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Wie gut wären Von-Neumann-Sonden für die Erforschung des Alls?

Über 100 Milliarden Sterne gibt es in der Milchstraße. Einzelne Raumsonden wie Voyager 1 und 2 haben es gerade einmal über den Strahlungsbereich der Sonne hinaus geschafft, sind aber immer noch unfassbar weit entfernt vom nächsten Sternsystem. Der Entdeckungsdrang der Menschheit ist aber groß. Es gibt eine Idee, wie man große Teile der Galaxie in möglichst kurzer Zeit erkunden könnte: mit Von-Neumann-Sonden. Was ist das und was wäre damit möglich?

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Mit jedem Sternsystem mehr Verzweigungen

Kurz gesagt handelt es sich dabei um Raumsonden, die ohne menschliche Besatzung zu den erdnächsten Sternsystemen geschickt werden. Sie sollen sie selbstständig erkunden und eine Basis errichten, wo sie mit lokal verfügbaren Rohstoffen Kopien von sich selbst anfertigen. Diese Kopien sollen weiter zu anderen Sternsystemen geschickt werden. Auf diese Weise wären immer mehr Sonden vorhanden, die sich im Weltraum exponentiell ausbreiten.

Das Ganze würde freilich in sehr langen Zeiträumen ablaufen, aber abhängig von der erzielbaren Reisegeschwindigkeit zwischen den Sternen könnten Sonden in 0,5 bis 50 Millionen Jahren die komplette Milchstraße abdecken. Die Botschafter der Menschheit würden die Galaxie quasi wie Bakterien erobern.

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"Universale Konstrukteure" im Weltraum

Die Idee geht auf den Mathematiker John von Neumann zurück. Er entwickelte ab den 1940er-Jahren die theoretischen Grundlagen für sich selbst replizierende Maschinen. Er nannte sie "universale Konstrukteure" (Universal Constructor). Raumsonden beschrieb der Forscher damit nicht, aber wegen des Prinzips trägt das Konzept seinen Namen.

Aus aktueller Sicht sind Von-Neumann-Sonden noch eine sehr futuristische Idee. Fortschritte auf den Gebieten 3D-Druck, Mikroelektronik, Robotik und Künstliche Intelligenz geben einen Ausblick darauf, was in Zukunft möglich sein könnte. Komplexe Maschinen, die sich vollständig selbst replizieren könnten, gibt es aber heute noch nicht. Abgesehen von ihrer eigenen Vervielfältigung müssten die Raumsonden noch viele andere Fähigkeiten aufweisen, die heute noch unerreichbar sind.

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Beschleunigen auf 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit

"Man müsste etwa einen Antrieb haben, um so eine Sonde von der Erde weg auf hohe Geschwindigkeit zu beschleunigen und sie bei der Ankunft in einem anderen Sternsystem auch wieder abzubremsen", sagt Günter Kargl vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wissenschaftler, die sich in den vergangenen Jahrzehnten mit Van-Neumann-Sonden beschäftigt haben, nehmen eine Reisegeschwindigkeit von 1 bis 10 Prozent der Lichtgeschwindigkeit an, also 10,8 bis 108 Millionen km/h.

Selbst mit derartigen Geschwindigkeiten würde es mindestens 40 Jahre dauern, um alleine das erdnächste Sternsystem, Alpha Centauri, zu erreichen. Welche Energiequelle wäre notwendig? "Am ehesten Kernfusion, kombiniert mit einem Ramscoop-System, um die paar Moleküle, die auf der Strecke im All herumgeistern, einzusammeln und als Treibstoff zu verwenden", sagt Reinhard Tlustos vom Österreichischen Weltraum Forum. Eine andere Möglichkeit, um zu beschleunigen und am Zielort abzubremsen, wären riesige Solarsegel.

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Selbstheilungskräfte wegen Strahlung notwendig

Während die Sonnenstrahlung zum Vorankommen genutzt werden könnte, würde sie zeitgleich ein riesiges Problem darstellen. "Derzeit haben wir viel zu tun, um Raumsonden 10 bis 20 Jahre am Leben zu erhalten", sagt Kargl. "Die kosmische Strahlung zerstört im Laufe der Zeit die Bordelektronik. Bis zu einem gewissen Grad kann man die Strahlung abschirmen, aber das ist sehr schwierig. Die Sonde müsste sich also auf der Reise selbst heilen können."

Größe der Sonde: Nadel bis Kleinstadt

Sollte die Reise zu einem anderen Sternensystem gelingen, geht es darum, dieses zu erkunden und Rohstoffe für eine Basis ausfindig zu machen. "Die Sonde müsste Ressourcenextraktion und -aufbereitung beherrschen. Das wäre im Prinzip ein riesiger Fabrikkomplex", sagt Kargl. Statt einer Raumsonde in Kleinstadtgröße mit vielen Roboter-Helfern stellen sich andere Wissenschaftler eine Von-Neumann-Sonde eher als eine winzige Nadel voller Nanotechnologie vor.

"Bei der Größe einer Sonde kommt es ganz darauf an, wie sich die Technologie weiterentwickelt", sagt Tlustos. "Heute muss man irrsinnige Gesteinsmengen umwälzen, um wenige Gramm Kobalt oder Lithium zu gewinnen. In ein paar Jahrhunderten geht das vielleicht viel leichter." Atome und Moleküle ließen sich dann vielleicht in Geräten kombinieren, die wie "Replikatoren" aus Star Trek arbeiten. Wichtig sei laut Tlustos auch die Frage, welche Zeitspannen man annehme. Sonden könnten wenige Jahre, aber auch Jahrtausende benötigen, um aus lokal verfügbaren Materialien eine Basis und Kopien von sich selbst zu formen.

Asteroiden eignen sich für Basis am besten

Der geeignetste Ort für eine Basis wäre laut Kargl ein großer Asteroid. Darauf könne man leicht landen und wieder starten. "Es kann auch sein, dass man wegen unterschiedlicher Materialien mehr als einen Asteroiden anfliegen muss, aber ein paar Jahrzehnte lang pendeln ist bei diesen Zeiträumen auch schon wurscht."

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KI müsste wie ein Mensch denken

Weil die Kommunikation mit der Erde über die Distanz von Lichtjahren schwierig ist, wäre eine Von-Neumann-Sonde bei ihrer Tätigkeit völlig auf sich gestellt. Deshalb müsste sie selbstständig Daten sammeln, analysieren und eigene Entscheidungen treffen. "Die kognitiven Fähigkeiten müssten auf menschlichem Niveau sein. ChatGPT könnte nicht auf anderen Himmelskörpern landen", sagt Tlustos. "Es braucht ganz fortschrittliche Modelle von Künstlicher Intelligenz", ist auch Kargl überzeugt.

In der Science-Fiction finden sich viele Beispiele, wie eine solche KI aussehen könnte. Autor Dennis E. Taylor schildert in "Ich bin viele" und der gesamten "Bobiverse"-Reihe etwa, wie Von-Neumann-Sonden zu Beginn mit den Persönlichkeiten und Lebenserfahrungen echter Menschen ausgestattet werden. Kopien der KI "Bob" entwickeln im Laufe der Zeit aber eigene Vorlieben und Ansichten. Bei Von-Neumann-Sonden wäre Ähnliches zu erwarten, sagt Tlustos: "KIs müssten sich in verschiedenen Sternsystemen anderen Situationen anpassen und Spezialisierungen entwickeln. Dass eine Weiterentwicklung stattfindet, wäre durchaus möglich." Eine Evolution würde auch viel schneller als bei Menschen ablaufen.

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Ethische Frage des Umgangs mit Leben

Für manche Forscher stellt sich die Frage, ob man bei Von-Neumann-Sonden überhaupt noch von Maschinen, sondern vielmehr von künstlichen Lebewesen, sprechen müsste. Apropos Lebewesen: Eine große Frage dreht sich auch darum, wie Sonden damit umgehen müssten, wenn sie in anderen Sternsystemen auf Lebensformen treffen. "Dürfen wir einen Planeten mit Materialien von der Erde kontaminieren? Diesen ethischen Aspekt müsste man sich überlegen", sagt Tlustos.

Besser nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen

Trifft eine Sonde gar auf eine intelligente Lebensform, eröffnet sich eine noch weitreichendere Problematik: Soll man Kontakt aufnehmen oder sofort das Weite suchen? "Die beste Strategie für eine intelligente Zivilisation ist, sich unbemerkbar zu machen", meint Kargl. "In der menschlichen Geschichte sind technologisch überlegene Gruppen oft auf unterlegene gestoßen, etwa in den heutigen USA oder in Australien. Für die Einheimischen ist das jedes Mal extrem schlecht ausgegangen."

Bei technisch überlegenen Gruppen sei es oft nicht einmal böse Absicht, Unterlegenen zu schaden. "Aber sie müssen auf schädliches Verhalten keine Rücksicht nehmen." Kargls Befürchtung deckt sich mit Konzepten wie der "Dunkler-Wald-Hypothese" aus der Romanreihe "Die drei Sonnen" von Liu Cixin. Wer im Weltraum die Aufmerksamkeit hoch entwickelter Spezies auf sich zieht, wird demnach sofort vernichtet, um sich nicht zur Bedrohung zu entwickeln.

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Warum noch keine Sonden zu uns gekommen sind

Laut Kargl könnte das auch der Grund sein, warum bisher auf der Erde noch keine Von-Neumann-Sonden aus den Tiefen der Galaxie aufgetaucht sind. Die Abwesenheit außerirdischer Botschafter würde dem Fermi-Paradoxon entsprechen, wonach es keinen Hinweis auf außerirdisches Leben gibt, obwohl davon theoretisch viel vorhanden sein müsste. Die Science-Fiction hält aber auch eine andere Erklärung bereit: Das Entstehen der Menschheit könnte bereits die Folge eines außerirdischen Eingriffs gewesen sein. So wie der Monolith aus "2001: Odyssee im Weltraum", der Menschenaffen zu einem Evolutionssprung verhilft.

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Warum man das überhaupt macht

Ein weiteres Problem, das Forscher bei Von-Neumann-Sonden bereits sehen, ist, wie ihre exponentielle Ausbreitung einmal gestoppt werden kann, sobald sie die ganze Galaxie besiedelt haben. Am Ende steht für Kargl die Frage: "Warum macht man das überhaupt? Außer dem Aufstellen von Flaggen mit der Bedeutung 'Wir waren hier' sehe ich keinen unmittelbaren Nutzen." In Dennis E. Taylors Geschichten entwickeln sich die Sonden gleichsam zur fürsorglichen Lebensversicherung der Menschheit. Während die ihren Heimatplaneten zerstört hat, bereiten die "Bobs" den Weg für den großen Exodus vor. Auf anderen Planeten soll es besser laufen, schließlich kann sich auch die Menschheit weiterentwickeln.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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