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Hass im Netz - die Rechtsverfolgung ist nicht immer zielführend

© Getty Images/iStockphoto / fedrelena/iStockphoto

Netzpolitik

Hass im Netz: Eine Betroffene berichtet, warum sie aufgegeben hat

Julia Spacil beobachtet als Fotografin seit Jahren die extreme Rechte in Österreich. Sie veröffentlicht diese Bilder auf Twitter und berichtet dort von Demonstrationen. Wegen dieser Aktivitäten wurde sie in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich beschimpft und bedroht, wie sie der futurezone erzählt. Es fielen Begriffe wie „Terroristin“ oder „verlogene Ratte“.

Hinter den Beschimpfungen steckte ein Mensch, der auf Twitter ein Konto mit seinem Klarnamen angelegt hat. „Es handelt sich dabei vermutlich um einen Unterstützer der Identitären“, erzählt Spacil. Doch um dies beweisen zu können, müsste man den Namen des Accounts mit einer Handynummer oder IP-Adresse verknüpfen, um eine klare Zuordnung vornehmen zu können.

Twitter ignoriert Hass im Netz Gesetz

Spacil beantragte deshalb von Twitter beim Landesgericht Wien eine Auskunft über die Stammdaten des Nutzers – und bekam diese nicht. „Theoretisch gibt es die Verpflichtung von Anbietern von Kommunikationsdiensten, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken. Twitter hat die Auskunft jedoch verweigert“, so die Fotografin. Obwohl der konkrete Verdacht wegen übler Nachrede und Beleidigung mit Screenshots, die Spacil gesammelt hatte, nachgewiesen werden konnte, verlief das Verfahren im Sand. Ohne der Feststellung der Identität kann kein Strafverfahren erfolgen.

Twitter verweigerte jedoch nicht nur die Herausgabe der Daten an die Behörden, sondern hält sich auch nicht an das am 1. April 2021 geschaffene Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPI-G). Dieses sieht vor, dass Betreiber von Online-Plattformen strafrechtlich relevante Hasspostings, die gemeldet worden sind, innerhalb von 24 Stunden löschen müssen. Bei Beiträgen, bei denen es weniger klar ist, ob ein Delikt vorliegt, haben Plattformen 7 Tage Zeit. Twitter ist gegen dieses Gesetz offiziell vor das Bundesverwaltungsgericht gegangen (wir haben darüber berichtet). Für jene Plattformen, die sich nicht an das österreichische Gesetz halten, sind Strafen vorgesehen. Doch bisher wurden keine ausgesprochen.

Drohungen immer im Graubereich

Spacil wurde auf Twitter nicht nur beschimpft, sondern sie bekam auch Botschaften wie „Ihr könnt euch freuen, ich habe immer mein Messer dabei“. „Ich traue mich dabei aber nicht von einer Drohung gegen meine Person zu sprechen, denn dazu ist diese Aussage möglicherweise zu unspezifisch“, so Spacil. Die Aussage ist bewusst so formuliert, denn diejenigen, die im Netz Angst schüren wollen, wissen, wie sie Drohungen aussprechen, aber dafür nicht belangt werden können.

Spacil hat bereits einmal negative Erfahrungen bei der Aufklärung von Hass im Netz gegen sie gemacht. Anfang 2017 erstattete sie eine Anzeige bei der Polizei, weil sie von einer klar zuordenbaren Neonazi-Gruppe einen Drohbrief an ihrer Arbeitsadresse erhalten und Beschmierungen an ihrer Haustüre vorgefunden hatte. Auch damals war die Formulierung der Gruppierung bewusst so gewählt, dass die Polizei den Tatbestand der Drohung nicht erfüllt sah.

„Obendrauf kam, dass ich als Opfer einvernommen worden war, aber die Polizei mich wie eine Beschuldigte behandelt und befragt hat."

Julia Spacil

Als Opfer gekommen, als Beschuldigte behandelt

Spacil war damals überrascht, denn sie hatte sich gedacht, dass der Zusammenhang mit dem Aufsuchen ihrer Wohn- und Arbeitsadresse in Kombination mit der Drohung genügen würde, damit die Polizei tätig wird. Doch das Verfahren wurde eingestellt. „Obendrauf kam, dass ich als Opfer einvernommen worden war, aber die Polizei mich wie eine Beschuldigte behandelt und befragt hat“, so Spacil.

Die Fotografin hat bei ihrem Vorgehen alles richtig gemacht und sich an die zuständigen Behörden gewandt. Dennoch wurde in ihren Fällen keine Person angeklagt. „Es war mein Versuch, auf dem Rechtsweg gegen Hass im Netz vorzugehen. Ich habe für mich allerdings jetzt aufgegeben, gegen so etwas vorzugehen, weil ich keine Erfolgschancen sehe“, sagt Spacil.

6 Dinge, die ihr bei Hass im Netz tun könnt

Online-Nutzer*innen müssen Hasspostings keinesfalls hinnehmen. Das könnt ihr tun:

Screenshots machen

Macht einen Screenshot oder fotografiert das Posting mit eurem Handy ab. Es ist wichtig, dass auch das Datum ersichtlich ist sowie der Kontext des Schreibens. Damit könnt ihr später beweisen, dass euch jemand beleidigt oder bedroht hat. Es gibt mit dem Online-Dienst netzbeweis.com eine Möglichkeit, Screenshots so zu speichern, dass sie vor Gericht verwendet werden können. 

Inhalte löschen lassen

Bei sozialen Medien wie Facebook, Instagram oder YouTube können Postings nach dem Hass-im-Netz-Gesetz gemeldet werden und müssen dann von den Plattformen entfernt werden. Die Plattformen informieren euch, sobald ein Posting gelöscht wurde. 

Anzeige bei der Polizei

Ist ein Opfer der Meinung, eine Straftat hat sich ereignet (z.B. gefährliche Drohung, Verleumdung, Nötigung), sollte die Polizei eingeschaltet werden. Die Unterscheidung, ob  ein Vorfall strafrechtlich relevant ist oder nicht, muss keinesfalls das Opfer selbst entscheiden, heißt es seitens der Polizei. Erste Anlaufstelle ist immer die Polizeiinspektion.

Unterlassungsauftrag

Falls eine Plattform sich weigert, ein Posting zu löschen, kann diese geklagt werden, ebenso wie der Verfasser des Postings. Weitere Infos gibt es in einem Folder des Justizministeriums.  Dies führt allerdings nicht immer zum Erfolg, weil die Ausforschung des Verfassers schwierig ist.

Gegenrede

Auf schnellerkonter.at könnt ihr euch Inspirationen holen, wie man sich verbal wehren und darauf aufmerksam machen kann, dass ein Kommentar nicht ok war. 

Beratung

Beratungsmöglichkeiten für Opfer von Hass im Netz gibt es etwa bei ZARA.

Was das Bundeskriminalamt Opfern empfiehlt

Die Polizei sieht dies freilich anders. Auf die futurezone-Frage, was man als Opfer von Hass im Netz als Erstes tun soll, empfiehlt das Bundeskriminalamt, zur Polizeiinspektion zu gehen. „Ist ein Opfer der Meinung, eine Straftat hat sich ereignet, muss die Polizei eingeschaltet werden. Die Unterscheidung, ob nun ein Vorfall tatsächlich strafrechtlich relevant ist oder nicht, muss keinesfalls ein Opfer entscheiden oder wissen – dies erledigt die Polizei“, heißt es seitens des Bundeskriminalamts. Mit dabei haben sollte man seine Screenshots, entweder ausgedruckt oder am besten auf einem Datenträger gespeichert wie einen USB-Stick. 

„Die Polizist*innen bewerten, wie bei allen Verdachtsfällen von Straftaten, in Folge die strafrechtliche Relevanz eines Vorfalles“, so Paul Eidenberger. Erst in Folge würden eventuell Spezialdienststellen wie das Cybercrime Competence Center (C4) eingeschalten, das wäre „von Fall zu Fall verschieden“, heißt es.

Beharrliche Verfolgung oder Verhetzung

Generell zeigt das 2021 geschaffene Hass-im-Netz-Paket bisher wenig Wirkung. Die Ausweitung von Tatbeständen brachte vergangenes Jahr etwas mehr Anzeigen, aber nicht mehr Anklagen. Im Jahr 2022 gab es bis inklusive Juli derzeit 1.266 Anzeigen, 270 Anklagen und 112 Verurteilungen wegen „beharrlicher Verfolgung“ und 372 Anzeigen, 55 Anklagen und 9 Verurteilungen wegen „Verhetzung“, wie die futurezone aus dem Justizministerium erfuhr. „Warum Anzeigen nicht zu Anklagen führen, kann mannigfaltige Gründe haben“, heißt es aus dem Justizministerium.

Das Justizministerium betont, dass eine Verordnung (E-Evidence), die gerade auf EU-Ebene finalisiert wird, dazu beitragen kann, dass Täter*innen, die aus dem Ausland stammen, schneller ausgeforscht werden können. So soll ermöglicht werden, dass die österreichischen Staatsanwaltschaften direkt bei Dienstanbietern Auskünfte über diverse Daten zu Online-User*innen einholen können, ohne zuvor um Rechtshilfe bei einer Behörde im Ausland ansuchen zu müssen.

Zahlen und Statistiken, die rein die Online-Delikte zu Straftatbeständen rund um Hass im Netz betreffen, gibt es übrigens keine. „Das hängt primär damit zusammen, dass dieser Erhebungsschritt kein automatisierter ist und für eine Auswertung dieser Art in jedem einzelnen Akt nach entsprechenden Anordnungen der Staatsanwaltschaft gesucht und diese sodann händisch ausgewertet werden müssten“, heißt es. Damit lässt sich schwer bewerten, wie viel sich durch das neu geschaffene Gesetzespaket wirklich geändert hat und ob es reicht, um Hass im Netz zu bekämpfen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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