Bisher erdnächster Exoplanet entdeckt
Forscher haben nach eigenen Angaben den erdnächsten Planeten jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Dort könnten Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen. Doch dahinter stehen noch viele Fragezeichen, wie die Astronomen um Guillem Anglada-Escude von der Queen Mary Universität in London betonen. Sie sprechen daher von einem "Planeten-Kandidaten".
Von Chile aus entdeckt
Für eine nähere Charakterisierung muss sich vor allem die Technik verbessern. Denkbar seien etwa hochauflösende Spektroskopie in den nächsten Jahrzehnten und möglicherweise sogar Roboterexpeditionen in den kommenden Jahrhunderten, schreiben die 31 Autoren der Studie im Fachmagazin "Nature".
Durch indirekte Verfahren unter anderem mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte (Eso/Garching) in Chile ist es dem Team gelungen, Hinweise auf einen sogenannten Exoplaneten bei Proxima Centauri zu sammeln. Das ist der nächste Nachbarstern unserer Sonne mit einen Abstand von rund 40 Billionen Kilometern.
In der habitablen Zone
Der Planet umkreist Proxima Centauri den Berechnungen zufolge mit einer Umlaufzeit von 11,2 Tagen in einem Abstand von sieben Millionen Kilometern. Die Entfernung zwischen Erde und Sonne beträgt ungefähr 20 mal so viel. Seine Masse entspricht nach Schätzungen dem 1,3-Fachen der Erdmasse. Nach dem üblichen System haben die Forscher ihn Proxima Centauri b genannt - oder kurz: Proxima Cen b.
Das Entscheidende: Der Planet soll sich in der sogenannten habitablen Zone befinden, in der die Temperaturen die Existenz von flüssigem Wasser erlauben - was wiederum als Voraussetzung für Leben angesehen wird. Das ist möglich, obwohl er seinen Stern relativ nah umkreist. Denn Proxima Centauri ist ein roter Zwergstern, der deutlich leichter und dunkler ist als unsere Sonne. Mit ihr verglichen liegt Proximas Masse bei zwölf Prozent, die Leuchtkraft bei gerade einmal 0,17 Prozent. Ob es auf dem potenziellen Planeten aber Wasser gibt, wissen die Forscher nicht.
Umweltbedingungen unklar
Und es gibt viele Unwägbarkeiten: Womöglich rotiert Proxima Cen b so, dass er dem Stern immer dieselbe Seite zuwendet - dort wäre es ewig heiß, auf der anderen Seite ständig kalte Nacht. "Es ist unklar, wie Leben unter solchen ungünstigen Bedingungen entstehen kann", schreiben Forscher vom Max-Planck-Institut (MPI) für Astronomie in Heidelberg, die an der Studie beteiligt sind. Zudem bombardiere Proxima Centauri seinen Begleiter mit hochenergetischen Teilchen und Röntgenstrahlung. Unklar ist auch, ob Proxima Cen b wie die Erde eine Atmosphäre hat, die ihn davor schützen könnte.
Konkretere Informationen über die Umweltbedingungen auf dem möglichen Planeten sollen weitere Beobachtungen ergeben. Sollte es dort sogar Leben geben, dürfte ein möglicher Nachweis nach Einschätzung der Forscher aber noch einige Jahrzehnte auf sich warten lassen.
Viele Rote Riesen
"Was uns Wissenschaftern besonders gefällt: Das ist der häufigste Sternentyp", sagte MPI-Astronom Martin Kürster. 70 bis 80 Prozent der Sterne in der Milchstraße seien rote Zwerge. "Wenn es schon beim ersten einen Treffer gibt, legt das die Vermutung nahe, dass es viele solcher Planeten gibt." Bisher haben Astronomen den Angaben zufolge mehr als 3.500 extrasolare Planeten entdeckt, doch keinen so nah an unserem Sonnensystem.
Dass die Forscher erst jetzt Hinweise auf Proxima Cen b fanden, liegt an Messmethoden und -grenzen. Mit einem Eso-Spektographen und einer Methode, die minimale Sternbewegungen nachweist, fand Anglada-Escude Indizien für einen Planeten. Viele Nachmessungen und der Vergleich mit alten Messdaten von MPI-Forscher Kürster belegen nach Einschätzung der Experten, dass es kein stellares Störsignal ist.
Hoffen auf stärkere Teleskope
"Die Signale sind mit extrem hoher Signifikanz vorhanden und über jeden Zweifel erhaben", sagte Kürster. Fraglich sei die Interpretation gewesen. Ein Planet sei die "weitaus plausibelste" Erklärung für die zahlreichen Indikatoren. "Die Wahrscheinlichkeit für einen Planeten liegt bei nahezu 100 Prozent."
Bis die Forscher Proxima Cen b direkt abbilden können, dauert es. Für die heutige Technik sei der Stern zu hell, der Planet ihm zu nah. "Möglicherweise schafft die nächste Generation von Teleskopen das", sagte Kürster. Sie solle Mitte des nächsten Jahrzehnts in Betrieb gehen.