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Geoengineering: Riesiger “Vorhang” in der Antarktis hat viel Konfliktpotenzial

2018 erklärten Forscher erstmals in Grundzügen ihre Idee, schwimmende „Vorhänge“ in der Antarktis zu bauen. Die sollen ein Abschmelzen des Eises verhindern. Ob dieses Geoengineering eine gute Idee wäre, bezweifeln nun andere Forscher, die politische Auswirkungen befürchten.

Die Forscher beziehen dabei auf eine schwimmende Konstruktion, die Anfang 2024 von Nature vorgestellt wurde. Diese soll aus robustem, wasserbeständigem Material bestehen und am Meeresboden in Fundamenten verankert werden. Die Konstruktion treibt dann vertikal im Wasser.

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Wärme lässt Gletscherkanten schmelzen

Das Projekt hat den Spitznamen "Eis-Vorhang", in Anlehnung an den "Eisernen Vorhang". Er wäre rund 100 m hoch und würde bis zu 80 km lang sein und das westantarktische Eisschild umschließen. Damit soll warmes Wasser aus tieferen Meeresschichten abgehalten werden, die Gletscherkanten zu erreichen.

Denn dieses warme Wasser bewirkt, dass die Gletscher von unten abschmelzen, was wiederum den Meeresspiegel ansteigen lässt. Mit diesen Wärmeblockern will man das verhindern. Die Installation von Barrieren, um 2 Antarktis-Gletscher für ein paar Jahrzehnte zu schützen, würde allein 80 Milliarden Dollar kosten. Dazu kämen 1 bis 2 Milliarden Dollar an jährlichen Wartungskosten. 

Politisches Minenfeld

Aber nicht nur die hohen Kosten lassen Kritiker an dem Projekt zweifeln. Allgemein steht Geoengineering in der Kritik. Gegner sagen oft, dass man die Ursachen des menschgemachten Klimawandels bekämpfen sollte, anstatt der Symptome.

Gletscher in der Gerlache-Straße

Wenig hört man hingegen über die sozialen und geopolitischen Auswirkungen solcher Eingriffe. In einer neuen Studie warnen Forscher nun aber eindringlich, dass solche Vorhänge in der Antarktis sogar zu kriegerischen Handlungen führen könnten. Darüber informiert eine Presseaussendung der japanischen Kobe University

Für die Antarktis gibt es strenge internationale Verträge, die von Dutzenden Ländern unterzeichnet wurden. Das Antarktisvertragssystem verbietet Atomtests, Bergbau oder militärische Aktionen in dieser Region. Die Verträge von 1959 haben außerdem territoriale Ansprüche auf den Kontinent eingefroren, die Argentinien, Chile, Australien, Frankreich, Großbritannien, Neuseeland und Norwegen erhoben haben.

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Ein solches Geoengineering-Projekt könnte diesen Frieden beenden und neue Konflikte provozieren – etwa, wenn das Projekt den Interessen eines Landes mehr nützt als denen anderer.

Ziel von Terrorattacken

Die Forscher warnen davor, dass der Vorhang zum Ziel von Terroristen oder militärischer Aktionen von politischen Feinden werden könnte, die damit Ländern schaden wollen. Als Folge müsste die Antarktis stärker überwacht werden, was jedoch dem Anti-Militär-Prinzip widerspräche, auf das man sich geeinigt hat. Würden zudem mehrere Nationen gleichzeitig die Überwachung mit ihren Streitkräften übernehmen, weil kein Land dem anderen traut, besteht das Risiko von Missverständnissen, die zu einer Eskalation und Kampfhandlungen führen können.

Diese Szenarien sind hypothetisch. Aufgrund der aktuell zunehmenden geopolitischen Spannungen erscheint es momentan allgemein unrealistisch, dass ein so aufwändiges Projekt, das internationale Kooperation erfordert, gemeinsam umgesetzt werden könnte. Grundsätzlich wäre nämlich kein Land allein dafür verantwortlich, die Unterwasser-Vorhänge zu errichten.

„In der derzeitigen politischen Lage, mit wachsender internationaler Rivalität und strategischem Wettbewerb der Großmächte, wäre es diplomatisch äußerst unwahrscheinlich, dass die internationale Zusammenarbeit für die vorgeschlagenen glazialen Geoengineering-Infrastrukturen funktioniert“, meinen daher die Forscher in ihrer Arbeit.

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