Screenshot aus dem Exocet-SM40-Werbevideo

Screenshot aus dem Exocet-SM40-Werbevideo

© MBDA

Militärtechnik

Europäische Rakete wird mit Angriff auf chinesisches Kriegsschiff beworben

Der europäische Rüstungskonzern MBDA hat eine neue Version seiner Antischiff-Rakete Exocet vorgestellt. Die Exocet SM40 wird aus den Torpedorohren von U-Booten gestartet.

MBDA hat ein Video mit einer Animation veröffentlicht, das den Einsatz der Rakete zeigt:

Auffällig dabei ist das Ziel, das angegriffen wird. Die SM40 steuert ein Kriegsschiff an und trifft es. Anstatt eines generischen Modells einer Fregatte oder Korvette, ist das ein Type 055.

Chinesischer Lenkwaffen-Zerstörer mit Stealth-Eigenschaften

Der Type 055 ist ein chinesischer Stealth-Zerstörer, auch bekannt als Renhai-Klasse. Das Schiff wurde so designt, dass die Radar- und Infrarotsignatur möglichst gering ist. Auch die Lautstärke im Wasser soll reduziert sein, damit er schwieriger mit Sonar aufzuspüren ist.

Der Type 055 ist relativ neu. Die ersten Schiffe wurden 2020 in Dienst gestellt. Aktuell hat die chinesische Marine 8 Stück davon, weitere 4 befinden sich im Bau. Die Hauptaufgabe des Type 055 ist die Flugabwehr und Bekämpfung von U-Booten. Er ist der primäre Begleitschutz für Chinas Flugzeugträger.

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Die Maximalgeschwindigkeit beträgt 56 km/h, die Reichweite 9.300 km. Er ist 180 Meter lang. Bei voller Beladung beträgt die Verdrängung bis zu 13.000 Tonnen. Laut NATO-Standard wäre er damit als Kreuzer klassifiziert – die drittgrößten Kriegsschiffe nach Flugzeugträgern und amphibischen Angriffsschiffen. Die chinesische Marine hat ihn aber als Lenkwaffen-Zerstörer eingestuft.

Bewaffnung des Types 055

Der Zerstörer hat 112 Zellen des Typs GJB 5860-2006 an Bord. Diese können mit verschiedenen Raketen bestückt werden. Dazu gehört die HHQ-9, eine Luftabwehrrakete mit 120 km Reichweite.

Gegen Schiffe können die Zellen mit YJ-18A-Raketen (bis zu 540 km Reichweite) und YJ-21-Hyperschallraketen (angeblich bis zu 1.500 km Reichweite) bestückt werden.

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Zusätzlich gibt es 24 Zellen für HQ-10-Antiluftraketen. Diese sind für kurze Distanzen gedacht, etwa zur Abwehr von Drohnen und heranfliegenden Marschflugkörpern.

Ebenfalls für die Luftabwehr auf kurze Distanzen ist eine 30mm-Kanone mit 11 Läufen gedacht. Diese hat eine Feuerrate von bis zu 11.000 Schuss pro Minute und bis zu 5 km Reichweite.

Der Geschützturm hat ein eigenes Radar, um Luftbedrohungen automatisch zu bekämpfen. Solche CIWS (Close-in Weapon System) gelten als letzte Verteidigungslinie, um Schiffe vor anfliegenden Raketen und Drohnen zu beschützen.

Am Bug gibt es noch ein 130mm-Geschütz. Dieses hat eine Reichweite von bis zu 23 km gegen Ziele an Land und auf der Wasseroberfläche. Zur Abwehr von Flugzielen kann die 130mm-Kanone Projektile mit Annäherungszündern verschießen. Die Reichweite liegt hier bei etwa 8 km.

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Zur Bekämpfung von U-Booten gibt es Torpedoröhren im Kaliber 324mm. Diese sind mit Yu-7-Torpedos geladen. Die effektive Reichweite beträgt 14 km, die maximale Tauchtiefe 400 m. Die Zellen der GJB 5860-2006 sind zudem kompatibel mit Anti-U-Boot-Raketen.

Außerdem hat der Type 055 2 Hubschrauber an Bord, die von einer Plattform am Heck des Schiffs aus starten. Hier kommen meist der Changhe Z-18 und Harbin Z-20 zum Einsatz, die es beide in einer Variante für die Bekämpfung von U-Booten gibt. Der Z-18F hat etwa ein Eintauch-Sonar und kann mit 4 leichten Torpedos oder 32 Sonarbojen bestückt werden, die er abwerfen kann.

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Rakete wird als Abwehrwaffe gegen China beworben

Dass MBDA in dem Promotion-Video den Type 055 als Ziel gewählt hat, ist angesichts der aktuellen geopolitischen Lage provokant. Schließlich droht China nicht nur Taiwan mit Invasion und den USA mit Krieg, sollten die sich einmischen, sondern verhält sich auch zunehmend aggressiver gegen die Philippinen und andere Länder, die Seefahrt im Südchinesischen Meer betreiben.

Vermutlich sieht MBDA deshalb hier die Chance, seine Exocet SM40 zu verkaufen. So haben etwa die Philippinen Anfang des Jahres angekündigt, U-Boote kaufen zu wollen. Auch Japan und Südkorea, die bereits U-Boote besitzen, könnten an der Exocet SM40 gefallen finden. Da beide Länder Verbündete der USA sind, könnten sie schnell in den Konflikt reingezogen werden, sollten die USA Taiwan gegen China beistehen.

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Außerdem soll mit dem Type 055 als Ziel gezeigt werden, dass die Stealth-Eigenschaften wirkungslos gegen die SM40 sind. Und auch, dass die vielen Maßnahmen zur Luft- und Raketenabwehr vermeintlich nicht gegen die SM40 schützen.

SM40 erkennt zivile und militärische Schiffe

Die Exocet SM40 hat einen verbesserten Suchkopf und aktualisierte Algorithmen. Zudem soll sie besser in Gebieten agieren können, in der Jammer und andere Maßnahmen der elektronischen Kriegsführung aktiv sind.

Animation des Starts der SM40

Animation des Starts der SM40

Wie im Video zu sehen ist, scannt die Rakete im Flug nach Zielen. Sie gleicht die Signaturen der Schiffe mit einer internen Datenbank ab. Selbst wenn sich mehrere zivile Schiffe in unmittelbarer Nähe aufhalten, soll sie das Kriegsschiff automatisch erkennen und ansteuern.

Diese Eigenschaft könnte besonders in der Taiwanstraße wichtig werden. Die Meerenge zwischen China und Taiwan ist eine der am dichtesten befahrenen Wasserstraßen der Welt. Neben Containerschiffen sind hier auch viele Fischerboote unterwegs. Sollte China die Drohung wahrmachen und Taiwan erobern wollen, werden sich viele der Kriegshandlungen in diesem Gebiet abspielen. Daher ist es wichtig, dass die Exocet SM40 und andere Antischiff-Raketen chinesische Kriegsschiffe ansteuern und nicht zivile Transportschiffe.

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Vorteile von Raketen gegenüber Torpedos

Laut MBDA hat die Exocet SM40 eine Reichweite von 120 km. Sie kann aus extremen Tiefen und auch aus Küstennähe abgefeuert werden. Sie soll sowohl zur Selbstverteidigung von U-Booten gegen Kriegsschiffe mit Anti-U-Boot-Fähigkeiten eingesetzt werden als auch gegen Prioritätsziele, die stark verteidigt sind.

Die Reichweite ist der größte Vorteil von U-Boot gestarteten Antischiff-Raketen gegenüber Torpedos. Selbst moderne schwere Torpedos, wie sie etwa aus Atom-U-Booten abgefeuert werden können, haben bei reduzierter Geschwindigkeit meist eine Reichweite von maximal 50 km. dazu gehört etwa der amerikanische Mark 48 Mod. 7.

Torpedos sind weit langsamer als Raketen (etwa 75 km/h bei maximaler Reichweite). Deshalb kann ein weit entferntes Schiff früher Ausweichmanöver und Gegenmaßnahmen einleiten, sollte der Torpedo durch Sonar im Wasser erfasst werden.

Torpedos werden deshalb eher auf kürzere Distanzen mit einem höheren Geschwindigkeitsmodus eingesetzt, falls das U-Boot noch nicht entdeckt wurde, bzw. gegen andere U-Boote. Wird aber bereits nach dem U-Boot gesucht, etwa von Zerstörern oder deren Hubschraubern, sollte das U-Boot so weit wie möglich entfernt vom Ziel bleiben.

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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