte weitergegeben werden. Bei Verstößen bin ich für spürbare Sanktionen, die bis zu 100 Millionen Euro oder fünf Prozent des weltweiten Umsatzes der Firmen betragen können sollen.

Harald Vilimsky, FPÖ: Ja, da ich es für einen Vertrauensbruch erachte, wenn Unternehmen auf geheimen Wegen und im Sinne des Profits vertrauliche Daten an Dritte weitergeben. Solche Strafen mögen in den Augen der Unternehmer zwar hart sein, aber sie garantieren ein gewisses Maß an Datensicherheit, das man den EU-Bürgern schuldig ist.

Ulrike Lunacek, Grüne: Ja. Für gravierende Verstöße wäre eine solche Bestrafung angemessen. In Österreich müssen dafür auch die Kompetenzen der Datenschutzbehörde gestärkt werden, damit sie von sich aus Verstöße verfolgen und bestrafen kann.

Angelika Mlinar, NEOS: Ja. Die Daten, um die es hier geht, sind ja nicht die des Unternehmens, sondern unsere. Genau wie Banken strenge Auflagen erfüllen müssen, um sicherzugehen, dass Einlagen nicht geraubt werden, muss klargemacht werden, dass mit Daten Dritter sehr sorgfältig umgegangen werden muss.

Angelika Werthmann, BZÖ: Es steht außer Frage, dass Datenschutzrichtlinien auch von Unternehmen beachtet werden müssen. Es müssen bestimmte Faktoren in die Strafe miteinbezogen werden, so zum Beispiel die schwere des Verstoßes. Daher wird eine klare Spezifizierung erforderlich, die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Eine funktionierende Wirtschaft ist unbestreitbar von großer Bedeutung für das Wohl der BürgerInnen. Dennoch müssen sich auch Unternehmen an die Gesetze halten.

Martin Ehrenhauser, Europa Anders: Ja. Es muss klar sein, dass Datenschutzverstöße keine Kavaliersdelikte sind und in Europa nicht geduldet werden – das lässt sich nur mit harten Sanktionen sicherstellen. Außerdem benötigen die Datenschutzbehörden angemessene Ressourcen.

Ewald Stadler, REKOS: Grundsätzlich muss es Sanktionen geben, sonst wäre der Datenschutz zahnlos. Man sollte aber nicht nur den Rechtsträger des Unternehmens, sondern auch verantwortliche Manager mitbestrafen. Bei der Strafbemessung sollte man mitberücksichtigen, welche finanziellen Vorteile sich die Konzerne mit der widerrechtlichen Speicherung von Daten verschafft haben. Anmerken muss ich, dass das Strafrecht nationalstaatlich geregelt werden sollte, natürlich soll man einen Konsens zwischen den EU-Mitgliedstaaten finden, aber die Entscheidung sollen schließlich die Parlamente der Mitgliedstaaten treffen (denn wenn es auf EU-Ebene keinen Konsens gibt, was sich erst im Zuge der Trilog-Verhandlungen entscheiden wird, dann müssen wir trotzdem einen Datenschutz auf hohem Niveau gewährleisten).

Robert Marschall, EU-Stop: Österreich sollte aus der EU austreten und den Datenschutz für Österreich selbst regeln. Da die SPÖVP-Regierung schon mit der Bankenaufsicht überfordert ist, wird das mit der Datenaufsicht nicht besser werden. Gesetze ohne ernsthafte Kontrolle bringen nichts. Zuerst einmal braucht Österreich neue Parteien und Personen in Parlament und in leitenden Funktionen in Verwaltung und Gerichtsbarkeit.

Im nächsten Teil der futurezone-Serie zur EU-Wahl, der morgen Dienstag erscheint, stellen wir Ihnen die Positionen der Spitzenkandidaten zu Netzneutralität, Urheberrecht und dem Ausbau europäischer IT-Infrastruktur vor.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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