Wie ein Linzer Start-up Lärm fotografiert
Ob Autos, Straßenbahnen oder Maschinen: Produkte und Prozesse erzeugen Lärm. Dieser muss sich nicht nur innerhalb gesetzlicher Vorgaben bewegen, sondern auch von den betroffenen Menschen als akzeptabel empfunden werden. Wird im Zuge der Entwicklung der Produkte und Prozesse ein gewisses Level überschritten bzw. der Lärm als unangenehm wahrgenommen, müssen Hersteller der Quelle auf den Grund gehen und den Lärm an den richtigen Stellen eindämmen. Dabei helfen akustische Kameras. Ähnlich wie eine Wärmebildkamera, die Temperaturunterschiede ausmacht und visualisiert, nehmen sie Schall auf und erzeugen ein akustisches Bild. "Wenn es mit dem optischen Bild überlagert wird, sieht man woher der Schall kommt", sagt Thomas Rittenschober.
Der Linzer Mechatroniker hat mit seinem Start-up Seven Bel eine solche Kamera entwickelt, die anders als bestehende Lösungen leicht zu bedienen sein soll. "Bisherige Produkte haben den Touch von laborähnlichen Instrumenten", sagt Rittenschober: "Ich wollte ein Produkt entwickeln, das mobil einsetzbar und erschwinglich ist und nicht nur von Experten bedient werden kann."
"Schnelle Analyse"
Das System nutzt einen Sensor, mehrere Mikrofone und Smartphone samt App. Die auf einem drehbaren Stab verteilten Mikrofone tasten eine Kreisfläche ab und nehmen den Schall auf. Die aufgenommenen Signale werden in die Cloud geschickt, wo das akustische Bild berechnet und mit dem mit der Handykamera aufgenommenen optischen Bild überlagert wird. "Es geht um die schnelle und zielsichere Analyse von Lärmbelastungen", erläutert Rittenschober. "Es ist ein unterstützendes Messinstrument, um möglichst schnell Probleme zu verstehen und Problemlösungen angehen zu können."
Rittenschober, der das System Anfang des Jahres zum Patent anmeldete, hat einen seriennahen Prototyp entwickelt, der derzeit bei zahlreichen österreichischen Industrieunternehmen getestet wird. "Wir wollen Feedback einholen und auch herausfinden, welche Features noch gewünscht werden." Die Produktentwicklung werde noch bis Ende des Jahres dauern. Produktionsstart ist laut dem Gründer im nächsten Jahr geplant.
Vielfältige Anwendungen
Anwendungen für akustische Kameras sind vielfältig. Neben Automobilindustrie, Transportwesen oder Maschinenbau kommen die Systeme auch im Baubereich zum Einsatz, um etwa akustische Schwachstellen in der Architektur ausfindig zu machen. Auch in der Wartung würden sie eingesetzt, erzählt Rittenschober, beispielsweise um Veränderungen des Lärmabstrahlverhaltens im Laufe der Zeit festzustellen.
Mit seinem System will Rittenschober auch bei kleineren Unternehmen punkten, die zwar Bedarf an solchen Lösungen haben, aber vor den hohen Anschaffungskosten der Geräte, die jenseits von 40.000 Euro betragen können, zurückschrecken. "Unser System wird im Vergleich zu vorhandenen Lösungen, im Bereich industriell relevanter Anwendungen, bei vergleichbarer Qualität signifikant günstiger sein", sagt Rittenschober.
Finanziert wird Seven Bel aus Eigenmitteln und mit Fördermitteln, unter anderem von der Förderbank austria wirtschaftsservice (aws), der Forschungsförderungsgesellschaft FFG und des oberösterreichischen Technologie Inkubators tech2b.
Geld verdienen will das Start-up mit dem Verkauf der Sensoren und Lizenzen für die Software. Auch Serviceleistungen und Support bei komplexen Messungen sollen Einnahmen bringen.
Marktstart im kommenden Jahr
Sein akustisches Kamerasystem will das Start-up im kommenden Jahr im Direktvertrieb auf den Markt bringen, zunächst im deutschsprachigen Raum. Ab 2021 soll es europaweit erhältlich sein. Innerhalb der nächsten fünf Jahre will Rittenschober es über Distributoren auch global verfügbar machen. "Lärm gibt es überall", sagt der Gründer.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen futurezone und aws (austria wirtschaftsservice).