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Wie Zeitreisen physikalisch möglich sind

Ist es theoretisch möglich, in die Vergangenheit oder Zukunft zu reisen? Und was würde das für die Gegenwart bedeuten, wenn wir unsere vergangene oder zukünftige Zeitlinie verändern könnten? Diese und ähnliche Fragen faszinieren die Menschheit nicht erst seit „Star Trek“, „Zurück in die Zukunft“ oder der deutschen Netflix-Serie „Dark“. Die meisten der Theorien und Gedankenexperimente sind wissenschaftlichen Ursprungs und gehen bis zur Relativitätstheorie Albert Einsteins vor mehr als einem Jahrhundert zurück.

Zeitreise am Rand des Schwarzen Lochs

Einer, der das Thema gerne aufgreift, ist der US-Physiker Brian Greene. In einer Online-Vorlesung zeigte er erst kürzlich wieder Wege auf, wie man in die Zukunft reisen könnte, ohne physikalische Gesetze zu verletzen. „Der Rand eines Schwarzen Lochs ist die ultimative Zeitmaschine. Hält man sich dort auf, sorgt die enorme Masse des Schwarzen Lochs dafür, dass nicht nur der Raum, sondern auch die Zeit gekrümmt wird“, sagte Greene.

Da die Zeit für ein Objekt in der Nähe dieser enormen Masse deutlich langsamer abläuft als auf der Erde, könnte man dies theoretisch für eine Zeitreise nutzen. „Für mich am Rande des Schwarzen Lochs ist auf meiner Uhr nur eine Stunde vergangen. Kehre ich auf die Erde zurück, sind dort aber Jahre, Jahrzehnte oder vielleicht sogar Jahrhunderte vergangen. Ich komme folglich in der Zukunft an“, lautet seine verblüffende Erklärung.

Derartige Gedankenexperimente basieren auf dem Konzept der „Raumzeit“, das Einstein im Zuge seiner Relativitätstheorie entwickelt hat. Vereinfacht gesagt wird dabei das Universum nicht nur als dreidimensionaler Raum beschrieben, sondern mit der Zeitachse als vierter Dimension verknüpft.

Masse krümmt Raumzeit

Die Zeit wird so von einem allgemeingültigen zu einem relativen Faktor, der untrennbar mit dem Raum verbunden ist und mit diesem in Wechselwirkung steht. „Man kann sich die Krümmung der Raumzeit so vorstellen: Um auf einem Tuch von Punkt A nach Punkt B zu kommen, dauert es eine bestimmte Zeit. Wird nun eine Masse auf das Tuch gelegt, wölbt sich das Tuch. Dadurch verlängert sich der Weg, das Objekt braucht in diesem Szenario also mehr Zeit, um von A nach B zu gelangen“, erklärt Quantenforscher Ämin Baumeler von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der futurezone.

Quantenforscher Ämin Baumeler lotet die Möglichkeit von Zeitreisen aus

Ist unsere Vorstellung von Zeit eine Illusion?

Auch wenn die Zeit subjektiv mal schneller, mal langsamer empfunden wird, geben unsere Uhren den klaren Sekundentakt vor. Auch dass die Zeit eindeutig in eine Richtung läuft und sich daraus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ableiten lässt, scheint eigentlich unbestritten. Doch ausgerechnet die Physik tut sich mit dem Konzept schwerer, als man meinen könnte.

Seit der Relativitätstheorie ist klar, dass die Zeit nicht überall auf der Welt gleich schnell tickt und von ihrer Umgebung abhängt. Aber auch die von uns als natürlich empfundene Zeitrichtung könnte eine Illusion sein. „Tatsächlich scheren sich alle physikalischen Gesetze nicht um die Zeitrichtung. Ob eine Entwicklung vorwärts oder rückwärts läuft, ist Atomen völlig egal“, erklärt der Wiener Zeitforscher Marcus Huber im Interview mit der futurezone.

Hang zum Chaos

Um zu erklären, warum sich das Universum und somit auch unser Leben auf einer Zeitachse eindeutig in eine Richtung entwickle, müsse man das Konzept der Entropie bemühen. Diese beschreibt das Maß an Unordnung und Komplexität, das mit fortschreitender Zeit ausschließlich zuzunehmen scheint.

„Dabei spielt es keine Rolle, ob wir vom Universum reden, das sich von seinem niedrigen entropischen Zustand beim Urknall in ein immer komplexeres Gebilde ausbreitet, oder ob wir einfache Rohstoffe zu komplexen Produkten verarbeiten. Das, was weniger Entropie besitzt, nehmen wir als Vergangenheit wahr. Die Zeitrichtung wird dadurch definiert“, sagt Huber.

Probleme in der Praxis

Damit Zeitreisen überhaupt möglich wären, bräuchte es folglich auch eine fundamental neue physikalische Einsicht in die Natur der Zeit, ist der Physiker überzeugt: „Um in die Vergangenheit zu reisen, könnte man natürlich auch eine entropische Zeitmaschine erfinden, die den Zustand jedes Elektrons, Neutrons und Protons so zurückdreht, wie er zu dem gewünschten Zeitpunkt war.“

Das sei auch örtlich begrenzt vorstellbar, sagt Huber, der als Analogie dafür die Rekonstruktion einer Festplatte bemüht. Da die Welt aber eben keine Festplatte sei, gestalte sich das in der Praxis allerdings schwierig bis unrealisierbar: „Genau das ist das Problem mit allen bisherigen Vorschlägen zu Zeitreisen. Physikalisch gesehen ist zwar möglich, keinen logischen Widerspruch zu erzeugen, der so eine entropische Zeitmaschine ausschließt. Gleichzeitig gibt es aber keinen plausiblen Mechanismus, der das umsetzen könnte.

Noch.

Eine weitere Möglichkeit, um theoretisch eine Zeitreise anzutreten, ist in Bewegung zu sein. Wird eine Uhr in einem Raumschiff mitgeführt, das mit extrem hoher oder sogar Lichtgeschwindigkeit unterwegs ist, schlägt diese im Vergleich zu einer ruhenden Uhr auf der Erde viel langsamer. „Das Lichtteilchen, das zur Zeitmessung zwischen den zwei verbauten Spiegeln hin- und hergeschickt wird, muss durch die Bewegung einen viel längeren Weg zurücklegen. Dieser Effekt ist sogar mit Atomuhren messbar, wenn sie in einem Flugzeug mitgeführt werden – nur dort ist er verschwindend gering“, sagt Baumeler.

Reise in die Vergangenheit bleibt strittig

Dass Zeitreisen in die Zukunft über die Nutzung solcher Effekte definitiv möglich sind, müsse man aus physikalischer Sicht folglich eindeutig mit ja beantworten. Bei Reisen in die Vergangenheit ist der wissenschaftliche Konsens hingegen weniger stark. Über extreme Raumzeit-Krümmungen oder auch Wurmlöcher, die zwar noch nicht bewiesen sind, aber auf Basis von Einsteins Relativitätstheorie denkbar sind, könnte aber auch dies möglich sein. Denn Wurmlöcher erlauben theoretisch Abkürzungen zwischen zwei Raumzeitpunkten.

Forscher Marcus Huber ergründet, was Zeit eigentlich bedeutet

Sind die physikalischen Rahmenbedingungen einmal geklärt, ergeben sich jedoch neue Probleme. Seit den 1990er-Jahren wird etwa das sogenannte Großvaterparadoxon diskutiert. Denn was passiert, wenn ich in die Vergangenheit reise, meinen Großvater töte und so in weiterer Folge die Existenz meines Selbst auslösche? Viele Forscher werten dieses Paradoxon als Beweis, dass eine Zeitreise in die Vergangenheit eben nicht möglich ist.

Andere argumentieren, dass man zwar mit der Absicht dorthin reisen könne, aber immer daran scheitern müsse, weil die Zeitreise ja bereits Teil der eigenen Vergangenheit ist. So könnte man etwa auch nach der Auslöschung des Großvaters auf die Welt kommen, weil es sich bei der Person am Ende gar nicht um den echten Großvater handelte. Als Problem gilt dabei aber, dass damit der freie Wille, eine beliebige Beeinflussung herbeiführen zu können, auf der Strecke bleibt.

Kein Beweis gegen Zeitreise gefunden

„Auch wenn ich persönlich nicht an Zeitreisen glaube, haben wir in unseren Experimenten bisher keinen Beweis gefunden, dass diese unmöglich sind. Im Gegenteil hat unsere Forschung sogar gezeigt, dass viele der scheinbaren Paradoxien in keinem Widerspruch mit den Gesetzen der klassischen Physik stehen, man dafür also nicht einmal die Quantenphysik bemühen muss“, erklärt Baumeler.

Schwarzes Loch als Zeitmaschine

„Damit eine Veränderung in der Vergangenheit trotz freiem Willen nicht zu einem unlösbaren Widerspruch führt, genügen bereits drei beteiligte Entitäten. Das konnten wir mathematisch nachweisen“, sagt der Forscher.

Auslotung physikalischer Theorien

So lange wir nicht in Lichtgeschwindigkeit zu Schwarzen Löchern und Wurmlöchern reisen können, bleiben viele dieser Gedankenexperimente philosophischer Natur. Das sieht auch der Wiener Quantenphysiker Marcus Huber so, weist aber auf den wissenschaftlichen Nutzen hin: „Gerade in der Physik braucht es so extreme Gedankenexperimente mit all ihren absurden Konsequenzen, um die Grenzen bestehender Theorien ausloten, diese besser verstehen und so auch Unbekanntes ergründen zu können.“

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Martin Jan Stepanek

martinjan

Technologieverliebt. Wissenschaftsverliebt. Alte-Musik-Sänger im Vienna Vocal Consort. Mag gute Serien. Und Wien.

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