Neues Stealth-Tankflugzeug für die Air Force: Was bringt das überhaupt?
Der Stealth-Fighter mag unsichtbar für das feindliche Radar sein. Aber wenn er für seine Mission Treibstoff in der Luft nachfassen muss, leuchtet das große Tankflugzeug wie ein sprichwörtlicher Christbaum am Radar auf.
Damit das nicht passiert, will die US Air Force Tankflugzeuge haben, die ebenfalls stealthy sind. Ein neues Konzept dafür kommt von Skunk Works, der Forschungsabteilung des Rüstungskonzern Lockheed Martin, berichtet twz. Lockheed baut ua. die Stealth-Fighter F-22 und F-35.
Tarnkappen-Tanker mit Auslegern
Das Konzeptbild zeigt 2 F35A Stealth-Fighter, die von dem neuen Flugzeug betankt werden. Das abgewinkelte Doppelleitwerk und die flache Bauweise geben dem Tankflugzeug einen futuristischen Look. Von der Spitze der Nase verläuft eine Kante entlang des Rumpfs. Das ist typisch für Stealth-Flugzeuge und in ähnlicher Form auch bei der F-35 zu sehen.
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An den Flügeln befinden sich Behälter. Aus oder unter diesen ragen die Ausleger hervor. An solche beweglichen Rohre docken Flugzeuge an, die betankt werden müssen. Durch die kleinen Flügel am Ausleger kann das Rohr präzise zum zu betankenden Flugzeug gesteuert werden.
Bei normalen Tankflugzeugen, wie der KC-135, wird der Ausleger hochgeklappt, wenn er nicht in Verwendung ist. Es ist anzunehmen, dass das auch beim Stealth-Tankflugzeug vorgesehen ist.
Gerade hier ist es wichtig, da abstehende Teile den Radarquerschnitt vergrößern und so die Stealthfähigkeiten reduzieren. Möglicherweise sieht das Konzept vor, dass die Flügel der Ausleger eingeklappt und dann der gesamte Ausleger in den Behälter am Flügel eingezogen wird.
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Unfälle mit Auslegern
Das schafft ein potenzielles Problem. Ausleger sind fehleranfällige Bauteile. Wenn diese noch zusätzlich beweglich oder ausklappbar sind, könnte sich das auf die Verlässlichkeit auswirken. Erst im August gab es einen Vorfall, bei dem eine F-15E beim Tankvorgang den Ausleger einer KC-46 teilweise abgerissen hat. Beide Maschinen mussten ihre Mission abbrechen und notlanden.
2022 gab es einen ähnlichen Vorfall mit einer KC-46 und F-15. Im selben Jahr musste eine KC-46 mit ausgefahrenem Ausleger notlanden, weil er sich wegen eines Defekts gelöst hatte und nicht mehr hochgeklappt werden konnte.
Schlauch und Trichter statt Ausleger
Die alternative Methode zur Flugbetankung ist mit Sonde und Fangtrichter. Dabei wird ein Schlauch mit einem trichterförmigen Fangkorb genutzt. Dieser ist nicht steuerbar. Der Pilot des zu betankenden Fluggeräts muss mit der Sonde, ein herausstehendes Rohr am Fluggerät, in den Korb steuern, um anzudocken und den Tankvorgang zu starten.
Diese Methode wird von den US Marines und der US Navy bevorzugt. Sie wird aber auch von der Air Force genutzt, weil alle Hubschrauber der US-Streitkräfte und die CV-22 mit dieser Methode in der Luft betankt werden.
Das Einziehen von Schlauch und Fangtrichter ist technisch gesehen weniger aufwändig als ein komplett einziehbarer und aufklappbarer Ausleger. Außerdem ist der Schlauch flexibler, weshalb etwas mehr Spielraum ist, sollte eines der beiden Flugzeuge beim Betanken sich in eine ungewollte Richtung bewegen. Es gibt noch eine Mischform, bei der ein Schlauch mit Fangtrichter an einem Ausleger montiert ist.
Rein vom Konzept her sieht das Stealth-Tankflugzeug so aus, als könnte in den Flügelbehältern alternativ Schlauch und Fangtrichter verstaut werden, statt eines Auslegers. Es würde jedenfalls Sinn machen, auch diese Betankmethode anzubieten, da die Marines und Navy mit der F-35B und F-35C ebenfalls Stealth-Fighter nutzen.
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Pilot ist optional
Auf dem Konzept von Skunk Works ist kein Cockpit zu erkennen. Allerdings wurde auf der Airlift/Tanker Association Konferenz, auf der das Konzept erstmals gezeigt wurde, gesagt, dass das Stealth-Tankflugzeug „optionally crewed“ ist – also bei Bedarf bemannt.
Daher ist davon auszugehen, dass ein Cockpit eingebaut werden kann. Üblicherweise haben Tankflugzeuge mindestens 3 Mann Besatzung – Pilot, Co-Pilot und einer, der für die Kontrolle des Auslegers bzw. Trichters und Überwachung des Tankvorgangs zuständig ist.
Der Vorteil des optionalen Piloten: Aktuell gibt es etliche rechtliche Restriktionen für unbemannte Flugzeuge – speziell, wenn diese dann auch noch so groß wie ein Tankflugzeug sind. Eine KC-135 ist zB. 41 Meter lang, hat eine Flügelspannweite von 40 Metern und hat eine maximales Startgewicht von 146 Tonnen.
Ein optional bemanntes Stealth-Tankflugzeug könnte also schon jetzt eingesetzt werden, auch im Luftraum der USA und von deren Verbündeten. Ändert sich die Gesetzeslage, kann gleich zum unbemannten Betrieb gewechselt werden, ohne, dass ein gänzlich neues Flugzeug gebaut werden muss. Außerdem sind Testflüge mit einem Piloten an Bord nicht nur rechtlich einfacher, sondern er kann auch bei Bedarf eingreifen – ähnlich, wie bei selbstfahrenden Taxis jahrelang noch menschliche Fahrer aus Sicherheitsgründen an Bord waren.
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Tankflugzeug für den nächsten Stealth-Fighter
Lockheed arbeitet schon seit einiger Zeit an Stealth-Tankflugzeugen. Diese haben in der Vergangenheit wie überdimensionale Varianten bereits vorhandener Stealth-Jets ausgehen. Ende der 2010er-Jahre gab es etwa ein Konzept, das Anleihen am B2-Bomber nahm.
Im Mai 2024 tauchte ein Konzept auf, das wie eine große Version eines NGAD-Kampfjets aussieht. Der NGAD soll der nächste Stealth-Fighter der Air Force werden, existiert bisher aber ebenfalls nur als Konzept.
Das aktuelle Stealth-Tankflugzeug sieht, verglichen zu den früheren Konzepten, vernünftiger aus. Das könnte daran liegen, dass die Air Force gerade ihre Anforderungen an das Next Generation Air-Refueling System (NGAS) finalisiert. Das heißt Lockheed und andere Rüstungskonzerne schießen sich jetzt auf die bevorstehende Ausschreibung ein, anstatt mit absichtlich futuristischen Konzepten Aufmerksamkeit zu erregen.
Einer der Konkurrenten von Lockheed wird Boeing sein. Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern hat bereits angekündigt, eine größere Version seiner Tank-Drohne MQ-25 Stingray für NGAS zu entwickeln.
Aktuell wird die MQ-25 für die US Navy gemacht. Sie ist kompakt genug, um von Flugzeugträgern zu starten. Sie könnte zukünftig die F-35C in der Luft betanken, die ebenfalls von Flugzeugträgern startet.
Auch Lockheed hat sich damals für das CBARS-Programm (Carrier-Based Aerial-Refueling System) der Navy beworben. Gewonnen hat aber Boeing mit seiner MQ-25 Stingray.
Warum braucht ein Tankflugzeug Tarnkappeneigenschaften?
Aktuell haben die US-Streitkräfte knapp 400 KC-135s im Dienst und über 80 KC-46. Die Marines haben noch 48 KC-130J – es mangelt also eigentlich nicht an Tankflugzeugen. Warum will die Air Force also eine neue fliegende Tankstelle haben? Weil keines dieser Flugzeuge Tarnkappeneigenschaften hat.
Das führt zur nächsten Frage: Braucht ein Tankflugzeug das überhaupt? Schließlich sind die Tanker ohnehin nicht an vorderster Front, sondern verlängern die Reichweite von Bombern, Kampfjets und Hubschraubern, um vom Flugfeld oder Flugzeugträger bis ins Einsatzgebiet zu kommen, bzw. um nach der Mission wieder dorthin zurückzufliegen.
Die sichere Distanz zum Feind, in der sich Tankflugzeuge bisher aufgehalten haben, gibt es aber nicht mehr. In den vergangenen Kriegen waren die USA mit Feinden konfrontiert, die rüstungstechnologisch weit unterlegen waren. Der nächste potenzielle Konflikt bahnt sich jedoch mit China an.
China setzt auf Stealth und Drohnen
Genauso wie die USA setzt China auch auf Stealth-Technologie und Drohnen. Erst kürzlich hat China seinen zweiten Stealth-Fighter offiziell vorgestellt: die J-35A.
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Die J-35A soll günstiger als die J-20 ein. Die J-20 ist Chinas erster Stealth-Fighter und gilt als Gegenstück zur amerikanischen F-22.
Aufgrund der niedrigeren Kosten soll die J-35A in hoher Stückzahl produziert werden. Außerdem wird an einer Flugzeugträger-Variante gearbeitet. Wenn China die J-35A auf seinen künstlich angelegten Insel-Außenposten und Flugzeugträgern positioniert, könnten die sich unbemerkt einem Tankflugzeug nähern, dass sich in vermeintlich sicherem Gebiet aufgehalten hat, und es abschießen. Verlieren die USA so mehrere Tankflugzeuge, schränkt dies den Aktionsradius deren Kampfjets und Bomber ein.
Außerdem produziert China eine Export-Version der J-35. Mit Pakistan gibt es bereits einen Kunden. Das heißt die USA müssen damit rechnen, dass immer mehr Nationen Stealth-Fighter bekommen, die nicht zu Verbündeten zählen – und damit in Zukunft möglicherweise Kriegsgegner sind.
China arbeitet zudem an mehreren Stealth-Drohnen, die mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet werden können. Diese könnten autonom den Luftraum patrouillieren und ein Tankflugzeug angreifen, sobald es in Reichweite kommt. Zu diesen Drohnen gehört etwa die GJ-11, die zukünftig auch von Flugzeugträgern aus starten soll.
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Luftabwehr mit hoher Reichweite
Gleichzeitig wird moderne Luftabwehr immer besser. Auch das schränkt ein, wie nahe ein normales Tankflugzeug an der Front sein kann, um als sicher zu gelten. Russlands aktuelles Flugabwehrsystem S-500 hat etwa eine Reichweite von 600 km. Und sobald Russland das in Serie produzieren wird und nicht mehr im Krieg mit der Ukraine ist, wird es das vermutlich an Länder verkaufen, die den USA nicht unbedingt wohlgesonnen sind.
Chinas Gegenstück dazu ist das HQ-19, das vor wenigen Tagen zum ersten Mal öffentlich gezeigt wurde. Das Startfahrzeug ist ein Lkw mit 4 Achsen und damit mobil. Es hat 6 Raketen, wovon jede eine Reichweite von bis zu 3.000 km gegen ballistische Raketen haben soll. Gegen Flugzeuge wird die Reichweite wohl geringer sein, könnte aber trotzdem bei 1.000 km oder darüber liegen.
Hinzu kommt, dass China nicht nur normale Schiffe mit Stealth-Fähigkeiten hat und weitere baut, sondern auch an Drohnen-Schiffen arbeitet. Zuletzt wurde ein neues Modell auf Satellitenaufnahmen einer Werft gesichtet, das Vertikalstarter für Raketen an Bord hat.
Diese Starter können mit Luftabwehrraketen bestückt werden, wie sie auch auf bemannten Kriegsschiffen zum Einsatz kommen. Gängig ist hier etwa die HHQ-9, die eine Reichweite von 120 km hat.
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Weil bei einem Drohnen-Schiff keine Mannschaft an Bord gefährdet wird, könnte China dieses etwas weiter an der Front positionieren. Dadurch könnte die geringere Reichweite der HHQ-9, gegenüber etwa der HQ-19, trotzdem ausreichen, um ein amerikanisches Tankflugzeug abzuschießen.
Stealth erhöht die Überlebenschance
US-Tankflugzeuge müssten sich also im potenziellen Konflikt mit China nicht nur weit genug entfernt von der chinesischen Küste aufhalten, sondern auch mit Bedrohungen durch Tarnkappen-Schiffe von unten und durch Stealth-Flugzeuge und -Drohnen aus der Luft rechnen. Das schränkt deren Aktionsgebiet, und damit ebenfalls das der Flugzeuge, die betankt werden müssen, um ihre Missionen zu erfüllen, stark ein.
Ein Stealth-Tankflugzeug hat hier höhere Chancen unentdeckt zu bleiben. Ist es noch dazu zukünftig unbemannt, hätten die USA zusätzlich weniger Skrupel, es näher am oder im umbekämpften Luftraum zu platzieren, da keine Leben von Piloten gefährdet werden.
China ist sich der Stealth-Gefahr durch die USA bewusst. Fast monatlich werden neue Studien von chinesischen Forschern präsentiert, mit der sich angeblich die Tarnung der F-22 und F-35 aushebeln lassen. Dabei muss aber immer die Möglichkeit von Propaganda im Hinterkopf behalten. Wenn die Technologie in diesen Studien gut genug für den militärischen Einsatz wäre, würde die chinesische Regierung wohl nicht zulassen, dass sie hinausposaunt wird. Schließlich will man solche Vorteile für den Kriegseinsatz für sich nutzen und nicht den Feind vorwarnen, damit er Maßnahmen entwickeln kann, um die Technologie auszuhebeln.
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Gibt es überhaupt Geld für das Projekt?
Ob die Air Force wirklich ein Stealth-Tankflugzeug bekommt, ist derzeit ungewiss. Das liegt daran, dass NGAS eng mit NGAD verknüpft ist. NGAD steht aber auf wackeligen Beinen: Der Air Force ist der Stealth-Kampfjet der 6. Generation zu teuer. Ein Jet soll gut 300 Millionen US-Dollar kosten – mehr als das 3-fache einer F-35A.
Die Air Force hat deshalb angekündigt, NGAD neu zu evaluieren. Zwischenzeitlich wurde auch ein Konzept eines neuen, leichten Stealth-Angriffsjet gezeigt. Dieser könnte eine Zwischenlösung sein: NGAD wird gestrichen und der neue Stealth-Fighter ersetzt alternde F-22 solange, bis die Technologie so weit fortgeschritten ist, dass unbemannte Stealth-Kampfdrohnen die F-22 und F-35 ersetzen.
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Aus heutiger Sicht ist realistischer, dass die Air Force an NGAS festhält anstatt an NGAD. Weil Stealth-Fighter hat sie schon, aber eben keine Stealth-Tankflugzeuge.
Lockheed weiß das natürlich: Deshalb wurde das aktuelle Konzept auch mit F-35As gezeigt, anstatt mit NGADs. Außerdem werden auch zukünftige Stealth-Kampfdrohnen Treibstoff benötigen, was für die Fortsetzung des NGAS-Programms spricht.
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