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Pentiment im Test: Fesselnder Mittelalter-Krimi mit großartigem Design

Gut erzählte, spannende Point&Click-Adventures sind seltener geworden. Früher gab es die noch häufiger, ich erinnere mich nur zu gern an Baphomets Fluch. Umso begeisterter bin ich, wenn mal wieder ein solches Spiel auftaucht, das durch und durch großartig ist. Pentiment ist so ein Spiel.

Ich schlüpfe in die Rolle des Künstlers Andreas Mahler, der sein Meisterstück in einem kleinen Kloster im Bayern des 16. Jahrhunderts anfertigt. Eines Tages geschieht ein Mord und sein guter Freund Bruder Piero wird dafür verantwortlich gemacht, obwohl er offensichtlich unschuldig ist. Meine Aufgabe ist es nun, den oder die wirkliche Mörder*in zu finden und mit genug Beweisen zu überführen.

Verschwörungen, Mysterien, Krimi-Spaß

Die Geschichte endet hier aber nicht. Ich möchte nicht zu viel verraten, nur so viel: In ungefähr 22 Stunden erstrecken sich die Ereignisse über mehrere Jahre. Im Laufe der Spielzeit deckt Mahler immer mehr dunkle und mysteriöse Geschichten rund um die Bewohner*innen des kleinen Ort Tassing auf.  

Meist ist mein größter Kritikpunkt an Spielen, dass sie zu vorhersehbar sind. Das liegt überwiegend daran, dass man beim Schreiben der Drehbücher auf Nummer sicher geht. Bei Pentiment ist das nicht so. Ich konnte kaum den Controller weglegen, so interessant war die Kriminalgeschichte. Sofort nachdem ich das erste Mal gespielt habe, habe ich von neuem begonnen und die 2. Runde war genauso fesselnd wie die erste. Das ist bei so einem Kriminalstück eine Meisterleistung.  

Denken wie ein Detektiv

Es liegt aber auch am Gameplay. Ich habe nur begrenzt Zeit, um alle nötigen Beweise zum Überführen der Mörder*in zu sammeln. Das bedeutet, ich muss diese Zeit clever einteilen. Doch selbst dann, wenn ich alle Beweise gesammelt habe, muss ich entscheiden, welche*n Verdächtig*en ich für fähig halte, den Mord begangen zu haben.

Der Erzbischof, dem ich meine Fakten vortrage, wird meine Ermittlungen berücksichtigen, wenn ich mich ihm gegenüber höflich verhalte. Er entscheidet, wer schließlich hingerichtet wird. Nenne ich alle Namen auf meinem Zettel, wird das Konsequenzen für diese Menschen haben – ob sie schuldig sind oder nicht. Nenne ich keinen von ihnen, wird Piero hingerichtet.  

Voller Schreibfehler

Man muss hier viel lesen, das ist sicherlich nicht für jeden ein Spaß. Allerdings wurde das unterhaltsam gestaltet. Die Schriftsätze, mit denen die jeweiligen Sprechblasen der Figuren gestaltet sind, ändern sich, je nachdem, wie Mahler die Personen wahrnimmt. Bürger*innen haben eine schnelle, geschwungene Schrift, bei Klerikern ist sie gotisch, bei Gelehrten ist sie sehr gerade und sauber. In späteren Jahren gibt es auch Druckbuchstaben. Findet Mahler im Gespräch heraus, dass sein erster Eindruck ihn getäuscht hat, ändert sich die Schriftart seines Gegenübers. Das scheint eine Kleinigkeit zu sein, gibt dem Spiel und seinen Figuren aber überraschend viel Tiefe.

Zusätzlich wurden in den Texten Schreibfehler eingebaut, die automatisch ausgebessert werden, nachdem sich der Text aufgebaut hat. Bestimmte Wörter wie „Gott“ oder „Herr“ werden zuerst ausgelassen, wie es damals bei Abschriften üblich war. Sie erscheinen zuletzt, z.B. in Rot.

Wegen des Wechsels der Tintenfarbe hat man diese Wörter nachträglich hinzugefügt und das Spiel imitiert diese Praktik. Diese Aufmerksamkeit für Details ist wohl Josh Sawyers Leidenschaft für Geschichte, insbesondere des Mittelalters, zuzuschreiben. Pentiment ist das Herzensprojekt des Creative Direktors bei Obsidian, was er schon bei Pillars of Eternity durchblicken ließ.  

Historische Lehrstunde

Aber nicht nur die Schrift ist interessant, sondern der gesamte Zeichenstil der Künstlerin Hannah Kennedy. Sie ließ sich intensiv von mittelalterlicher Kunst inspirieren, insbesondere der Buchmalerei. Da Andreas Mahler in einem Scriptorium arbeitet, also einem Ort in Klöstern, an denen Mönche Buchabschriften mit Illustrationen anfertigten, spiegelt sich das auch im Design wider. Der punktuelle Einsatz mittelalterlicher Musik rundet diese Atmosphäre ab. 

Generell haben es die Entwickler*innen geschafft, ein gutes Gefühl für die Zeit und historische Bewegungen in die Geschichte einzuarbeiten. Auflehnung gegen die Obrigkeit, sowohl durch die unterdrückten Bauern als auch durch die Kirchenrevolution durch Martin Luther. Immer wieder muss man kleinere Minispiele erledigen. Sie sollen nicht fordern, sondern Abwechslung bieten und einen Einblick in Lebensverhältnisse bieten. Und ja: man kann alle Katzen und Hunde streicheln!

Ein weiteres zentrales Element ist das gemeinsame Essen mit Personen im Dorf. 2-mal täglich kann man sich aussuchen, mit wem man isst. Hier wird deutlich, wie sich die Mahlzeiten über die Jahre verändern, die Menschen ärmer werden, und welche Speisen in welchem Umfeld aufgetischt werden. Die Gespräche sind gleichzeitig Teil der Ermittlungen.

Für den PC gemacht, für die Konsole ok

Ich habe das Spiel auf der Xbox Series S gespielt. Die Steuerung funktioniert zwar gut, ich würde allerdings trotzdem empfehlen, auf einem Computer zu spielen. Insbesondere das Lesen des Notizbuches gestaltet sich auf der Konsole unnötig mühsam. Versteht man aber bestimmte mittelalterliche Begriffe nicht, oder will gesammelte Informationen noch einmal evaluieren, muss man aber das Glossar oder Tagebuch zurate ziehen.

Was praktisch ist: Man kann die Kopfgröße verändern, was sinnvoll ist, wenn man weit vom TV entfernt ist (deshalb sind die Köpfe auf einigen Screenshots größer). Wer sich mit dem Lesen der Schriftarten schwertut, kann sie auch vereinfacht darstellen lassen.

Fazit 

Pentiment ist nicht für jeden etwas. Es ist aber auch keine trockene Geschichtsabhandlung. Ja, römische Überreste, heidnische Bräuche, Bauernaufstände, der Machtverlust der katholischen Kirche, Martin Luther und Hungersnöte werden thematisiert. Sie sind aber Bestandteile einer größeren mysteriösen Kriminalgeschichte und nicht nur da, um intellektuell zu wirken. 

Was ich interessant finde: Wäre das ein Buch oder eine Serie, könnte ich es meiner Oma geben und es würde ihr gefallen. Die Story erinnert mich an viele düstere europäische Thriller, die die dunkle Geschichte eines abgelegenen Dorfes behandeln, in dem jeder jeden kennt.

Ich liebe es, wenn jedes Detail eines Spiels durchdacht ist und einen bestimmten Zweck erfüllt: Von der Schrift bis zur Musik und den Entscheidungen, die man bewusst oder unbewusst während des Spiels trifft. Sie öffnen oder schließen Türen und können den Ausgang des Spiels ändern.  

Wem das gefällt, wird mit Pentiment große Freude haben. Es ist im Xbox Game Pass enthalten und für Steam verfügbar.

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Franziska Bechtold

frau_grete

Liebt virtuelle Spielewelten, Gadgets, Wissenschaft und den Weltraum. Solange sie nicht selbst ins Weltall kann, flüchtet sie eben in Science Fiction.

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