Start-ups

Wie man mit 80 den Körper eines 30-Jährigen haben kann

Bis 2050 werden laut Prognosen mehr als 30 Prozent der europäischen Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Ein Großteil davon wird an chronischen Krankheiten leiden. "Wir haben jetzt schon einen Pflegenotstand", sagt Ingo Lämmermann. "Die Überalterung der Bevölkerung ist die nächste Krise, die auf uns zukommen wird." Mit seinem Start-up RockFish Bio arbeitet der Wissenschaftler an Lösungen, die altersbedingte Erkrankungen therapieren und auch verhindern sollen.

Spezialisiert ist das Unternehmen auf sogenannte senolytische Therapien. Die zielen darauf ab, gealterte Zellen gezielt aus dem menschlichen Körper zu entfernen. Denn diese Zellen, die sich nicht mehr teilen, schädigen das umliegende Gewebe und gelten als treibende Kraft hinter altersbedingten Krankheiten wie Demenz, Diabetes, Nierenversagen oder Osteoarthritis. "Unsere Vision ist es, dass Menschen vielleicht 80 Jahre alt werden, aber mit dem Körper eines 30- bis 40-Jährigen."

Trotz des gewaltigen Potenzials senolytischer Therapien sind vielversprechende Wirkstoffe in der klinischen Forschung aber rar und haben teils starke Nebenwirkungen. Nicht selten handelt es sich dabei um umgewidmete Krebsmedikamente. Es fehlt an geeigneten Ansätzen, um neue Wirkstoffe mit verbesserten Eigenschaften zu entwickeln.

Stoffwechselweg entdeckt

Rockfish Bio arbeitet an Medikamenten, die vom Körper besser vertragen werden sollen. Ausgangspunkt dafür bildet ein Stoffwechselweg, der in gealterten Zellen besonders aktiv ist, und der von Lämmermann entdeckt wurde.

Für diesen Stoffwechselweg gibt es bereits Wirkstoffe, die sich zum Teil bereits im täglichen klinischen Gebrauch befinden und nur geringe Nebenwirkungen besitzen. Diese Medikamente eignen sich hervorragend zur schnellen Überprüfung der Hypothese. Für die klinische Forschung arbeitet das Start-up jedoch an neuartigen Wirkstoffen, die noch effektiver und verträglicher sein sollen.

Erste Ergebnisse

Erste Ergebnisse geben jedenfalls Anlass zur Hoffnung. Bei Zellkulturversuchen seien sie bei 7 verschiedenen Zelltypen, darunter Lungen-, Haut- und Nierenzellen, wirksam und bereits bekannten senolytischen Wirkstoffen überlegen gewesen, sagt Lämmermann: "Es hat bei jedem Zelltyp funktioniert."

Chefforscher bei Rockfisch Bio: Ingo Lämmermann

Konkret arbeitet Rockfisch Bio an einem Medikament gegen chronisches Nierenversagen. Die Forschungen seien aber für viele Indikationen ausgelegt, sagt Lämmermann. Gerade bei Nierenkrankheiten seien unsere senolytische Wirkstoffe aber besonders vielversprechend.

Lange Entwicklungszeit

Die Entwicklung wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Lämmermann geht davon aus, dass erste klinische Tests des Medikaments in fünfeinhalb Jahren abgeschlossen sein werden. Dann will das Start-up mit etablierten Pharmaunternehmen zusammenarbeiten.

Als Start-up habe man weder das Personal noch die finanziellen Mittel, um die ausstehenden Tests bis zur Zulassung bestreiten zu können. "Das können große Unternehmen besser."

Hochkarätiges Team

Auf langjährige Erfahrung kann auch das Gründungsteam des Start-ups verweisen. Dem gehören neben Lämmermann Johannes Grillari, der Leiter des Ludwig Boltzmann Instituts für Traumatologie, und Otto Kanzler an, der als leitender Manager beim Pharmakonzern Boehringer Ingelheim tätig war und bei mehreren Unternehmen auch bereits Gründungserfahrung  gesammelt hat.

Synergien und den Austausch von Know-how verspricht man sich auch durch die Zusammenarbeit mit den Start-ups Evercyte und TarmiRNA, die ebenso aus Forschungsprojekten rund um Mitgründer Grillari an der Wiener Universität für Bodenkultur (BoKu) hervorgegangen sind.

Als Investor ist S&T-Gründer Thomas Streimelweger an Bord, dessen Beteiligungsgesellschaft red-stars.com data Anteile an dem Start-up hält. Zur Finanzierung tragen auch Förderungen der FFG, sowie der Förderbank Austria Wirtschaftsservice (aws) bei.

Interesse groß

Das Interesse an den Lösungen des Unternehmens sei schon heute groß, sagt Lämmermann. Man sei mit zahlreichen Investor*innen im Gespräch. Dem Markt werde großes Potenzial zugeschrieben. Nach künstlicher Intelligenz gelte "Longevity" (Langlebigkeit) als "nächstes großes Thema". Zuletzt investierte etwa Amazon-Gründer Jeff Bezos 3 Milliarden Dollar in das Start-up Altos, das ebenfalls an Therapien für Zellalterung arbeitet.

Einen Hemmschuh sieht der Forscher in der Regulierung durch die Arzneimittelbehörden. "Regulatorisch ist die menschliche Alterung keine Krankheit." Man könne erst eingreifen, wenn es bereits Symptome durch Erkrankungen gebe. "Besser wäre es, sie gleich zu verhindern."

Bei der US-Behörde FDA macht Lämmermann erste Anzeichen für ein Umdenken aus. Eine Studie, die das Risiko der Entstehung altersbedingter Krankheiten zum Thema hat und das Altern als therapierbare Indikation etablieren will, wurde vor Kurzem zugelassen.

"Das Problem ist ungesundes Altern"

"Wir werden auch oft missverstanden", sagt Lämmermann. Wenn man sage, man wolle das Altern verlangsamen, sei es nicht das Ziel, dass Menschen 150 oder 250 Jahre alt werden, das sei illusorisch und auch mit den knappen Ressourcen unseres Planeten nicht vereinbar. Das Altern ist nicht das Problem. Das Problem ist ungesundes Altern. Und das möchten wir abschaffen."

Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und Austria Wirtschaftsservice (aws).

Klicken Sie hier für die Newsletteranmeldung

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

mehr lesen