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Militärtechnik

Neue Artillerie der US Army schießt mit Railgun-Projektil

Die US Army arbeitet derzeit an einem neuen Luftabwehrsystem auf Basis einer 155-mm-Haubitze. Das Projekt läuft unter dem Namen Multi-Domain Artillery-Cannon (MDAC).

Als Munition sollen Hochgeschwindigkeitsprojektile verwendet werden, die eigentlich für die gescheiterte elektromagnetische Railgun der US Navy entwickelt wurden. Sie könnten mit Geschwindigkeiten von über 3.000 Meter pro Sekunde fliegen. 

Prototyp bis 2028

Das Rapid Capabilities and Critical Technologies Office (RCCTO) der Armee hat nun die Beschaffung von MDAC angestoßen. Davon berichtet The War Zone

Der erste Prototyp soll bis spätestens 2027 geliefert werden, Tests sollen dann 2028 folgen. Die 155mm-Haubitze soll auf einem Lkw montiert sein. Das heißt, sie muss nicht per Anhänger von anderen Fahrzeugen gezogen werden.

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Anforderungen an MDAC

Weitere Anforderungen sind, dass MDAC als Batterie arbeiten kann, also im Verbund mit weiteren MDACs, anderen Flugabwehrmaßnahmen und Feuerleitstellen. MDAC soll hochgradig automatisiert sein und ferngesteuert bedient werden können.

Das heißt sie sollte zumindest halb-autonom agieren. Wenn das Radar einen anfliegenden Marschflugkörper erkennt und der Befehl der Feuerleitstelle zum Abfangen kommt, richtet sich MDAC von selbst auf das Ziel aus und feuert. Denkbar ist, dass ein vollautonomer Betrieb angedacht ist, bei dem eine Batterie aus MDACs ohne menschliches Zutun Bedrohungen erkennt und abfängt - ähnlich wie das israelische Iron-Dome-System, das mit Boden-Luft-Raketen arbeitet.

Ebenfalls gefordert ist eine große Magazinkapazität, ein schnelles manuelles oder automatisiertes Nachladen des Magazins und eine hohe Schussrate mit HPV. HVP steht hier für „Hypervelocity Projectile“.

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Kinetisches Projektil für Railgun entwickelt

Das für den Einsatz in der Railgun entwickelte HVP war ein kinetisches Projektil, das Ziele durch bloße Aufprallkraft zerstören sollte. Die Höchstgeschwindigkeit sollte dabei bei rund 9.000 km/h liegen. Es waren auch Versionen angedacht, die über Sprengköpfe verfügen.

Was ist eine Railgun?

Die Railgun funktioniert ähnlich wie ein Katapult. Ein Schlitten läuft zwischen 2 Schienen – daher auch der Name Railgun (rail = Schiene). Eine Schiene ist positiv, die andere negativ geladen. Durch den stromleitenden Schlitten wird der Kreislauf zwischen den beiden Schienen geschlossen.

Dadurch entsteht ein Magnetfeld. Dies erzeugt Lorentzkraft, bei der ein Magnetfeld Kraft auf bewegte Ladungen ausübt. Der Schlitten wird dadurch beschleunigt, entgegen der Richtung der Energiequelle, also hin zur Mündung der Railgun. Das Projektil auf dem Schlitten wird dadurch mit extrem hoher Geschwindigkeit weggeschossen.

Vorteile von Railguns:

  • Mehr als die 10-fache Reichweite eines normalen Geschützes
  • Gelenktes Railgun-Projektil kostet weniger als 20 Prozent einer Rakete
  • Platz- und Gewichtsersparnis bei der Munition: Treibladungen für Granaten/Geschosse sind nicht mehr notwendig

Nachteile von Railguns:

  • Hohe Hitze beim Schießen beschädigt Schienen und andere Bauteile und reduziert so die Haltbarkeit
  • Leistungsstarke Railguns sind noch zu groß, um sie mobil einsetzen zu können

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Die Idee bei der Entwicklung von HPV war, dass ein Universalgeschoss wird. Es sollte nicht nur in Railguns, sondern auch in regulären Kanonen und Geschützen zum Einsatz kommen. 

Entsprechende Tests fanden in den vergangenen Jahren statt. Der Navy zufolge würden HPVs eine maximale Reichweite von 17 bis 40 Seemeilen (31 bis 74 Kilometer) haben, wenn sie von einer geschleppten 155-mm-Haubitze M777 bzw. einem 5-Zoll-Geschütz Mk 45 abgefeuert werden. 

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Günstiger als Raketen

Im Unterschied zu den Railguns sollen die gelenkten Hyperschall-Projektile bei MDAC nicht mittels Elektromagnetismus “herauskatapultiert” werden, sondern konventionell mittels Treibladung verschossen werden. Durch ihre hohe Geschwindigkeit wären sie in der Lage, so gut wie alle ankommenden Gefahren abzuschießen, ohne selbst abgefangen zu werden.

Für die Flugabwehr soll das in erster Linie deutlich günstiger sein als klassische Luft-Boden-Raketen. Zwar ist unklar, wie viel die Projektile genau kosten werden, frühere Angaben lagen jedoch bei rund 100.000 Dollar. Zum Vergleich: Moderne US-Raketen zur Abwehr von Luftzielen kosten zwischen 400.000 Dollar und mehreren Millionen Dollar.

Rear Admiral Matthew Klunder zeigt das HVP einem Journalisten bei einem Pressetermin, der 2014 stattgefunden hat

Rear Admiral Matthew Klunder zeigt das HVP einem Journalisten bei einem Pressetermin, der 2014 stattgefunden hat

MDAC könnte von BAE Systems gebaut werden

In den aktuellen Dokumenten wird kein spezifisches HVP erwähnt. Das HVP für das Railgun-Projekt der Navy wurde damals von BAE Systems entwickelt.

Es ist sehr wahrscheinlich, dass BAE sich für das MDAC-Projekt bewerben wird - nicht nur mit seinem HVP, sondern auch dem 155mm-Artilleriesystem. Als Basis für dieses könnte Archer dienen.

Das 155mm-Artilleriesystem wird seit 2010 hergestellt. Es hat eine hohe Magazinkapazität, einen Autolader für eine schnelle Schussfolge und kann sowohl einzeln als auch als Batterie autonom agieren, sobald die Zielkoordinaten eingegeben sind. Es ist also erprobt und erfüllt bereits einige der Voraussetzungen, die die US Army an MDAC stellt.

Railgun-Entwicklung eingestellt

Die Entwicklung von Railguns wurde in den USA im Jahr 2021 nach 10 Jahren Forschung aufgegeben. Laut der Navy würden dadurch Ressourcen für andere Projekte frei werden.

Dazu gehören Hyperschallraketen, Laserwaffen und elektronische Kriegsführung. Die Navy hatte bereits über 500 Millionen US-Dollar in die Entwicklung von Railguns gesteckt.

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