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Navee V40i Pro im Test: Stadtflitzer scheitert an der Realität

E-Scooter werden oft angepriesen, die “letzte Meile” ohne Anstrengung und schnell zu überbrücken. Den Großteil des Weges fährt man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln wie U-Bahn oder Bus, das letzte Stück von der Haltestelle bis zum Zielort kommt der E-Scooter zum Einsatz. 

Diese werden allerdings immer schwerer und unhandlicher: Einen E-Scooter in den Bus mitzunehmen ist möglich, aber oft mühsam und manchmal auch kaum möglich, wenn sich zu viele Passagiere im Fahrzeug drängen.

Auch der Navee V40i Pro ist mit gemessenen 17,3 Kilogramm wahrlich kein Leichtgewicht, der sich von allen ohne Mühe in einen Bus heben lässt. Da hilft es auch nichts, dass sich der E-Roller mit wenigen Handgriffen zusammenklappen lässt, damit man ihn besser tragen kann. 

Der zusammengeklappte Navee.

E-Scooter als Fahrradersatz

Vielmehr fungiert der V40i Pro als Fahrradersatz, mit dem man schweißfrei im Büro ankommt. Navee, eine Untermarke des chinesischen Smartphoneherstellers Xiaomi, verspricht eine Reichweite von 40 Kilometer, allerdings nur bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h. Fährt man mit der in Österreich zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h, sinkt die Reichweite auf 25 Kilometer (dieser Wert wird später noch wichtig). 

Auf 40 Kilometer Reichweite wird man in Österreich selbst theoretisch kaum kommen. Das Fahrzeug verfügt über einen Fußgängermodus (gedrosselt auf 5 km/h), einen Drive-Modus (gedrosselt auf 20 km/h und einen Speed-Modus (gedrosselt auf 25 km/h). 

In der Version für Deutschland sind Drive- und Speed-Modus jeweils 5 km/h langsamer, hier kann man also auch 15 km/h schnell fahren, wenn man den Gashebel mit dem rechten Daumen bis zum Anschlag hinunterdrückt. Eine Art Tempomat gibt es leider nicht, der die Geschwindigkeit hält, auch wenn man kein Gas gibt.

Registrierungspflicht in der App

Angezeigt wird die Geschwindigkeit auf einem 4-Zoll-Display am Lenker, gemeinsam mit dem Akkustand (leider nicht in Prozent) und Informationen, ob etwa das Licht eingeschaltet ist, das Handy verbunden ist oder der Blinker blinkt. Diesen kann man mit dem Daumen der linken Hand betätigen, an den Enden der Handgriffe leuchtet dann ein entsprechendes Lämpchen auf. 

Leider sind die Blinkerknöpfe untereinander und nicht nebeneinander angeordnet, weshalb es am Anfang ein Ratespiel ist, welchen Knopf man denn drücken soll. In der Blinkfrequenz ertönt gleichzeitig ein Piepsen, das erst wieder verstummt, wenn der Blinker ausgeschaltet wird. Das kann man auch in den Einstellungen der App nicht ändern. 

Die App ist für die erste Nutzung des E-Scooters dringend nötig.

Die App braucht man auch, um den E-Roller zum ersten Mal in Betrieb zu nehmen. Beim ersten Einschalten wird man nämlich ebenso von einem Piepsen begrüßt, das erst aufhört, wenn man sich ein Konto angelegt hat und der Roller mit der App verbunden ist. Dort sieht man auch den Restkilometerstand, kann eine Wegfahrsperre aktivieren und deaktivieren sowie einstellen, ob der Scheinwerfer ständig an sein soll oder automatisch einschalten soll, wenn es draußen dunkel wird.

Roller mit Rückspeisung

Ebenso in der App lässt sich regeln, wie stark die Rückspeisung in den Akku sein soll. Der Navee V40i Pro verfügt nämlich nicht nur über eine Scheibenbremse am Hinterrad, sondern auch über ein “Electronic Assisted Breaking System” am Vorderrad. Dieses nutzt die Bremsenergie, um bei jedem Bremsvorgang den Akku etwas aufzuladen. Nicht zu verwechseln ist das eABS mit dem ABS, dem Antiblockiersystem.

In der App gibt es dafür die Auswahlmöglichkeiten “niedrig”, “mittel” und “hoch”. Inwiefern die sich auf die Reichweite auswirken, ist schwer zu sagen. Man merkt allerdings während der Fahrt, dass der Roller kaum von alleine rollt. Lässt man das Gas los, wird der Roller abrupt langsamer und kommt selbst bei leicht abfallenden Straßen irgendwann zum Stillstand. Damit das nicht passiert, muss das Gefälle schon entsprechend groß sein.

Während der Fahrt habe ich den Gashebel daher beinahe immer vollständig durchgedrückt. In meinen Augen braucht es das Rekuperationssystem nicht, da es im Flachland kaum zum Einsatz kommt. Außerdem wird dadurch der Akku unnötig gestresst - jede Rekuperation ist wie eine Miniaufladung, die den Akku etwas altern lässt. Bei E-Autos wirkt sich eine “nervöse Fahrweise” mit viel beschleunigen und rekuperieren negativ auf die Akkugesundheit aus, beim E-Roller dürfte es nicht anders sein.

Das Rekuperationssystem tritt zusätzlich in Kraft, wenn man die Bremse mit der Hand betätigt - allerdings nicht sofort. Es dauert - je nachdem, wie stark man bremst - einen kleinen Augenblick, bis nicht nur die hintere Schreibenbremse, sondern auch die Vorderbremse greift. Das ist schwer vorhersehbar und trägt der Fahrsicherheit meiner Meinung nach nicht bei. 

Merkliche Leistungseinbußen

Der E-Roller soll Steigungen von bis zu 18 Prozent “problemlos” meistern können. Mit meinen schlanken 88 Kilo Körpergewicht - der Roller soll stattliche 120 Kilogramm schaffen - kann ich das nicht ganz bestätigen. An Brücken und Unterführungen pustet und keucht der Roller merklich, vor allem, wenn die Batterie unter 30 Prozent Kapazität fällt. Als sie fast leer war, musste ich mehrmals mit dem Fuß anschieben, damit der Scooter mir nicht auf halbem Weg eingeht.

Das Display des Navee E-Scooters sieht äußerst schick aus.

Navee gibt auf seiner Website eine Maximalleistung des Motors von 600 Watt an, die im Nennleistung (Dauerleistung) liegt allerdings nur bei 300 Watt. Die Beschleunigung ist zumindest auf einer flachen Straße gut, der Gashebel reagiert allerdings sehr empfindlich. Zwischen “kein Gas” und “Vollgas” gibt es nur wenig Spielraum, den man besonders am Anfang erst auskundschaften muss. Nach einiger Zeit hat man allerdings den Dreh raus.

Reichweite nicht wie angegeben

Was die Reichweite betrifft, war ich im ersten Moment schockiert. Kaum ausgepackt wollte ich gleich eine Runde drehen, mit 40 Prozent hätte ich laut App 16 Kilometer weit kommen sollen. Nach rund 4 Kilometern folgte allerdings der Schrecken - am Display verfärbte sich die Akkuanzeige rot, mit Ach und Krach schaffe ich es noch 4 Kilometer heim. Akkustand laut App: 0 Prozent.

Die Akkukapazität beträgt knapp 300 Wattstunden (genau: 272 Wattstunden), das 50-Watt-Netzteil braucht etwa 6 Stunden, um ihn vollständig aufzuladen. Die App zeigt nach dieser Zeit 40 Kilometer Reichweite an, im Speed-Modus (Maximalgeschwindigkeit 25 km/h) sollen noch 25 Kilometer machbar sein. Doch auch das ist deutlich zu optimistisch geschätzt. 

Nach gut 10 Kilometern Fahrt mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 19 km/h bin ich wieder auf 40 Prozent herunter. Weitere 6 Kilometer später ist der Akku nur noch 10 Prozent voll, ein bis 2 Kilometer dürften sich maximal noch ausgehen. Statt 25 Kilometer sind also 18 Kilometer realistisch, zumindest bei herbstlich kühlen Temperaturen. 

Wie der Akku im Sommer abschneiden würde, kann nach dem kurzen Testzeitraum nicht gesagt werden. Da höhere Temperaturen besser für die Akku-Chemie sind, ist im Somme mit mehr Reichweite zu rechnen. Ob allerdings 25 Kilometer erreicht werden können, ist eher unwahrscheinlich.

Komfortabel auf kurze Strecken

Was den Fahrkomfort angeht, ist der Navee V40i Pro ein typischer Stadtflitzer. Die 10-Zoll-Luftreifen federn kleine Unebenheiten ab, eine andere Federung gibt es allerdings nicht. Wer regelmäßig über unebene Straßen und Wege fährt, wird das in den Armen spüren.

Mit einer Breite von rund 14 Zentimetern ist die Trittfläche für mich breit genug, um mit den Füßen nebeneinander auf dem Roller zu stehen. Auch die Lenkerstange ist mit einer Länge von 48 Zentimetern ausreichend breit, aber eher auf der engeren Seite.

Preislich bewegt sich der Navee V40i Pro mit seinen rund 400 Euro (auf Amazon) bzw. knapp 500 Euro im Mediamarkt im unteren Mittelfeld. Dort ist die Konkurrenz allerdings groß - vor allem aus dem Hause Xiaomi bzw. dem ebenso zu Xiaomi gehörenden Segway-Ninebot. Nur 50 Euro teurer ist der fast baugleiche V50 Pro mit größerem Akku und 100 Watt mehr Leistung. 

Fazit

Der Navee V40i Pro (oft auch unter dem Namen Navee V40 Pro zu finden) ist ein gutes Einsteigermodell für den schmalen Taler, der immerhin mit Blinker und Rekuperationssystem ausgestattet ist. Allerdings gibt es einige Punkte, die verbesserungswürdig sind. Die angegebene Reichweite ist zum Beispiel übertrieben, die Blinkerbedienung könnte besser sein und die Einstellungen in der App lassen einige Wünsche offen. Zudem gibt es einen Registrierungszwang, um den Roller in Betrieb zu nehmen.

Wie viel die Rekuperation in der Alltagsnutzung bringt, ist schwierig zu ermitteln - zur Fahrsicherheit trägt sie nicht bei. Oft wird das Feature allerdings als reiner Marketing-Gag beschrieben, der nur wenige Prozent Reichweitensteigerung bringt. Zudem merkt man auch, dass die Freilauf-Funktion dadurch deutlich eingeschränkt ist. Das ist besonders übel, wenn einem am Weg plötzlich der Saft ausgeht und man mit dem Fuß nachhelfen muss. Man tritt nämlich gegen die Rekuperation an, anstatt möglichst schnell vorwärtszukommen.

An der Verarbeitung gibt es (noch) nichts auszusetzen und durch den Klappmechanismus lässt sich der Roller zumindest kompakt verstauen bzw. über kurze Strecken tragen. Ein kleines Highlight ist das “Geheimfach” in der Lenkstange. Im aufgeklappten Zustand lässt sich dort nämlich ein AirTag verstecken, ein passender Gummipfropfen wird mitgeliefert, in dem das Tracking-Device versteckt und hineingesteckt werden kann. Eine nette Idee, wie ich finde. Es schadet allerdings nicht, sich nach Alternativen umzusehen.

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Marcel Strobl

marcel_stro

Ich interessiere mich vor allem für Klima- und Wissenschaftsthemen. Aber auch das ein oder andere Gadget kann mich entzücken.

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