X-Plane Stealth-Transportflugzeug

X-Plane Stealth-Transportflugzeug

© Aurora

Militärtechnik

Revolutionäres Stealth-Transportflugzeug startet und landet senkrecht

Das Konzept wirkt wie aus einem Science-Fiction-Film. Auf den ersten Blick erinnert das Stealth-Flugzeug an einen B-2 Spirit Bomber.

Allerdings wirft das Fluggerät keine Atombomben oder Marschflugkörper ab, sondern setzt senkrecht zur Landung an. Am Boden lässt es Spezialtruppen aussteigen und hebt dann wieder ab – unbemerkt vom Radar der feindlichen Luftabwehr, dank seinen Tarnkappeneigenschaften.

Diese Vision kommt von Aurora Flight Sciences, das zu Boeing gehört. Aurora nennt es „eine revolutionäre Lösung für Lufttransporte im umkämpften Gebiet“. Einen offiziellen Namen hat das Flugzeug noch nicht, es wird lediglich als X-Plane bezeichnet, also als experimentelles Flugzeug.

X-Plane Stealth-Transportflugzeug

X-Plane Stealth-Transportflugzeug

Eine neue Kategorie von Flugzeug

Es befindet sich schon seit einigen Jahren in Entwicklung und gehört zum SPRINT-Programm. Dieses wurde von der DARPA, der Forschungsabteilung des Pentagon, ins Leben gerufen, um Fluggeräte zu entwickeln, die keine klassische Landebahn benötigen. Wenn Auroras X-Plane tatsächlich gebaut wird, wird es eine neue Kategorie von Fluggerät sein.

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Bisher haben die USA weder Stealth-Flugzeuge noch -Drohnen, die sich zum Transport großer Lasten eignen – und schon gar nicht für den Truppentransport und als Senkrechtstarter. Einen senkrechtstarteten Truppentransporter gibt es mit dem Bell-Boeing V-22 Osprey. Dabei handelt es sich um ein Kipprotor-Wandelflugzeug, das aber keine Stealth-Eigenschaften hat.

Auch das geplante Nachfolgemodell, Bell V-280 Valor, hat keine Tarnkappenfähigkeiten. Der V-280 soll ab 2031 in Dienst gestellt werden.

Fan-in-Wing

Um die Kombination aus Stealth, Senkrechtstarter, effizienten Horizontalflug, hoher Fluggeschwindigkeit und hoher Tragekapazität zu ermöglichen, setzt Aurora auf ein Fan-in-Wing-Design (FIW). Dabei sind Gebläse, die beim Senkrechtstarten und -landen für den Auftrieb sorgen, direkt in den Flügeln integriert.

Dadurch bleibt der Rumpf des Flugzeugs frei, um Fracht oder Personen aufzunehmen. Außerdem werden die guten aerodynamischen Eigenschaften und die Effizienz eines Flugzeugs beibehalten, verglichen zu einem klassischen Hubschrauber. Aurora geht davon aus, dass das X-Plane eine Reisegeschwindigkeit von über 830 km/h haben wird. Der Übergang zwischen vertikalen und horizontalen Flug soll flüssig erfolgen.

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Das aktuelle Konzept sieht 4 Gebläse in den Flügeln vor – je 2 links und 2 rechts. Bei einem älteren Konzept hatte das X-Plane noch ein Leitwerk, bei der jetzt gezeigten Variante fehlt es. Auch das sorgt dafür, dass die Maschine stark an den B-2-Bomber erinnert. Dafür sieht das aktuelle Design etwas mehr abgerundet aus. Bei einer 2023 veröffentlichten Grafik hatte das X-Plane noch einen spitzen „Schnabel“.

Das ältere X-Plane Konzept aus 2023

Das ältere X-Plane Konzept aus 2023

Interessant ist, dass die Abdeckungen für die Gebläse in den Flügeln jetzt anders aussehen. Diese sind wichtig, um die Stealth- und aerodynamischen Eigenschaften beim Horizontalflug beizubehalten. Beim alten Design waren die Abdeckungen 2-teilig, beim Neuen bestehen sie aus mehreren Elementen.

Das hat den Vorteil, dass es bei geöffneten Klappen weniger Luftwiderstand gibt. Das sollte helfen, den Übergang in den Vertikalflug flüssiger zu machen. Außerdem gibt es so weniger Angriffsfläche für Seitenwinde, die das X-Plane beim Landen stören könnten.

Aktuelles Konzept des Aurora X-Plane

Aktuelles Konzept des Aurora X-Plane

Frachtraum so lang wie bei der C-130 Hercules

Das X-Plane soll eine Flügelspannweite von 40 Metern haben (B-2-Bomber: 52 Meter). Der Frachtraum soll 12 Meter lang sein. Das entspricht in etwa der Standard-Variante der C-130 Hercules, die als der Gold-Standard für militärische Transportflugzeuge gilt.

Sollte der Frachtraum nicht nur gleich lang, sondern auch gleich breit und hoch wie bei der C-130 sein, könnte das X-Plane sogar Fahrzeuge transportieren, wie etwa gepanzerte Geländewagen. Auch ein HIMARS-Raketenwerfer passt in eine C-130 und damit vielleicht in das X-Plane.

Die Einsatzmöglichkeiten für so ein Stealth-Transportflugzeug wären zahlreich. So könnten Truppen in Gebieten, bei denen die USA nicht die Lufthoheit haben, mit Munition und Ausrüstung versorgt werden. Verletzte Soldaten könnten evakuiert werden. Man könnte Spezialeinsatzkräfte hinter feindlichen Linien absetzen und nach ihrer Mission wieder abholen.

Material könnte zu beschädigten Flugfeldern gebracht werden, um die Landebahn zu reparieren oder zu Vorposten, die durch Beschuss beschädigt wurden. Aufgrund der Senkrechtstartfähigkeiten könnte das X-Plane zudem für die Katastrophenhilfe eingesetzt werden – etwa wenn nach Erdbeben oder Überflutungen Städte und Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten sind.

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Aurora Demonstrator: Eine Stealth-Transportdrohne

Im nächsten Schritt wird Aurora einen Demonstrator bauen. Damit wird die Umsetzbarkeit der Technologie und des Designs vorgeführt. Der Demonstrator wird, im Gegensatz zum X-Plane, unbemannt sein, ist also eine Drohne.

Aurora Demonstrator

Aurora Demonstrator

Die Flügelspannweite beträgt 14 Meter, die maximale Traglast 450 Kilogramm. Die maximale Geschwindigkeit soll bei 830 km/h liegen.

Am Konzeptbild hat der Demonstrator 2 Gebläse in den Flügeln und ein V-förmiges Leitwerk. Die Abdeckungen für die Gebläse sind 2-teilig, scheinen aber in die Mitte zueinander aufzugehen. Dadurch steht dann zumindest nur eine vertikale Fläche pro Gebläse von den Flügeln ab, anstatt 2, wenn die Abdeckungen nach außen aufklappen würden.

Demonstrator passt für eine Air-Force-Ausschreibung

Rein von den Daten her könnte der Demonstrator ebenfalls für militärische Zwecke interessant sein. Durch die 450 Kilogramm Traglast könnten Truppen mit Munition und Material versorgt werden – wahrscheinlich sogar noch näher an der Front, als dies mit dem deutlich größeren X-Plane möglich wäre.

X-Plane und Demonstrator

X-Plane und Demonstrator

Wahrscheinlich nicht ganz zufällig hat die US Air Force Ende September das Projekt NGIA ausgeschrieben. Dafür wird ein senkrechtstartendes autonomes Fluggerät gesucht, das dringend notwendiges Material zu Vorposten und beschädigten Flugfeldern bringen kann. Das scheint geradezu zugeschnitten auf den Aurora Demonstrator zu sein.

Einer der Mitbewerber um SPRINT und NGIA ist Bell. Dessen Konzept erinnert an den V-22 Osprey. Allerdings haben die Fluggeräte zusätzlich Triebwerke statt nur Rotoren. Das HSVTOL-Konzept sieht vor, dass es eine kleine Drohnenversion gibt, eine mittelgroße Variante im Osprey-Format und eine große Version, deren Frachtraum auch für Fahrzeuge geeignet sein könnte.

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Bell HSVTOL-Konzept

Bell HSVTOL-Konzept

Fan-in-Wing gab es schon in den 60er-Jahren

Welches der Konzepte sich schlussendlich durchsetzen wird, ist noch offen. Das Tiltrotor-Prinzip ist bei den US-Streitkräften bereits bekannt und erprobt. Die Aussicht auf Transportmaschinen mit Stealth-Eigenschaften könnte dem Fan-in-Wing-Design aber den Vorzug geben.

Bei früheren Versuchen konnte sich das nicht durchsetzen. Die Ryan XV-5A nutzte ein ähnliches Prinzip, wobei hier nicht nur in den Flügeln, sondern auch in der Nase ein Gebläse war.

Lockheed hatte in den 80er-Jahren ein Konzept für eine senkrechtstartende Transportmaschine für Spezialoperationen - SOFA. Dieses kam dem Aurora X-Plane optisch schon nahe.

Künstlerische Darstellung von Lockheed SOFA

Künstlerische Darstellung von Lockheed SOFA

Auch von Lockheed gab es in den 2000er-Jahren ein Konzept für eine FIW-Drohne namens VARIOUS. Diese sollte aber nicht für Transporte, sondern zur Aufklärung und für Kampfeinsätze genutzt werden.

Lockheed VARIOUS

Lockheed VARIOUS

Von der Air Force selbst gibt es ein Konzept für eine FIW-Transportmaschine, deren Silhouette an den Aurora Demonstrator erinnert. Die Größe würde aber eher dem X-Plane entsprechen. Dieses Konzept wurde Anfang der 1990er-Jahre erstellt, aber aufgegeben.

FIW-Konzept der US Air Force

FIW-Konzept der US Air Force

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Gregor Gruber

Testet am liebsten Videospiele und Hardware, vom Kopfhörer über Smartphones und Kameras bis zum 8K-TV.

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