Gedenkveranstaltung für Lisa-Maria Kellermayr
© Kurier / Franz Gruber

Netzpolitik

Hass im Netz: „Ausforschung unbekannter Täter große Hürde“

Nach dem Tod der oberösterreichischen Ärztin Lisa-Maria Kellermayr stellen sich viele die Frage, ob die derzeitigen Gesetze und Maßnahmen ausreichend sind. Vor ihrem Tod wurde sie monatelang von radikalen Gegner*innen der Corona-Maßnahmen mit dem Tod bedroht.

Die futurezone hat mit Ramazan Yıldız von der Beratungsstelle ZARA, die Betroffenen von Hass im Netz hilft, darüber gesprochen, was die größten Schwierigkeiten sind, die im Zuge eines Strafverfahrens auftreten können. Beratungen bei ZARA sind per Telefon, (verschlüsselter) E-Mail, Formular oder vor Ort in Wien möglich.

Hass-im-Netz-Paket durchwegs positiv

Insgesamt habe sich durch das Hass-im-Netz-Paket der Bundesregierung vieles verbessert, heißt es. „Es wurden verschiedene, bereits bestehende Gesetze im Bereich des Straf-, Zivil- und Medienrechts verändert bzw. verschärft“, sagt Yildiz. „Im strafrechtlichen Bereich wurde insbesondere die Bekämpfbarkeit von die Ehre verletzenden Hasspostings erleichtert, sowie der strafrechtliche Bildnisschutz verschärft.“ Eine große Errungenschaft sei sicherlich auch die Möglichkeit, dass Betroffene von Hass im Netz Prozessbegleitung in Anspruch nehmen können. „Das bedeutet, dass Betroffene, die gegen strafrechtlich relevantes Verhalten vorgehen wollen, sich dabei kostenlos psychosozial und juristisch begleiten lassen können“, sagt der ZARA-Berater.

Doch noch immer gebe es zahlreiche Faktoren, die einer wirksamen Bekämpfung im Wege stehen würden. Die größte Hürde bei strafrechtlichen Verfahren sieht Yildiz in der Ausforschung von unbekannten Täter*innen. „An der scheitert in vielen Fällen auch die spätere Anklage“, sagt Yildiz.

Täter*innen bleiben oft unausgeforscht

Mit Julia Spacil hat erst kürzlich eine Betroffene der futurezone berichtet, dass es in ihrem Verfahren an der Ausforschung des Täters gescheitert ist, und das, obwohl die Person sogar mit Klarnamen auf Twitter gepostet hatte. Die Betroffene hatte sich extra einen Rechtsbeistand genommen, der eine Ausforschung des Täters beantragt hatte – allerdings ohne Erfolg. Twitter verweigerte die Auskunft.

Auch ZARA hat Erfahrungen mit Anträgen zur Ausforschung von unbekannten Täter*innen gemacht. „Bei dem auf die Strafprozessordnung gestützten Antrag auf Ausforschung von unbekannten Täter*innen war die Erfolgsquote gering. Das lag oft daran, dass die Internetdienstleister, bei denen um Daten der Täter*innen angefragt wurde, keine wirklich verwertbaren Daten zur Verfügung stellen konnten“, sagt Yildiz. Außerdem sei ein derartiger Antrag ohne juristische Unterstützung nur schwer bewältigbar, so der Experte.

Auch mit der anderen Möglichkeit, die Beantragung einer Ausforschung nach dem E-Commerce-Gesetz, sei meistens keine Auskunft zu persönlichen Daten von Täter*innen durch Plattformen zu erhalten, heißt es.

Viele, geballte Hassnachrichten von verschiedenen Personen

Doch das seien nicht die einzigen Hürden bei Strafverfahren gegen Hass im Netz. „Oft sind die Situationen schwer greifbar, weil eine Person Hassnachrichten von vielen verschiedenen Seiten ausgesetzt ist“, sagt Yildiz. „Hier ist der emotionale, zeitliche und (teils) finanzielle Aufwand zu bedenken, der auf Betroffene zukommt, wenn sie gegen alle Hassnachrichten vorgehen möchten. Außerdem muss bei solchen Fluten an Hassnachrichten immer für jede einzelne Person gesondert beurteilt werden, ob und inwiefern sie strafrechtlich gehandelt hat“, erklärt der ZARA-Berater die Schwierigkeit. In so einem Fall müsste jede einzelne Nachricht auf strafrechtliche Relevanz geprüft werden.

Der ZARA-Berater ist sich sicher, dass man durch eine Verschärfung des Strafrechts solche Fälle, wie jenen von der oberösterreichischen Hausärztin Kellermayr, nicht verhindern könne. „Wichtiger als strafrechtliche Verschärfungen erscheint uns viel Energie in Präventionsarbeit, aber auch in die Sensibilisierung und Schulung der mit der Bekämpfung von Hass im Netz betrauten Behörden, vor allem der Polizei, zu investieren.“

Behörden wollen in Präventionsarbeit investieren

Das Bundeskriminalamt betonte gegenüber der futurezone, dass genau das bei der Kriminalpolizei gemacht werde. Prävention habe einen großen Stellenwert, heißt es dazu seitens Paul Eidenberger vom Bundeskriminalamt. „Hate-Crime bzw. Hass im Netz ist auch ein zentraler Punkt bei den Tätigkeiten der Kolleg*innen der Kriminal-Prävention, egal ob auf der Ebene des Bundeskriminalamts, jener der Landeskriminalämter, bis hin zu den Polizist*innen auf den Inspektionen, die freilich ebenfalls, als erster Anlaufpunkt für die Bevölkerung, beratend tätig sind. Auch die Grätzl-Polizist*innen, die im Rahmen von „Gemeinsam.Sicher“ bundesweit tätig sind und engen Kontakt mit der Bevölkerung pflegen, haben dieses Thema am Schirm.“

Hilfe bei Suizid-Gedanken

Wer Suizid-Gedanken hat, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits das Sprechen über die Gedanken dabei, sie zumindest vorübergehend auszuräumen. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich an die Telefonseelsorge wenden: Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt Ärzte, Beratungsstellen oder Kliniken. Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Depressionen betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge in Österreich kostenlos unter der Rufnummer 142.

Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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