Netzpolitik

Alma Zadić: "Haben das Strafmaß für Cybercrime signifikant erhöht"

Eine Freiheitsstrafe von 2 Jahren anstelle von 6 Monaten für Hacking. Angriffe auf die kritische Infrastruktur werden mit 3 Jahren geahndet. Anfang März schickte die Regierung verschärfte Strafen für Cybercrime-Delikte in Begutachtung. Die Cybercrime-Kompetenzstellen innerhalb der Staatsanwaltschaften sollen weiter ausgebaut werden. "Wir wollen und wir müssen uns gegen diese digitalen Angriffe schützen“, so Justizministerin Alma Zadić (Grüne) im Pressefoyer nach dem Ministerrat: "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum."

Im futurezone-Interview erklärt Zadić, was hinter der versprochenen "IT-Expertise" der Staatsanwaltschaften steckt. Sie spricht über den Personalmangel in der Justiz, warum sie keine Sonderstaatsanwaltschaft will und verrät, ob sie TikTok am Diensthandy verwendet.

futurezone: Cybercrime ist seit Jahrzehnten ein bekanntes Problem. Wieso hat es so lange gedauert, diese Schritte zu setzen?
Alma Zadić: Ich habe immer wieder gesagt, dass wir uns schon vor 10 Jahren stärker dem Problem hätten annehmen müssen. Leider wurde die Justiz in dieser Zeit ausgehungert. Als ich ins Amt gekommen bin, habe ich sowohl im Bereich Hass im Netz als auch im Bereich Cyberkriminalität zahlreiche Maßnahmen gesetzt. Jetzt haben wir einen weiteren Meilenstein umgesetzt.

Einerseits haben wir bei allen Cybercrime-Delikten, wie Hacking oder Datendiebstahl, das Strafmaß signifikant erhöht. Andererseits habe ich bereits vergangenes Jahr angekündigt, in der Staatsanwaltschaft Cybercrime-Kompetenzstellen flächendeckend einzurichten. Hier arbeiten Staatsanwält*innen, die speziell für Cybercrime geschult sind. Darüber hinaus bauen wir gerade ein Forensikzentrum mit IT-Expert*innen aus, das Expertise bündeln wird und allen Staatsanwaltschaften zur Verfügung steht. Mitte dieses Jahres soll es seine Arbeit aufnehmen.  

Man hört von Personalmangel in der Justiz, einerseits an den Gerichten, bei der Justizwache, aber auch bei den Staatsanwaltschaften. Wie können wir so ein Forensikzentrum schultern und solche IT-Expert*innen an Land ziehen?
Das ist ein Problem, das nicht nur die Justiz betrifft, sondern alle Beschäftigten im Bund und die österreichische Wirtschaft. Bei IT-Expert*innen sind die Unterschiede zu dem, was die Privatwirtschaft zahlt, relativ hoch. In den USA zahlt das FBI wesentlich mehr als manche Unternehmen. Wir werden mit dem wahrscheinlich nie ganz mithalten können. Trotzdem ist es wichtig, die Gehälter zu erhöhen, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Die Justiz war in den vergangenen 10 Jahren unterfinanziert. Seitdem ich im Amt bin, konnte ich diesen Trend umkehren und 500 zusätzliche Planstellen für die Justiz bekommen. Jetzt arbeiten wir daran, diese zu besetzen.

Sie haben gesagt, die Justiz sei stark unterfinanziert worden. Was sagt das über die Politik früherer Regierungen aus?
Ich habe immer wieder kritisiert, dass man zu wenig darauf geachtet hat, den Rechtsstaat mit den notwendigen Mitteln auszustatten. Die Justiz braucht Ressourcen, damit die Bürger*innen ihr Recht durchsetzen können.

Kommen wir auf die Kompetenzstellen zurück. Was bedeutet es konkret, wenn Sie von mehr IT-Expertise sprechen?
Die Staatsanwält*innen, die in diesem Bereich eingesetzt werden, werden speziell geschult. Sie wissen genau, wie sie mit kriminellen Organisationen oder dem Darknet umgehen. Die Kriminalpolizei braucht natürlich auch entsprechende IT-Kenntnisse. Aber als Herrin des Ermittlungsverfahrens ist es für die Staatsanwaltschaft wichtig, dass sie selbst ebenso diese Expertise hat, um zu wissen, welche Handlungen zu setzen sind.

Was bringt mehr Expertise, wenn die Staatsanwaltschaften nicht mehr Befugnisse haben? Sollte man das Gesetz nicht dahingehend ändern, dass mehr ausgeforscht werden kann?
Durch die Erhöhung des Strafmaßes ist es jetzt sehr wohl möglich, zum Beispiel Observationen oder verdeckte Ermittlungen anzuordnen. Natürlich muss die Verhältnismäßigkeit zur Straftat weiter gegeben sein. Aber die Strafdrohung war in vielen Fällen bislang so niedrig, dass es unverhältnismäßig war, gewisse Maßnahmen zu setzen. Jetzt stehen deutlich mehr Werkzeuge zur Verfügung.

"So weit wie jetzt war aber noch keine Regierung vor uns."

Alma Zadić | über die Aufhebung des Amtsgeheimnisses

Man wird den Täter*innen in vielen Fällen nicht habhaft, weil sie aus dem Ausland agieren. Wie wird an der internationalen Zusammenarbeit der Behörden gearbeitet?
In Fällen von organisierter Kriminalität konnte die Zusammenarbeit wesentlich verbessert werden. Bei kleineren Straftaten gibt es Aufholbedarf. Da geht es um die Anerkennung von Ermittlungsmaßnahmen oder die Verwendung von Beweisen, die ausländische Behörden erhoben haben. Österreich setzt sich seit Jahren auf EU-Ebene für das sogenannte E-Evidence-Paket ein, mit dem Ziel eine schnellere und einfachere Erlangung von elektronischen Beweismitteln, wie E-Mails und SMS, zu ermöglichen.

Von der ÖVP und führenden Expert*innen, etwa Ingrid Brodnig oder Maria Windhager, wurde immer wieder eine eigene Sonderstaatsanwaltschaft für Hass im Netz gefordert, analog zur Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Warum haben sie sich dagegen entschieden?
Ich habe viele Gespräche mit Expert*innen geführt, insbesondere mit der Vereinigung der Staatsanwält*innen. Auch die Praxis ist der Meinung, dass es zielführender ist, flächendeckende Kompetenzstellen zu haben. Denn jede Staatsanwaltschaft quer durch Österreich ist bereits jetzt mit Cybercrime und Hass im Netz konfrontiert. 

Wenn so viel mehr Delikte anfallen, müsste man nicht noch mehr tun?
Es wird auch künftig notwendig sein, weiter Schritt zu halten. Unser gesamtes Leben verlagert sich in den digitalen Raum und da dürfen wir uns natürlich nicht ausruhen.

Wann ist mit den Cybercrime-Verschärfungen zu rechnen?
Sie sollten im Sommer in Kraft treten.

Kürzlich war Tag der Informationsfreiheit in Österreich: Der Entwurf zur Aufhebung des Amtsgeheimnisses liegt seit Jahren auf Eis. Verfassungsministerin Edtstadler hat angekündigt, dass sie einen Entwurf noch vor dem Sommer auf den Weg bringen will. Wieso hat das so lange gedauert?
Fast alle westlichen Demokratien haben das Recht auf Information bereits jetzt in ihren Verfassungen. Wir haben uns als Grüne immer wieder dafür stark gemacht, aber leider haben Länder und Gemeinden immer noch Bedenken. So weit wie jetzt war aber noch keine Regierung vor uns. Ich bin davon überzeugt, dass die Blockaden bald gelöst sein werden.

Wann werden die Blockaden gelöst sein?
Ich hoffe sehr bald. Ministerin Edtstadler und Vizekanzler Kogler arbeiten daran.

2020 haben Sie ein Gesetzespaket verabschiedet, das Betroffene besser gegen Hass auf Facebook und Co schützen soll. Aus einer parlamentarischen Anfrage im vergangenen Jahr ist aber hervorgegangen, dass die im Paket enthaltene psychosoziale und juristische Prozessbegleitung kaum jemand in Anspruch nimmt. Was läuft falsch?
Wir haben gesehen, dass das Angebot leider wirklich noch nicht von vielen angenommen wurde. Deswegen müssen wir Menschen ermutigen, sich tatsächlich zur Wehr zu setzen. Wir haben vergangenen Sommer eine großangelegte Kampagne gestartet, um die Möglichkeiten bekannter zu machen. Denn es ist schade, wenn etwas kostenlos zur Verfügung steht und es dann nicht genutzt wird.

Hat sich seit dem Start der Kampagne etwas getan?
Die Kampagne läuft noch und wir werden am Ende des Jahres den Erfolg evaluieren.

Betroffene berichten davon, dass bspw. Twitter nicht auf etwaige Meldungen von Hass im Netz reagiert und Beschwerden im Sand verlaufen. Man hat den Eindruck, große Plattformen lachen die österreichischen Behörden aus.
Es ist tatsächlich so, dass einige international agierende Plattformen scheinbar der Meinung sind, sich nicht an österreichische Gesetze halten zu müssen. Twitter oder Telegram wehren sich stark dagegen. Dafür haben wir auf europäischer Ebene aber nun den Digital Services Act, der bereits verabschiedet ist und noch von den Mitgliedsstaaten in innerstaatliches Recht umgesetzt werden muss. Damit haben wir dann einen viel stärkeren Hebel, der die Plattformen zu mehr Kooperation zwingen wird.

Der Digital Services Act (DSA) tritt erst 2024 in Kraft. Warum geht das nicht schneller?
Die Kommission hat sich für dieses Datum entschieden, damit sich sämtliche Mitgliedsstaaten legislativ vorbereiten können. Vieles von dem, was wir in Österreich bereits verabschiedet haben, findet sich im DSA. Bei uns kann die Umsetzung rascher erfolgen.

Neben den üblichen Verdächtigen wie Twitter und Telegram verwehrt auch die chinesische Videoplattform TikTok häufig die Compliance mit EU-Vorschriften. Die Kommission und die USA haben TikTok auf Diensthandys jetzt sogar verboten, weil akuter Spionageverdacht besteht. Wann kommt ein Verbot für Staatsdiener*innen in Österreich?
Der Innenminister hat angekündigt, dass er das Ganze einer Prüfung unterzieht. Ich nehme an, hier wird es zeitnah eine Entscheidung geben.

Haben Sie TikTok am Diensthandy?
Nein.

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Lisa Pinggera

lisa_bingernda

Von 2021 bis 2023 bei futurezone. Erzählt am liebsten Geschichten über Kryptowährungen, FinTechs und die Klimakrise. Schreibt aber über alles, was erzählenswert ist.

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