Die futurezone hat den Unu Scooter getestet

Die futurezone hat den Unu Scooter getestet

© David Kotrba

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Unu E-Roller im Test: Frisch und knackig, aber nicht ganz reif

Dank seines Designs ist der Unu Scooter jederzeit klar erkennbar. Ein breiter Sitz und viel Stauraum machen das Gefährt sehr "alltagstauglich".

Vor mehr als 5 Jahren habe ich das erste Produkt des Berliner Start-ups Unu getestet. Der in klassischem Look gehaltene Elektro-Motorroller mit Wechselakku hat mich durch Fahrspaß und Kraft überzeugt. Der 2019 vorgestellten Nachfolgerversion wurde ein komplett neues Design verpasst. Corona-bedingt verzögerte sich der Marktstart massiv. Nun konnte die futurezone den neuen Unu Scooter (endlich) testen.

Leistung und Technik

Der Unu Scooter ist ein 1,82 Meter langer Motorroller mit Bosch Radnabenmotor am 11 Zoll großen Hinterrad. Der Motor ist wahlweise mit 3 oder 4 kW Leistung erhältlich und beschleunigt den Roller auf offiziell 45 km/h. Die leer 84 Kilogramm schwere Maschine weist ein zulässiges Gesamtgewicht von 269 Kilogramm auf, wodurch zwei Erwachsene darauf Platz nehmen können.

Unter dem Sitz ist Platz für 33,4 Liter Gepäck, sowie zwei Akkus mit jeweils 1,68 - 1,78 kWh Kapazität und 10,65 Kilogramm Gewicht. Das minimalistische Design begnügt sich mit sehr wenigen Knöpfen und einem Farb-Display in der Lenkermitte. Einen Hauptständer hat der Elektro-Motorroller nicht, lediglich einen Seitenständer.

UNU Scooter

Der Unu Scooter hat nur einen Seitenständer. Bei Gefälle muss man aufpassen, wie man den Roller beim Abstellen positioniert

Karte statt Schlüssel

Anstatt per Zündschlüssel wird der Unu Scooter mit einer Zugangskarte mit NFC-Chip aktiviert. Die Karte wird einfach an den Rand des Lenkerdisplays gehalten. Klappt man den Seitenständer ein, wird vom Park-Modus (P) automatisch in den Drive-Modus (D) gewechselt. Ein Dreh am Gasgriff und die Fahrt beginnt.

Mit dem 4 kW-Motor zieht man auf Wunsch gleich ordentlich davon. Fossile 50-ccm-Roller sollte man mit dem Elektro-Drehmoment locker hinter sich lassen. Beim Bremsen rekuperiert der Motor Energie, allerdings nur unterhalb von 80 Prozent Ladestand und oberhalb von 2 Grad Außentemperatur. Die Leistung reicht aus, um eine Person selbst auf steilen Straßen (Himmelstraße in Wien z.B.) mit zumindest 30 km/h zu transportieren.

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Elegant: Die einseitige Aufhängung des Hinterrades sieht gut aus

Wenige Tasten

Bei Dunkelheit wird automatisch das Licht aktiviert. Einen eigenen Schalter dafür sucht  man am Lenker vergeblich. Überhaupt kommt der Unu mit lediglich 3 physischen Bedienelementen aus: Einer Hupe, einer Taste zum Öffnen des Sitzfachs und einem Blinker.

Die Blinkertaste kann lediglich nach links oder rechts geschoben werden, dazwischen gibt es eine Mittelposition, die nicht immer ganz einfach zu treffen ist. Man muss also immer einen Blick auf das Display werfen, um zu kontrollieren, dass der Blinker deaktiviert wurde. Der bei Motorrädern übliche Druckknopf zum Deaktivieren des Blinkers wurde absichtlich weggelassen, teilt Unu auf Anfrage mit. Sollten Käufer*innen danach verlangen, schließe man aber eine Anpassung des Elements in zukünftigen Versionen nicht aus.

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Das Display mit jeder Menge Infos zu Akkuladeständen

Bugs in der Software

Das Display wird während der Fahrt von einem klassischen kreisförmigen Tacho dominiert, dazu sieht man Anzeigen für Stromverbrauch, Rekuperation, Gesamt-Kilometer und Ladestand (separat für zwei mitführbare Akkus). Neben der Uhrzeit am oberen Rand klein erkennbar sind Symbole für den Ladestand der internen Batterie (mehr dazu unten) sowie Mobilfunk-Netzempfang.

Hie und da sind während des Testens auch ominöse Warnmeldungen erschienen. Darin war etwa die Rede davon, dass man den Akku um 180 Grad drehen und wieder einsetzen sollte oder gar, dass man sofort stehenbleiben soll. Wie mir Unu versicherte, handelt es sich dabei um Bugs ohne ernsthaften Hintergrund. Ich solle die Meldungen einfach ignorieren. Die Software des Unu wird durch Over-the-Air-Updates verbessert. Daher also Mobilnetz-Empfangsanzeige am Display.

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Stauraum unter dem Sitz für zwei Akkus und Gepäck

Viel Stauraum

Wenn man den Unu am Seitenständer abgestellt hat, kann man das Sitzfach mit erwähntem Knopf am Lenker öffnen. Darunter findet man ein für Motorroller erstaunlich großes Gepäckabteil. Der Hersteller meint, 2 Jethelme passen hinein. Ein großer Helm geht sich in der Praxis locker aus, dazu bleibt noch Platz für einen kleinen Einkauf. Vor dem Gepäck stehen zwei flache Akkus, jeweils mit Tragegriff und leuchtendem LED-Kranz ausgestattet.

Akkus nicht ganz so ausdauernd

Den Motor versorgen kann nur der vordere der beiden Akkus, der andere steht bloß zum Austausch bereit. Eine Energiezufuhr auch aus der zweiten Batterie hätte laut Unu Sicherheitsrisiken mit sich gebracht, die der Hersteller nicht eingehen wollte. Auf die vorliegende Weise kann man mit einem Akku nominell 50 Kilometer weit fahren, den leeren Akku dann mit dem vollen tauschen und weitere 50 Kilometer fahren.

In der Praxis beträgt die Reichweite pro Akku bei herbstlichen Temperaturen, Wiens hügeligem Terrain und dem üblich hohen Verkehrsaufkommen eher rund 40 Kilometer. Werden sie über Nacht im Unu gelassen, findet man am Morgen 5 Prozent weniger Kapazität pro Akku vor. Unu arbeitet daran, den Verbrauch bei Stillstand zu reduzieren.

Für längere Standzeiten empfiehlt der Hersteller, den Unu in den Ruhezustand zu versetzen. Dann wird Energie nur aus der internen Batterie (die es zusätzlich zu den eins bis zwei austauschbaren Akkus an Bord gibt) bezogen. Es heißt aber aufpassen, denn wenn die interne Batterie mal leer ist, geht beim Unu nichts mehr. Im Ruhezustand reduziert sich ihre Kapazität um rund 1 Prozent pro Tag.

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Zum Aufladen wird der Akku in das Ladegerät hineingestellt

Massives Ladegerät

Aufgeladen werden die Unu-Akkus mit Hilfe eines stylischen, aber auch ein wenig klobigen und schweren Ladegeräts. Der Akku wird da einfach hineingestellt. Wer das Ladegerät auf seine Fahrt mitnehmen will, etwa um einen Akku im Büro zu laden, hat jedoch schwer zu schleppen. Die Massivität des Ladegeräts ist womöglich der schlanken Bauweise der Akku geschuldet. Die Akkus sind dadurch relativ angenehm zu tragen, können im Stand aber leicht umgeworfen werden.

Bei der Präsentation des neuen Unu Scooter angekündigt wurde eine App für den Elektroroller, die u.a. Navigation am Lenkerdisplay sowie ein Sharing des Fahrzeugs mit anderen Menschen ermöglichen soll. Eine App für den Unu Scooter gibt es seit Anfang März in den App Stores, die besagten Funktionen sind aber noch nicht inkludiert.

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Die nächtliche LED-Beleuchtung des Unu Scooter

Fazit

Der neue Unu sieht ziemlich cool aus, er fährt sich super und ist äußerst leise. Der Hersteller hat sich sichtlich bemüht, den Betrieb einfach zu machen und Fahrer*innen ein möglichst pures und unmissverständliches Nutzungserlebnis zu bieten. In der Praxis läuft es allerdings nicht ganz so sorgenfrei, wie sich Unu das vielleicht vorgestellt hat. Die Software ist trotz verlängerter Entwicklungszeit buggy, was sich immerhin nur in unnötigen Warnmeldungen äußert.

Das Batterie-Management läuft auch nicht sorgenfrei ab. Mit einer Akkuladung kommt man weniger weit als erwartet, dazu kommen Verluste bei Stillstand. Dass man sich neben dem Ladestand der Haupt-Akkus auch noch Gedanken über den Ladestand der internen Batterie machen muss, nimmt dem Nutzungserlebnis etwas von seiner angestrebten Leichtigkeit. Durch die Möglichkeit von Over-the-Air-Updates kann man darauf hoffen, dass Unu sein Produkt laufend verbessert. Was die App bringen und können wird, ist noch unklar.

Wie die Überschrift also schon andeutet, der Unu ist frisch und knackig, wirkt aber teilweise noch nicht ganz reif.

Preis

Bei den Preisen hat es erst diese Woche eine große Veränderung gegeben. Bisher zahlte man für den Unu mit 3-kW-Motor und einem Akku ab 3299 Euro, ein Zusatzakku kam auf 790 Euro. Nun gibt es zwei Preismodelle: Einmal mit, einmal ohne Akkumiete. Der Grundpreis für den Roller ist bei beiden gleich. Für das 3-kW-Modell zahlt man je nach Lackierung ab 2399 Euro, für das 4-kW-Modell ab 2999 Euro.

Kauft man einen oder zwei Akkus gleich dazu, sind pro Akku 1450 Euro fällig. Gegenüber den bisherigen Preisen bedeutet dies einen deutlichen Anstieg. Man kann den Akku aber auch mieten. Mit einer 36-monatigen Bindung zahlt man für einen Akku 39 Euro pro Monat, für zwei Akkus 69 Euro pro Monat. Man kann sich auch für einen monatlich kündbaren Tarif entscheiden und zahlt dann 60 bzw. 105 Euro.

Mit der Akkumiete übernimmt Unu die Garantie, dass die Akkus zumindest 75 Prozent ihrer Kapazität aufweisen. Sinkt der Wert unter diese Schwelle, werden sie von Unu ersetzt. Der Hersteller will mit der Akkumiete Kunden ansprechen, die besorgt sind, defekte Akkus kostspielig austauschen zu müssen und gerne einen geringeren Anschaffungspreis zahlen wollen. Addiert man die monatlichen Kosten, übersteigt der Gesamtpreis jenen bei sofortigem Akkukauf nach 37 (ein Akku) bzw. 42 Monaten (2 Akkus).

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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