Künstlerische Darstellung einer Planetenoberfläche mit drei Sternen am Himmel

Auf Trisolaris könnte es so aussehen wie auf dieser künstlerischen Darstellung der Oberfläche des Exoplaneten Gliese 667Cd

© ESO/M. Kornmesser

Science

Nanoklingen und Quanten-Chats: "Die drei Sonnen" am Prüfstand

Mit der Romantrilogie "Die drei Sonnen" hat der chinesische Autor Liu Cixin ein weltweit viel beachtetes Science-Fiction-Epos geschaffen. Aktuell arbeiten die "Game of Thrones"-Drehbuchschreiber David Benioff und D. B. Weiß an einer Serienversion für Netflix.

Wir haben mit Peter Schattschneider, Physikprofessor an der TU Wien und selbst Science-Fiction-Autor, darüber gesprochen, ob einige der Dinge, die in "Die drei Sonnen" vor sich gehen, in Realität vorstellbar sind. "Ein Faktencheck bei Science Fiction ist stets problematisch, aber es ist interessant, daran mit der Frage 'Was wäre wenn...' heranzugehen", meint Schattschneider.

Das Dreikörperproblem

Im ersten Teil der Buchtrilogie geht es darum, dass die Menschheit Kontakt mit intelligenten Außerirdischen, den Trisolariern, aufnimmt. Die sind im sonnennächsten Sternsystem, Alpha Centauri, beheimatet, die Bedingungen dort machen ihnen das Leben allerdings schwer. Ihr Planet taumelt zwischen 3 Sternen herum, die Trisolarier werden deshalb mal gebraten, mal tiefgefroren. Evolutionär bedingt können sie die Extreme überleben, müssen ihre Zivilisation allerdings ständig neu aufbauen.

Autor Liu Cixin orientiert sich hier am Dreikörperproblem der Himmelsmechanik. Dieses alte Mathematikrätsel beschreibt den Umstand, dass man die Umlaufbahnen dreier Körper im Weltraum nicht mit einer Formel beschreiben kann. "Am Dreikörperproblem hat bereits Isaac Newton gearbeitet und angemerkt, dass er davon Kopfweh hat", erzählt Schattschneider. Für Sonderfälle gebe es heute eine funktionale Lösung: "Wenn die 3 Körper die gleiche Masse haben, können sie sich auf einer Bahn in Form einer 8 stabil bewegen." Numerisch berechnen lassen sich Umlaufbahnen dreier Körper heute schon, ihre Bewegung verläuft allerdings höchst chaotisch.

Weil stabile Umlaufbahnen unwahrscheinlich sind, sollten Systeme mit 3 nahen Sternen, wie sie in "Die drei Sonnen" beschrieben werden, nicht lange existieren. Entweder kollidieren Sterne miteinander oder sie werden aus dem System geschubst. In Realität scheint Alpha Centauri jedoch ein relativ stabiles Sternsystem zu sein. Die beiden größeren Sterne Alpha Centauri A und B umkreisen einander, während der Rote Zwerg Proxima Centauri in weiter Entfernung die beiden größeren Sterne umkreist. Während Alpha Centauri A und B einander in 80 Jahren einmal umkreisen, benötigt Proxima Centauri für eine Umrundung eine halbe Million Jahre. Schattschneider: "Dieses System ist also kein gutes Beispiel für ein chaotisches." Exoplaneten um Proxima Centauri wurden bereits entdeckt, um Alpha Centauri A bzw. B könnten ebenfalls Planeten kreisen.

Sonne als Signalverstärker

Die Kontaktaufnahme mit der außerirdischen Zivilisation gelingt in "Die drei Sonnen", weil Protagonistin Ye Wenjie erkennt, dass die Sonne als Verstärker für Funksignale genutzt werden kann. "Mir ist kein Mechanismus bekannt, der so etwas könnte", meint Schattschneider. "Vor allem im Frequenzbereich des elektromagnetischen Spektrums. Die Sonne ist ein thermodynamisches System. Mit einem Input-Signal da eine strukturierte Information rauszukitzeln, ohne zu sagen wie, ist leider ein beliebter Topos in der Science-Fiction."

Um Funksignale von der Erde in der Entfernung von Alpha Centauri wahrzunehmen, benötige es außerdem keiner Verstärkung. "Mit aktuellen Sendeteleskopen könnte man unsere Radiosignale in Entfernungen von 10 bis 20 Lichtjahren auffangen." Auf der Erde wird schon seit langem nach Funksignalen außerirdischer Ziviliationen gelauscht (SETI). Schattschneider: "Es gibt Überlegungen dazu, wie fortschrittlich eine Zivilisation nach der Kardaschow-Skala sein müsste, um ihre Aktivität von der Erde aus feststellen zu können."

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Radioteleskope werden auch dafür eingesetzt, um Signale von intelligenten außerirdischen Lebensformen zu entdecken

11 Dimensionen

Mit den "Sophonen" kreieren die Trisolarier in "Die drei Sonnen" ein geniales interstellares Überwachungs- und Kommunikationsmedium. Sie schaffen es, 11-dimensionale Objekte mit Schaltkreisen auszustatten und auf Protonengröße zu schrumpfen. Dank der Quantenverschränkung können sie Informationen übermitteln und ermöglichen es sogar, Echtzeitkonversationen über 4,34 Lichtjahre zu führen.

"Die 11 Dimensionen kommen aus der Stringtheorie", erklärt Schattschneider. Die Zahl 11 stammt aus der so genannten M-Theorie, der innerhalb der Stringtheorie besonders großes Potenzial zugestanden wird, um alle der Menschheit bekannten Vorgänge im Universum vollständig zu erklären. Abgesehen von den 3 uns geläufigen Raumdimensionen könnten weitere Dimensionen "aufgerollt" sein, was Autor Liu Cixin in Auf- und Entfalten übersetzt.

"Man sollte sich die 11 Dimensionen aber nicht wie Raumdimensionen vorstellen", meint Schattschneider. "Man könnte z.B. als 4. Dimension Druck dazunehmen und so an jedem Punkt im Raum eine vierte Koordinate hinzufügen. Das erzeugt aber noch keinen vierdimensionalen Ortsraum." Der Gedanke, mehrere Dimensionen auf eine geringere Anzahl zu komprimieren, sei "eine mathematische Fingerübung".

Echtzeitkommunikation über Lichtjahre hinweg

"Dass es eine unmittelbare Fernwirkung von verschränkten Quanten gibt, ist anerkannt", sagt Schattschneider. "Wenn ich etwa an einem Teil eines verschränkten Photonenpaars etwas mache, reagiert der andere sofort. Das Problem ist, dass hier die Quantenstatistik zuschlägt. Eine gesendete Botschaft wird quantenstatistisch so zerrauscht, dass sie keine Information mehr enthält."

Eine Botschaft in Überlichtgeschwindigkeit zu Senden sei dadurch nicht möglich. Was Einstein aufgezeigt habe, dass nichts schneller als das Licht sei, gelte damit weiterhin.

Ultrafeste, unsichtbare Nanomaterialien

In "Die Drei Sonnen" kommen besonders feste Nanodrähte vor, die so dünn sind, dass man sie nicht sieht. Ihre Schneidefähigkeit macht sie zu "fliegenden Klingen", außerdem ermöglichen sie Weltraumlifte. "Das ist keine neue Idee, das kam etwa bereits bei Science-Fiction-Autoren wie Larry Niven in den 70er-Jahren vor", meint Schattschneider. "Also Drähte, die man nicht sieht, weil sie aus einer einmolekularen Linie bestehen und selbst durch härteste Materialien schneiden wie durch Butter."

In Realität gäbe es seit einigen Jahren das Material Graphen, das dieser Vorstellung noch am ehesten entspreche. "Graphen ist eine zweidimensionale Kohlenstoffschicht, welche die höchste mechanische Stabilität aller bekannten Materialien aufweist. Man kann daraus auch Röhren bzw. Nanotubes formen. Nanotubes werden intensiv beforscht, weil sie interessante optische, elektronische und thermische Eigenschaften haben. Damit wie durch Butter zu schneiden, überlassen wir vorläufig der Science-Fiction."

Zur Idee eines Weltraumlifts meint der Physiker: "Die Idee ist auch schon alt, kommt zum Beispiel vor in 'Fahrstuhl zu den Sternen' von Arthur C. Clarke. Grundsätzlich kann man das machen, die Physik sprich nicht dagegen. Aber die Technologie ist nicht vorhanden und es gibt eine Menge ungelöster Probleme, etwa mit der Atmosphäre, Blitzen, Aufladungen."

Unzerstörbare Objekte durch starke Wechselwirkung

Die Menschheit hat in der Romantrilogie von Liu Cixin mit Objekten zu kämpfen, die spiegelglatt sind und dank starker Wechselwirkung unvergleichbar hart. Auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt, durchschlagen die Objekte jegliches Material mühelos. Wie Schattschneider erklärt, kann man mit dieser Vorstellung als Physiker nicht viel anfangen. "Die starke Wechselwirkung ist jene der 4 Grundkräfte, die die Bestandteile von Atomkernen zusammenhält. Die normale Wechselwirkung zwischen Objekten, die wir tagtäglich sehen, ist aber elektromagnetisch." Auf mikroskopischer Ebene sind es die Elektronen von Atomen, die einander abstoßen und dafür sorgen, dass Gegenstände beim Aufeinanderprallen nicht ineinander eindringen.

Für Physiker sei es schwierig, Objekte wie jenes von Liu Cixin beschriebene einzuordnen, weil wichtige Angaben dazu fehlen. Man könne also nicht überprüfen, ob die Beschreibung richtig oder falsch ist, sondern lediglich, wie so oft in der Science Fiction: "Es ist nicht einmal falsch (Copyright Wolfgang Pauli)."

Lebewesen, die sich selbst dehydrieren können

Die Trisolarier in "Die drei Sonnen" haben - wie schon erwähnt - die Fähigkeit, sich bei lebensfeindlichen Umständen selbst zu dehydrieren und ihre Körperfunktionen solcherart für lange Zeit einzustellen. Bei Bedarf können sie aber von der Außenwelt wieder rehydriert werden und ihr Leben fortsetzen. Hier orientiert sich der Romanautor offensichtlich an extremophilen Organismen.

"Solche Extremophile gibt es in der Natur. Etwa Bakterien, die 1.000 Mal so viel radioaktive Strahlung ertragen wie der Mensch, oder Bakterien, die im Weltall überleben, wie Versuche auf der ISS gezeigt haben." Die Idee, einen Körper auszutrocknen stammt möglicherweise von den Bärtierchen (Tardigrada). Sie können sich bei Bedarf dehydrieren und werden dann zu "Tönnchen". Sie treten damit in eine so genannte "Kryptobiose" ein. Auch andere winzige Organismen beherrschen diese Kunst. Manche wurden bereits nach mehreren 10.000 Jahren in diesem Zustand wiederbelebt.

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Mobilität, Klimawandel, Energie, Raumfahrt und Astronomie. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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