Digitalisierung zieht Industrie zurück in die Städte
Im Zuge der Digitalisierung werden Städte einer Studie zufolge als Industriestandort wieder attraktiver. Da die Nähe zu Forschung und Konsumenten wichtiger wird, erleben Großstädte deutlich mehr Gründungen industrieller Betriebe als andere Regionen Deutschlands, wie am Mittwoch aus einer DIW-Studie für die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung hervorgeht. "Von einer wahren Renaissance der Stadt als Industriestandort oder Industrie als neuem Wachstumsmotor für die Städte kann aber noch nicht die Rede sein", sagte Co-Autor und DIW-Experte Martin Gornig. "Dafür müssen erstens aus neu gegründeten Betrieben schnellwachsende Unternehmen werden, zweitens müssen die bestehenden Industrieunternehmen in den Städten die digitale Transformation erfolgreich meistern."
Trendumkehr
Nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich die Industrie aus den Städten zurückgezogen zugunsten von Standorten in weniger dicht bevölkerten Gebieten. Denn die Firmen brauchten etwa Platz für Massenfertigung und große Lagerhallen. Doch Forscher machen Signale für ein Umdenken aus. So fanden die Autoren der Studie heraus, dass zwischen 2012 bis 2016 in deutschen Großstädten und Metropolen - gemessen am Anteil der Beschäftigten - im verarbeitenden Gewerbe rund 40 Prozent mehr Industriebetriebe gegründet wurden als anderswo. Berlin und München seien besonders attraktiv für industrielle Gründer. "Aber auch Leipzig, Dresden und Städte an Rhein und Ruhr zeigen eine überdurchschnittliche Gründungsintensität."
Die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) riefen die Politik auf, die Entwicklung zu unterstützen. Ziel müsse sein, dass Unternehmen stärker an Risikokapital gelangen, mehr vom Wissenstransfer der Forschung profitieren und zusätzliche Fachkräfte aus dem In- und Ausland zur Verfügung stehen. Zentrale Aufgabe der Politik sei künftig auch, "bei knapper werdenden Flächen in den Innenstädten, die auch beliebte Wohnstandorte sind, Nutzungskonflikte zwischen Gewerbe und Wohnen aufzulösen."