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Netzpolitik

Twitter ignoriert Hass-im-Netz-Gesetz

Seit 1. April gibt es in Österreich das Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPI-G). Dieses sieht vor, dass Betreiber*innen von Online-Plattformen strafrechtlich relevante Hasspostings, die gemeldet worden sind, innerhalb von 24 Stunden löschen müssen. Bei Beiträgen, bei denen es weniger klar ist, ob ein Delikt vorliegt, haben Plattformen 7 Tage Zeit. Die Betreiber*innen müssen außerdem ein Meldeformular zur Verfügung stellen.

Jetzt ist mehr als ein halbes Jahr vergangen seit das Gesetz in Kraft getreten ist und Twitter hat es bisher verabsäumt, die Regelung umzusetzen. Es gibt schlichtweg kein eigenes Meldeformular, um Tweets, die Beleidigungen, gefährliche Drohungen oder Verhetzung nach österreichischem Straftatbestand zu melden. Twitter selbst will dazu gegenüber der futurezone keine Stellungnahme abgeben. „Wir kommentieren dieses Thema nicht“, heißt es dazu seitens der Presseabteilung.

Beschwerde beim Gericht

Wie eine weiterführende Recherche der futurezone ergab, hatte Twitter - wie auch 3 weitere Plattformen - eine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Diese liegt der futurezone in anonymisierter Form vor. Aus einigen nicht geschwärzten Formulierungen, die darin verwendet werden, wie etwa „Tweets“, geht jedoch eindeutig hervor, dass es sich dabei um die Plattform Twitter handelt.

Der Kurzmitteilungsdienst, der seinen europäischen Sitz in Irland hat, hatte die zuständige Aufsichtsbehörde KommAustria aufgefordert, festzustellen, ob der Dienst dem österreichischen KoPI-G unterliegt. Nach einem positiven Bescheid ging das Verfahren weiter zum Bundesverwaltungsgericht, wo Twitter eine Beschwerde eingelegte.

EU sah möglichen Konfllikt bereits im Vorfeld

Twitter argumentiert, dass das „Hass im Netz“-Gesetz nicht zur Anwendung kommen könne, weil damit gegen die E-Commerce-Richtlinie verstoßen werde. Diese sieht ein sogenanntes „Herkunftslandprinzip“ vor, was bedeutet, dass sich Twitter an die irischen Gesetze halten müsste, nicht an österreichische.

Die EU-Kommission hatte bei der Begutachtung des Gesetzesentwurfs einen möglichen Konflikt vorhergesehen, und in seiner Empfehlung an den Gesetzgeber angemerkt, dass die Regelungsziele des Gesetzes, „es grundsätzlich rechtfertigen könnten, vom Grundsatz der Herkunftslandkontrolle abzuweichen.“

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Facebook hat sich zwar ebenfalls gewehrt, aber das Gesetz trotzdem von Anfang an umgesetzt

Auch Facebook ging vor Gericht

Bei der KommAustria bestätigte man gegenüber der futurezone, dass die Behörde insgesamt 4 Fesstellungsanträge erhalten und auch entschieden habe. „Alle Plattformen sind mit unseren Bescheiden vors Bundesverwaltungsgericht gezogen“, heißt es. 3 der 4 Verfahren seien bereits entschieden worden, heißt es weiters.

Bestätigt wurde das bisher fix von Facebook (die futurezone hatte berichtet). Der US-Konzern hat sich allerdings trotzdem von Anfang an an die Umsetzung des „Hass im Netz“-Pakets und des dazugehörigen Gesetzes gehalten. Vom ersten Tag an gab es eine Meldemöglichkeit für Nutzer*innen und vor kurzem gab es pünktlich Ende Oktober einen Transparenzbericht. Aus dem geht hervor, dass von Nutzer*innen insgesamt über 18.000 Inhalte beanstandet wurden. Beleidigung und Verhetzung waren die am häufigsten gemeldete Delikte. Insgesamt habe es rund 2.700 Löschungen bei Facebook geben, heißt es. Die Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum vom 1. April bis 30. September 2021.

YouTube macht es User*innen schwer, Hass zu melden

Neben Twitter ist auch YouTube ein „Sorgenkind“. Bei YouTube waren im selben Zeitraum bisher nämlich exakt 0 Löschungen aufgrund des österreichischen Gesetzes durchgeführt worden, wie aus dem Transparenzbericht hervorgeht. Der wahrscheinlichste Grund hierfür ist, dass es anders als bei Facebook oder Instagram keinen so einfach zu findenden Knopf gibt, mit dem Inhalte gemeldet werden können.

Es ist zwar relativ einfach, Inhalte generell zu melden, die YouTube löschen sollte, weil sie gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen, aber ein expliziter Meldeknopf für österreichischer Nutzer*innen, wurde seitens des Konzerns gut versteckt. Um zum Meldeformular zu kommen, muss man am besten direkt den Link aufrufen. Doch die nächste Hürde ist, dass man dann die jeweiligen Gesetzesparagrafen zitieren muss, gegen die man glaubt, dass ein Verstoß vorliegt. Auch das Verlinken der betroffenen Kommentare gestaltet sich technisch nicht gerade einfach.  Jurist*innen werden eine Meldung hier wohl schaffen, Laien werden sich jedoch sehr schwer tun.

Eine Entscheidung über eine Strafe muss mit der EU-Kommission abgesprochen werden

Strafen nur mit Absprache der EU-Kommission und Regulierungsbehörden in Irland

Für jene Plattformen, die sich nicht an das österreichische Gesetz halten, sind Strafen vorgesehen. Löscht eine Plattform die Postings nicht in der vorgesehenen Zeit, und das für einen längeren Zeitraum, drohen Geldbußen bis zu zehn Millionen Euro. Doch die zuständige Behörde KommAustria sagt, dass das mit dem Strafen nicht so einfach sei. „Bevor die KommAustria eine Maßnahme ableitet, müsste sie die EU-Kommission und die zuständige Regulierungsbehörde am Firmensitz des Unternehmens, meistens Irland, darüber informieren“, heißt es seitens der Behörde. Das geht aus den bisherigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts hervor.

Doch was bedeutet das jetzt für Nutzer*innen? Auf Facebook und Instagram finden sich die Melde-Buttons für Hass im Netz relativ einfach. Ingrid Brodnig hat auf ihrem Blog eine "How-To"-Anleitung bereitgestellt. Auf YouTube ist der Prozess kompliziert. Auf Twitter hingegen heißt es weiter: Bitte warten. Hier hat das Hass-im-Netz-Gesetz bisher nicht gegriffen.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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