Digitalisierung: "Ansprüche an Lehrer haben sich geändert"
„Lehrer sind heutzutage keine reinen Wissensvermittler mehr, sondern sind Coaches, Psychologen, Lernbegleiter und Entertainer“, sagt Walter Emberger, Geschäftsführer von Teach for Austria bei der Podiumsdiskussion „Sind Österreichs Schulen reif für digitale Bildung?“, zu der der Technologiekonzern Samsung vergangene Woche in sein Wiener Büro eingeladen hatte. „Die Ansprüche an die Lehrer haben sich geändert“, so Emberger. „Man kann den Lehrberuf nicht mehr des Berufes willen sehen, sondern man muss es aus Berufung machen“, sagt der Bildungsexperte.
Rahmenbedingungen
Die fortschreitende Digitalisierung macht nämlich auch nicht vorm Lehrberuf halt. Um die Digitalisierung dazu zu nutzen, Schüler entsprechend individuell zu fördern und sie zu mündigen, selbstbestimmten Bürgern zu erziehen, braucht es digitale Medienkompetenz und die passende Infrastruktur. „Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen“, sagt dazu der Lehrer Stefan Schmid, der in seinem Unterricht auf das „Flipped Classroom“-Konzept setzt.
Änderungen zulassen
Für Lehrpersonen ist es in der Praxis auch oft eine Herausforderung, zuzulassen, dass Schüler sich heutzutage ihr Wissen auch aus anderen Quellen aneignen, und mit ihnen darüber zu diskutieren. „Auch Schüler haben Informationsquellen. Es geht dann darum, Informationen weiterzuverarbeiten und andere Hausübungen zu stellen als früher“, sagt Emberger.
NEOS-Vorsitzender Matthias Strolz glaubt, dass sich Klassenzimmer „massiv verändern“ werden. „Wenn man einen Lehrer jetzt 100 Jahre einfrieren würde, wird er sich danach nicht mehr orientieren können“, sagt Strolz. „Wenn wir in Österreich mit den Herausforderungen, die wir haben, klar kommen wollen, sind wir gut beraten, bei digitaler Bildung Frontrunner zu sein.“
Strolz würde sich jedoch noch so manch andere Priorität wünschen: „In 14 EU-Staaten gibt es das Pflichtfach Programmieren in der Schule. Darauf haben wir im Bildungssystem aber keinen Fokus“, sagt der NEOS-Vorsitzende. „Wir müssen politisch die Vorgabe machen, dass digitale Kompetenzen wichtig sind. Da hinken wir noch hinterher“, sagt Strolz.
Digitale Bildung wichtig
Das will Heidrun Strohmeyer, Bereichsleiterin für IT im Bundesministerium für Bildung und Frauen, so nicht stehen lassen: „Seit digitale Bildung im Regierungsprogramm verankert ist, ist der Fachbereich entsprechend besser positioniert“, sagt Strohmeyer. „Derzeit gibt es einen starken Fokus auf den Einsatz von digitalen Schulbüchern, aber es gibt auch das Motto, dass kein Kind die Schule ohne digitale Kompetenzen verlassen soll“, so die Expertin aus dem Ministerium.
Fokus auf Innovation
Peter Kraus, Jugendsprecher der Grünen Wien, hält es in dem Zusammenhang für besonders wichtig, dass Schüler und Studierende nicht nur lernen, Maschinen zu bedienen und IT-Skills zu erwerben, sondern zu ermöglichen, dass Menschen zu innovativen, kritischen Menschen heranwachsen können. „Man darf IT-Skills sicher nicht nur wirtschaftlich betrachten. Eine Ausführungskompetenz bei technischen Geräten, also das Drücken eines Knopfs, reicht nicht aus“, erklärt Kraus.
Vielmehr müsse man sich fragen: „Warum schauen Schulen heutzutage noch immer aus wie Kasernen? Warum werden die Fächer Chemie, Physik und Biologie noch immer strikt getrennt? Warum halten wir an 50-Minuten-Intervallen fest, wenn wir wissen, dass diese nicht ideal sind?“
Bildung für alle
Man dürfe zudem nicht vergessen, dass durch digitale Medienkompetenzen auch die soziale Ungleichheit ausgeglichen werden kann. „Der digitale Wandel ist eine Chance, hier neue Systeme zu schaffen, um soziale Selektion endlich überwinden zu können. Daran möchte ich persönlich arbeiten“, sagt Kraus.
Heinz Vettermann, Bildungssprecher der SPÖ Wien, sieht die größten Chancen in der Individualisierung des Unterrichts. „Die haben wir festgeschrieben, um die zu unterstützen, die schwächer sind, die mitgenommen werden sollen. Es ist aber auch nicht super, wenn sich jemand fadisiert, der schon alles kann“, so Vettermann.
Vorzeige-Modelle
Genannt werden auch zahleiche Vorzeige-Schulen aus anderen Ländern. Schmid erwähnt etwa eine Schule in Detroit (USA), die bereits gänzlich auf „Flipped Classroom“ als Konzept setzt. „Dort haben die Schüler nachweislich bessere Leistungen. Sie haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht der Praxisentwicklung."
"Wir sind in Österreich auf einem guten Weg, wenn wir ausreichend Unterstützung haben, denn es gibt viele, motivierte Kollegen. Ich persönlich wünsche mir eine Schule, wo jeder gerne hingeht“, sagt Schmid. Das wünschen sich die Schüler von heute sicherlich auch.
Fazit
Abschließend lässt sich zusammenfassen: Wenn Lehrer motiviert werden, sich zu engagieren und neue Formen des Unterrichts auszuprobieren, steigt das Engagement umso mehr. Von der Politik wird neben dem versprochenen Ausbau der Breitband-Infrastruktur auch gefordert, dass den digitalen Medienkompetenzen ein wichtiger Stellenwert eingeräumt wird. Nur so kann digitale Bildung in Österreich letztendlich ausreichend Vorteile mit sich bringen.