Europäisches Stromnetz stand kurz vor dem Kollaps
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Am 10. Jänner 2019 ist etwas eingetreten, wovor Experten in ganz Europa schon seit langem warnen: Eine Verkettung von mehreren Störungen und Ereignissen hat dazu geführt, dass die Netzfrequenz im europäischen Verbundsystem auf einen kritischen Wert – 49,8 Hertz – abgesunken ist und das europäische Stromnetz unmittelbar vor einer großflächigen Störung stand. Im schlimmsten Fall würde ein derartiges Ereignis zu einem europaweiten Blackout führen.
„Ein normaler Wert ist 50 Hertz. Bei 49,8 Hertz sprechen wir von einem gestörten Betrieb, bei dem Schutzmechanismen greifen“, erklärt
Klaus Kaschnitz, zuständiger Abteilungsleiter für Versorgungssicherheit bei der Austria Power Grid (APG). Die APG ist in Österreich für die Netzregelung und- Sicherheit zuständig, rund 240 Mitarbeiter kümmern sich ausschließlich darum, dass der Netzbetrieb einwandfrei funktioniert.
KURIER Talk mit Saurugg
Schutzkonzept für jedes Land
Wenn die Netzfrequenz unter 49,8 Hertz sinkt und nicht rasch stabilisiert werden kann, könnte es im schlimmsten Fall schnell gehen und die Stromversorgung in ganz
Europa könnte zusammenbrechen. Doch dazu kam es dieses Mal nicht, weil entsprechende Schutzmaßnahmen gegriffen haben.
„Hier hat jedes Land in Europa einen eigenen Staffelplan mit Schutzmaßnahmen“, erklärt Kaschnitz. „Je schlimmer die Frequenzabweichung ist, desto gravierender werden die Eingriffe. Das Ziel ist, mit diesem Schutzkonzept einen Blackout europaweit zu verhindern.“
Letztes Mal war 2006
Vergangene Woche konnte man die Unterfrequenz laut Kaschnitz binnen „weniger Sekunden“ wieder in den Griff kriegen. „In Österreich waren dazu keine Eingriffe notwendig“, sagt der APG-Experte. Wäre Österreich betroffen gewesen, würde das automatische Lademanagement aktiviert und als erstes würden Pumpen vom Stromnetz abgeworfen werden. Erst in weiterer Folge müsste man auch Verbraucher vom Netz nehmen.
Das war zuletzt etwa vor rund dreizehn Jahren der Fall gewesen. Im November 2006 wurden zehn Millionen Haushalte vom Netz getrennt, um den Kollaps des europäischen Stromnetzes zu verhindern. Auch damals war die Netzfrequenzgrenze von 49,8 Hertz erreicht. „Die Fälle kann man aber nicht direkt miteinander vergleichen, weil damals eine Leitungsüberlastung die Ursache war und Europa in drei Bereiche gespalten wurde. Dieses Mal ist alles vernetzt geblieben“, sagt Kaschnitz.
Mehrere Störungen als Ursache
Die Ursache für die diesjährige Großstörung war laut Kaschnitz „eine Verkettung von mehreren
Störungen“. Untersuchungen dazu würden derzeit noch laufen, doch einiges ist bereits bekannt: „Zum einen hat es einen Datenfehler bei einem ausländischen Netzregler bei der Übernahme einer Grenzleitung gegeben. Zum anderen gab es Schwankungen bei der Ablöse von Kraftwerken. Dann gab es noch eine dritte Ursache, die gerade noch untersucht wird.“
Doch wie kommt es zu „Schwankungen bei der Ablöse von Kraftwerken“? Ein Kraftwerk muss etwa vom Netz genommen werden, weil der Wind nicht mehr bläst oder diese Art von Energie gerade nicht mehr gebraucht wird. Dann muss ein anderes einspringen. Dabei kann es passieren, dass ein Kraftwerk schneller runterfährt, als das andere hochfährt und die volle Leistung liefern kann.
Die Regulierung der Netze erfolgt im Störungsfall teils automatisch, teils wird von Menschen manuell eingegriffen. „Es gibt Regelmechanismen, die innerhalb von Sekunden wirken. Diese finden automatisch statt. Dann gibt es zusätzlich manuelle Steuerungen, doch da liegt die Reaktionszeit im Minutenbereich“, erklärt Kaschnitz.
Netzausbau und Vorsorge
Dieses Mal ist noch alles glattgegangen. Doch wird dies auch so bleiben? „Der aktuelle Fall zeigt uns, wie gut und wichtig es ist, Schutzkonzepte zu haben und diese regelmäßig zu überprüfen“, so Kaschnitz. Mittlerweile müssen allerdings enorme Aufwände betrieben werden, um die hohe Versorgungssicherheit aufrecht zu erhalten, weil die Komplexität der Systeme immer weiter steigt. „Wir müssen auf jeden Fall auch die Netze ausbauen. Und zwar schnell. Nur damit wird das Gesamtsystem wieder leistungsfähiger“, erklärt Kaschnitz.
Bei einem europaweiten Stromausfall würde nicht nur das Licht ausgehen, sondern so gut wie alles, das wir für das tägliche Leben benötigen, ausfallen. Darauf ist
Österreich laut Ansicht des Blackout-Experten Herbert Saurugg, der die aktuellen Ereignisse in einem Blogeintrag zusammengefasst hat, nicht gut genug vorbereitet. „Wir verlassen uns viel zu sehr auf andere und das immer alles funktioniert, aber das ist eine sehr trügerische Sicherheit.“ so Saurugg. „Wenn sich nicht jeder Einzelne von uns darauf vorbereitet, dann werden die Maßnahmen der organisierten Hilfe nicht funktionieren. Denn niemand kann acht Millionen Menschen versorgen.“
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