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Forschung

Start-up macht Graphen aus Kuh-Blähungen

Währen vielerorts noch darauf gehofft wird, dass Graphen die Hoffnungen erfüllt, die von allen Seiten in das Material gesetzt wird, stellt eine die Firma Cambridge Nanosystems das Material schon seit 2014 höchst erfolgreich in großen Mengen her. Das aus der ortsansässigen Universität hervorgegangene Unternehmen hat im Jänner dieses Jahres ein neues Werk eröffnet, auf einer Fläche von 2500 Quadratmeter. Was hier hergestellt wird, ist Graphenpulver. Damit lassen sich zwar nicht die erhofften Computerchips der Zukunft herstellen, dafür gibt es aber bereits einen reifen Markt für diese Form des zweidimensionalen Kohlenstoffgitters.

“Wir stellen Graphenpulver in großen Mengen her, keine Membranen. Unser Produkt wird verwendet, um die Widerstandsfähigkeit oder die thermische beziehungsweise elektrische Leitfähigkeit von Materialien zu verbessern”, sagt Catherina Paukner zur futurezone. Um einen Effekt zu erzielen, muss das Graphen in Verbundmaterialien nicht konzentriert vorkommen. “Ein Material aus 90 Prozent Polymer und 10 unseres Graphens kann schon elektrisch leitend sein. Eine 0,1 Prozentige Zugabe nach Gewicht , die den Prozess ansonsten nicht beeinflusst, kann einem Polymer 30 Prozent höhere mechanische Festigkeit geben”, ergänzt die Forschungsleiterin. Wie sehr sich Materialeigenschaften verbessern lassen, hängt aber immer vom Ausgangsstoff ab. Die Prozesse werden mit Kunden jeweils individuell optimiert.

Weniger Treibhausgas

Neben der Verbesserung von Materialeigenschaften erfüllt das Produkt von Cambridge Electronics aber auch noch einen zweiten Zweck. Es kann dabei helfen, überschüssiges Methan, etwa aus Biogasanlagen oder Mülldeponien, in ein wertvolles Produkt zu verwandeln. Das kommt der Umwelt zugute, da Methan ein äußerst starkes Treibhausgas ist. “Wir nutzen Mikrowellen, um das Methan zu ionisieren, im Plasma trennen wir die Kohlenstoff und Wasserstoff-Atome. Das ist ein proprietäres Verfahren, bei dem Graphen und Wasserstoff entstehen”, erklärt Paukner das Geheimnis, auf dem der Erfolg der Firma basiert. Benötigt wird nur Strom und Methan, einziges Abfallprodukt ist Wasser. Derzeit kommt das Methan zwar noch aus dem britischen Gasnetz, alternative Konzepte werden aber bereits evaluiert.

Derzeit produziert Cambridge Nanosystems fünf Tonnen Graphenpulver pro Jahr. Die Nachfrage ist aber schon so groß, dass bereits ein neues Werk angedacht ist. “Oft wird Graphit als Graphen verkauft. Unser Produkt ist aber wirklich eine neue Materialklasse, wie zuvor Stein, Metall, Keramik oder Plastik. Wir finden stetig neue Anwendungen”, sagt Paukner. Die Kunden kommen derzeit hauptsächlich aus der Auto- und Luftfahrtindustrie oder der Herstellung von Verbundmaterialien. In Zukunft sollen durch neue Anwendungsgebiete und einen besseren Produktionsprozess aber auch andere Märkte erschlossen werden. “Die Partikelgröße können wir derzeit noch nicht genau kontrollieren, daran arbeiten wir noch, sie liegt derzeit bei 400 bis 500 Nanometer”, sagt die Forscherin.

Pulver bändigen

Verkauft wird das Produkt als Pulver oder in Latex oder anderen Lösungen. Den reinen Staub verwenden aber die wenigsten Kunden. Das liegt auch daran, dass die winzigen Partikel nicht leicht zu handhaben sind. “Es gibt keine Normen im Umgang mit Nanomaterialien. Die toxikologischen Studien sind noch nicht zu einem endgültigen Ergebnis gekommen. Bei uns werden deshalb hohe Sicherheitsstandards eingehalten, etwa Maskenpflicht. Da die meisten Kunden Emulsionen beziehen, ist das Problem dort nicht gegeben”, sagt Paukner.

An der Produktion von flächigem Graphen ist Cambridge Nanosystems nicht interessiert. “Derzeit werden die Membranen auf Kupfer gezüchtet, gesucht wird aber ein Prozess, der ähnlich funktioniert wie die Verfahren in der Halbleiterindustrie. Solche Produktion von Graphenmembranen mit hoher Qualität in großen Mengen liegt noch weit in der Zukunft”, sagt Paukner. Der Hype um das Material scheint ohnehin vorbei zu sein. “Silizium hat 80 Jahre gebraucht, bis es reif war. Die Menschen sind nicht an die Zyklen aus der Materialforschung gewohnt, weil neue Handys jedes Jahr auf den Markt kommen. Die Leute haben sich sofort durchsichtige Displays aus Graphen gewünscht, das dauert aber Zeit”, erklärt die Wissenschaftlerin.

Graphen-Großmacht auf der Insel

Da Graphen ein neues Material ist, gibt es vielerorts auch zu wenig Geld in der Forschung. “Wir werden sehen, wie sich das weiter entwickelt. Die finanzielle Situation bessert sich üblicherweise mit den Applikationen”, sagt Paukner. Mit Firmen wie Cambridge Nanosystems beweist Großbritannien jedenfalls, dass es immer noch eine führende Rolle in der Entwicklung von Applikationen für Graphen innehat. “Die EU hat die Graphenforschung zu einem Flaggschiffprojekt gemacht, geführt von Cambridge. Großbritannien zeigt üblicherweise immer noch die ersten Prototypen, zuletzt etwa Sensoren aus Graphen”, sagt Paukner.

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Markus Keßler

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