Netzpolitik

Überwachung, die Peter Pilz will, ist "technisch unmöglich"

Die Wahlkabine.at hat diese Woche ihr Tool veröffentlicht, mit dem man Fragen und Standpunkte der Parteien mit seinen eigenen vergleichen kann. So manche Antwort von Politikern, die darin aufgelistet war, sorgte für erhöhte Aufmerksamkeit. Peter Pilz von der Liste Pilz hat etwa auf die Frage "Soll es dem Staat möglich sein, verschlüsselte Onlinekommunikation (z. B. Whatsapp) zu überwachen?" mit „Ja“ beantwortet. Daraufhin verbreiteten sich online Tweets mit der Message „Peter Pilz ist für den Staatstrojaner“. Die futurezone hat mit ihm darüber gesprochen.

futurezone: Herr Pilz, sind Sie für den Bundestrojaner?
Nein. Ich frage mich, wie Menschen auf diese Idee kommen können. Ein Bundestrojaner würde die Falschen treffen und zwar nur Leute, die sich nicht dagegen abgesichert haben. Es gibt kaum jemanden aus dem Bereich politischer Islam oder organisierte Kriminalität, der sich nicht davor schützen würde. Das Kalifat arbeitet längst mit eigenen Systemen, die Kommunikation verläuft vollkommen autonom. Mit dem Bundestrojaner kann man nur harmlose Leute erwischen.

Sie haben bei der Wahlkabine die Frage nach der Notwendigkeit, verschlüsselte Online-Kommunikation zu überwachen, aber bejaht. Wie erklären Sie das?
Der Staat hat sich wie beim Briefgeheimnis zu überlegen, ob er eine richterliche Kontrollmöglichkeit bekommt gegen terroristische Gruppen. Von der rechtsstaatlichen Seite muss die Justiz so ein Briefgeheimnis overrulen können – unter bestimmten Voraussetzungen. Das betrifft aber nur die grundsätzliche Rechtsfrage. Man hat mich nicht gefragt, ob das in der Praxis überhaupt möglich ist. Bei der Wahlkabine.at hat außerdem jeder den Zusatz überlesen, der hier angefügt war. Der lautete: „In ganz speziellen Bereichen schwerer Kriminalität (Terrorismus, OK) mit richterlichem Befehl. Aber nur unter einer Voraussetzung: Verbot der anlasslosen Massenüberwachung im Verfassungsrang.“ Massenüberwachung soll verfassungsmäßig verboten werden. Künftig werde ich keine Multiple-Choice-Fragen mehr beantworten.

Ich frage Sie das aber jetzt: Wie soll das technisch funktionieren, eine Online-Überwachung von verschlüsselter Kommunikation ohne Bundestrojaner?
Das geht technisch gar nicht. Ich habe die beiden für das Sicherheitspaket zuständigen Minister im Innenausschuss immer gefragt, wie sie sich das konkret vorstellen. Wenn ein Innenminister die Bekämpfung der Cyberkriminalität zur obersten Priorität erklärt und sich dann plötzlich mit der Cyberkriminalität verbündet, ist das ja absurd! Wenn ein Innenministerium Sicherheitslücken in Betriebssystemen mutwillig offen hält, hält es damit nur Lücken offen, die von Geheimdiensten wie der NSA schon viel länger und intensiver genützt werden. Ein Staat sollte aber genau dies durch das Schließen von Sicherheitslücken verhindern.

Der „Standard“ hat Sie mit der Aussage zitiert, dass das Mitlesen verschlüsselter Chat-Nachrichten technisch sehr wohl möglich sei, indem der Schlüssel etwa für die Whatsapp-Kommunikation bei Gericht "hinterlegt" werden könnten?
Würde es hinterlegbare Schlüssel geben, müssten das andere Behörden sein und sicher nicht Gerichte. Aber bei WhatsApp kann man keine Schlüssel hinterlegen. Das dürfte ein seltsames Missverständnis sein. Aber manchmal helfen genau nachfragen wie diese bei der Klärung dieser wichtigen Fragen. Sicherheitspolitik ist ein Kernbereich meiner Aufgaben und ich bekämpfe den Überwachungsstaat persönlich seit 1988 und ich sehe diese Arbeit noch nicht als abgeschlossen an.

Ist eine WhatsApp-Überwachung daher technisch nicht möglich?
Bei WhatsApp sind auch die Metadaten lokal verschlüsselt. Behörden können hier nicht einmal eine Metadaten-Analyse durchführen. Wenn man das alles weiß, weiß man, dass man in Zukunft viel mehr auf klassische kriminalpolizeiliche Arbeit setzen muss, auf Quellen. Wenn ich Quellen habe in terroristischen Organisationen und Netzwerken, habe ich eine Chance, etwas präventiv zu erreichen. Es hilft nichts, wenn Daten sicher sind, aber wir die Menschen nicht schützen sind. Die Sicherheit der Menschen muss daher genauso wichtig sein wie die Sicherheit der Daten. Man muss einen Weg finden, mit dem man beide Ziele gemeinsam verfolgen kann.

Haben Sie auch abseits des Internets Menschen auf Ihre wahlkabine.at-Antwort angesprochen?
Ja, auch heute in Tirol. Ich bin froh, dass viele Leute sensibel reagieren. Das zeigt, dass es viele gibt, die ein entwickeltes Bewusstsein haben und Datenschutz kein Minderheitenprogramm mehr ist. Für mich ist der wirkliche Gefährder unserer Freiheit derzeit Innenminister Sobotka. (Anmerkung: Sobotka hatte unlängst mit Verweis auf das aus seiner Sicht zu beschließende Sicherheitspaket gesagt, dass "alle innerhalb und außerhalb des Parlaments, die gegen diese gesetzlichen Anpassungen sind, einen Anschlag auf die Sicherheit der Österreicher planen".) Den kann man allerdings abwählen, woran ich mit meinem Misstrauensantrag arbeite, den ich am 20.9. einbringen werde. Es gibt bereits Signale der SPÖ, mitzustimmen und es eine Mehrheit für meinen Antrag geben wird. Das fände ich spannend.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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