Warum Russland jetzt Wasserbombenwerfer auf seine Panzer montiert
Im Angriffskrieg gegen die Ukraine wurden schon einige seltsame Kriegsgeräte auf russischer Seite gesichtet. Dazu gehören antike Panzer, fahrende Drohnen mit Granatwerfern und Schildkrötenpanzer.
Eine weitere bizarr anmutende Kreation wurde jetzt von einer ukrainischen FPV-Drohne zerstört. Zu sehen ist das in folgendem Video bei 45 Sekunden:
Auf den ersten Blick scheint es ein Kettenfahrzeug mit einer Art altertümlichen Granatwerfer zu sein. Das Fahrgestell ist, soweit erkennbar, ein MT-LB.
Der Truppentransporter ist üblicherweise nur mit einem Maschinengewehr bewaffnet. In diesem Fall hat er einen Aufbau bekommen – und das darauf ist ein RBU-6000 Smerch-2.
Der hat an Land eigentlich nichts zu suchen. Es ist ein Wasserbombenwerfer, der Anfang der 60er-Jahre bei der sowjetischen Marine in Dienst gestellt wurde. Das System besteht aus 12 Röhren im Kaliber 213mm, die je eine Wasserbombe des Typs RGB-60 enthalten.
Die RGB-60 wird mittels eines Raketenmotors gestartet und ist ungelenkt. Die ballistische Reichweite beträgt, von einem Schiff gestartet, bis zu 5,5 Kilometer. Die Explosionstiefe im Wasser kann auf 10 bis 500 Meter eingestellt werden.
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Am Panzer muss Smerch-2 händisch nachgeladen werden
Die RGB-60 werden einzeln oder in Salven zu 2, 4, 8 oder allen 12 Stück verschossen. Die Idee der Salven ist, ein größeres Gebiet und mehrere Tiefen abzudecken, um das feindliche U-Boot zu treffen. Auf Schiffen hat der RBU-6000 Smerch-2 üblicherweise ein automatisches Nachladesystem.
Das gibt es bei der improvisierten Landversion nicht. Möglicherweise hat der MT-LB im Frachtraum, in dem normalerweise Soldaten transportiert werden, ein paar RGB-60 gelagert, die händisch nachgeladen werden können.
Smerch-2 auf Lkw und Panzern
Der RBU-6000 Smerch-2 kann auf Schiffen genutzt werden, um Ziele an der Küste zu bombardieren. Vermutlich war das die Inspiration für Russland, den Wasserbombenwerfer auf Landfahrzeuge zu montieren.
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Zum ersten Mal wurde so eine Konstruktion im September 2023 gesichtet. Die Sichtungen und Videos häuften sich im Jänner 2024.
Neben MT-LB mit dem Wasserbombenwerfer, tauchten auch Ural-Lkw mit Smerch-2 am Schlachtfeld auf.
Ebenfalls im Jänner 2024 war eine besonders wild aussehende Konstruktion zu sehen. Der Smerch-2 wurde auf Wannen von T-80-Kampfpanzern montiert – statt dem Turm. Die bizarre Szenerie wirkt wie aus einem postapokalyptischen Film.
Es ist anzunehmen, dass für den Umbau keine voll funktionsfähigen T-80 hergenommen wurden. Bei den Wannen handelt es sich womöglich um Ersatzteile oder „Restlverwertung“, weil der Turm mit dem eigentlichen Geschütz irreparabel beschädigt wurde.
Smerch-2 ist weniger effektiv an Land
Die Effektivität des Smerch-2 an Land ist weit geringer als im Wasser. Die RGB-60 ist nicht, wie übliche ungelenkte Raketen, auf eine Splitterwirkung ausgelegt, sondern um eine Schockwelle im Wasser zu erzeugen.
Militäranalysten vergleichen die Durchschlagskraft der RGB-60 an Land deshalb mit der der 9M22U. Das ist die alte Standardrakete der russischen Raketenartillerie BM-21 Grad. Sie wiegt lediglich 66,6 kg, verglichen mit den 113,6 kg der RGB-60.
Dass Russland mit Smerch-2 ein eigentlich schlechteres System nutzt (größer und schwerer als BM-21), dürfte auf die Nachschubprobleme zurückzuführen sein. Russland kann seine zerstörte Raketenartillerie nicht schnell genug nachproduzieren.
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Smerch-2 wird durch Nachfolger abgelöst
Die Smerch-2-Werfer gehen der Marine jedenfalls nicht ab. Sie sind weit verbreitet und können ua. von ausgemusterten Schiffen weitergenutzt werden.
Seit 1991 wird das System auf das Modell RPK-8 aufgerüstet. Das nutzt zwar immer noch den RBU-6000-Werfer als Basis, mit der 90R und 90R1 aber neue Raketen. Diese setzt im Wasser eine gelenkte Ladung frei, die gegen U-Boote, Taucher und Torpedos genutzt werden kann.
Somit können die Smerch-2 und RGB-60 als „billiger“ Ersatz für das BM-21 genutzt werden. Die RGB-60 liegen ohnehin ungenutzt in den Lagern, nachdem sie nicht mehr mit RPK-8 verschossen werden, und müssen somit nicht erst produziert werden.
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