Filmstudio spendet antike Panzer für russische Armee
"Vergangenes Jahr haben wir 28 T-55 Panzer, 8 PT-76 Panzer, 6 Schützenpanzer und 8 Lastwagen, an die Streitkräfte übergeben", berichtet der Direktor des russischen Filmstudios Mosfilm gegenüber dem russischen Machthaber Wladimir Putin bei einem Treffen im Kreml.
"Ich wusste, dass sie die Gerätschaften brauchen. Also habe ich mich mit dem Verteidigungsministerium in Verbindung gesetzt, und sie haben diese Fahrzeuge übernommen", erklärt Karen Shakhnazarov von Mosfilm.
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Die Panzer und die andere Ausrüstung, die das Filmstudio an die russische Armee gespendet hat, zählen nicht zum modernsten Equipment: Sie sind eher als antikes Kriegsgerät einzustufen. Die T-54/55 Panzer wurden erstmals im Jahr 1945 produziert. 1961 standen sie etwa beim Checkpoint Charlie in Berlin US-Panzern gegenüber.
Vom Filmset an die Front
Vom T-54/55 dürften in Russland noch einige herumstehen. Mehr als 100.000 Stück wurden bis 1983 hergestellt.
Vom leichten, amphibischen Panzer PT-76 wurde dagegen lediglich 12.000 Stück produziert - zwischen 1951 und 1969.
Die gespendeten Uralt-Panzer stammen aus den Requisiten des Filmstudios. Sie sind aber längst nicht die einzigen antiken Panzer, die die russischen Streitkräfte an der Front einsetzen.
Zum ersten Mal wurden T-54/55 im März 2023 am Schlachtfeld gesichtet. Damals ging man davon aus, dass Russland kurzfristige Engpässe ausgleichen wollte. Im Juli 2024 wurde erneut eine Zugladung in die Ukraine geschickt. Das dürfte auf anhaltende Probleme beim Panzernachschub hindeuten.
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Tropfen auf den heißen Stein
Die Spende des Filmstudios dürfte lediglich ein symbolischer Akt sein, um die Loyalität zum Machtapparat zu demonstrieren und die Unterstützung der russischen Truppen in der Ukraine zu propagandieren. Außerdem ist die Anzahl der gespendeten Vehikel ein Tropfen auf den heißen Stein.
Russland hat nämlich im Krieg gegen die Ukraine mindestens 3.549 Panzer verloren. 2.484 wurden zerstört, 158 beschädigt, 374 verlassen und 533 von der Ukraine gekapert. Die Dunkelziffer könnte deutlich höher sein. Die Zahlen stammen nämlich von der niederländischen Oryx-Organisation, die in ihre Listen nur Kriegsgerät aufnimmt, von dem es einen Bildbeweis gibt.
Inwieweit die gespendeten Panzer überhaupt einsatzfähig sind, ist unklar. Auch wenn sie nicht direkt an der Front kämpfen, könnten sie im Hintergrund hilfreich sein - etwa als Ersatzteillager, als gepanzertes Transportmittel oder als ferngesteuertes Fahrzeug in umkämpften Regionen.
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Leichte Beute wegen schwacher Panzerung
Aus heutiger Sicht sind die T-54/55 in allen Belangen veraltet. Die Panzerung ist so dünn, dass sie an einigen Stellen selbst von der 25mm-Maschinenkanone des Schützenpanzer M2 Bradley durchschlagen werden kann, den die Ukraine von den USA geliefert bekommen hat.
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Sogar etwas ältere Panzerabwehrwaffen aus den 60er-Jahren knacken den T-54/55 ohne Probleme. Um den Schutz zu erhöhen, wurde von russischen Soldaten an einigen T-54/55 provisorisch Reaktivpanzerung angebracht.
Auch die Ukraine hat T-54/55 und Varianten davon im Einsatz, die mit Reaktivpanzerung aufgerüstet wurden. Von Slowenien wurde etwa 28 Stück M-55S geliefert. Dabei handelt es sich um T-54/55s, die mit einer 105mm-Kanone im Nato-Kaliber modernisiert wurden.
Der Schutz gegen Minen des T-54/55 ist ebenfalls nur gering. Auch für Kamikaze-Drohnen und Drohnen, die Granaten abwerfen, ist der T-54/55 leichte Beute.
Denn gerade das Dach des Turms und die Luken sind besonders dünn gepanzert. Um die Panzer vor Drohnenattacken zu schützen, wurden einige T-54/55 mit Cope Cages gesichtet.
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Was machen die Uralt-Panzer an Front?
Die ersten T-54/55 wurden 2023 in der Ukraine als improvisierte Artillerie eingesetzt, also für indirektes Feuer, ähnlich wie bei einer Haubitze. Denn für den direkten Beschuss anderer Panzer ist die veraltete 100mm-Kanone ohnehin nicht stark genug. Munition dafür ist in den russischen Lagern aber noch reichlich vorhanden, weil das Kaliber kaum noch verwendet wird.
Davon abgesehen kam der T-54/55 meist semi-stationär zum Einsatz. Er wurde zu Verteidigungsstellungen gefahren und dort durch zusätzliche Sandsäcke oder Erdhaufen geschützt. In dieser Rolle sollte er bei der Abwehr von Angriffen durch Infanterie und leicht gepanzerte Fahrzeuge helfen.
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Taktik mit antiken Panzern
Auch wenn Frontalangriffe mit dem veralteten Gerät nicht allzu schlagkräftig sind, tauchen T-54/55-Panzer seit dem Frühjahr 2024 immer öfter in einer klassischen Angriffsrolle auf. Solche Angriffe scheinen nicht viel Sinn zu machen, es gibt jedoch einen taktischen Hintergrund: Wer verteidigt, greift nicht an.
Die Angriffe mit den T-54/55 auf die ukrainischen Stellungen sollen verhindern, dass dort eine Offensive aufgebaut werden kann. Außerdem versucht Russland mit solchen Angriffen zu erreichen, dass diese Verteidigungsstellungen gestärkt werden. Dazu werden womöglich von anderen Stellungen an der Front Truppen abgezogen, die dann Russland mit modernem Gerät angreift und erobern will.
Ein weiterer Zweck ist, dass die T-54 die Abwehrstärke der Verteidiger prüfen. Durch den Frontalangriff sehen die Beobachter, mit welchen Waffen und welcher Intensität die ukrainischen Truppen feuern und wie schnell sie auf den Angriff reagieren. Mit einer Aufklärungsdrohne kann Russland etwa anhand von Raketenflugbahnen und Mündungsfeuer ausmachen, wo genau sich getarnte ukrainische Verteidigungstruppen befinden und diese dann mit Artillerie oder Gleitbomben beschießen.
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