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© dapd/Roland Magunia

Smart Meter

Kein Recht auf Grundversorgung bei Streit um Stromzähler

Maria F. (Name von der Redaktion geändert) hat vor kurzem Post bekommen von der Regulierungsbehörde E-Control. In dem Schreiben (das der futurezone vorliegt) heißt es, dass ein „Streitschlichtungsverfahren“ eingeleitet worden sei wegen Verweigerung des Zutritts zu Messeinrichtungen. Trotz mehrfacher Aufforderungen sei eine Vereinbarung zum Zählertausch nicht möglich gewesen, heißt es darin. Wenn Maria F. nicht binnen drei Wochen reagiere, werde das Verfahren eingestellt und es passiert Folgendes: „Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Netzbetreiber die Anlage schlussendlich vom Netz nehmen wird“, wie die E-Control in dem Brief an die Kundin schreibt. Mit eben dieser Ankündigung hatte ihr bereits der Netzbetreiber in Linz mündlich gedroht.

Keine smarten Funktionen

Doch was war eigentlich passiert und warum legt sich die Managerin eines oberösterreichischen Unternehmens mit ihrem Netzbetreiber an? Maria F. will nicht, dass ihr Messgerät aus der Ferne ein- und ausgeschaltet werden kann und Daten im 15-Minuten-Intervall gespeichert werden. Sie will keinen neuen, intelligenten Stromzähler und sie will von ihrem „Opt-Out“-Recht, das ihr vom Gesetz her zusteht, Gebrauch machen. Doch die zuständige Stromnetzgesellschaft in Linz, die „Linz Strom Netz GmbH“ (gehört zur Linz AG), macht es Maria F. nicht einfach.

Sie verweigert ihr diese Möglichkeit und will stattdessen den mechanischen Ferraris-Zähler der Kundin, der nach sieben Jahren nachgeeicht werden müsste, austauschen und mit einem elektronischen Zähler ersetzen. Der Zugriff auf den Zähler ist prinzipiell das gute Recht eines jeden Netzbetreibers, denn diese sind Eigentümer der Stromzähler. Aber die Umstellung passiert mit dem Argument, dass der elektronische Zähler über keine smarten Funktionen verfügen soll.

Per Knopfdruck umgestellt

Was den Fall aber heikel macht, ist, dass der elektronische Zähler per Knopfdruck in ein intelligentes Messgerät, einen sogenannten Smart Meter, umgewandelt werden kann. Darüber hatte die futurezone bereits berichtet. Es reichen einige wenige Einstellungen und das Gerät kann Daten im 15-Minuten-Intervall speichern und aus der Ferne aus- und angedreht werden. Dagegen Einspruch erheben kann die Managerin derzeit nicht.

Der Netzbetreiber sieht dies erst dann vor, wenn diese Funktionen tatsächlich zur Verfügung stehen und hat deshalb sogar vor kurzem seine AGB geändert (die Änderung wurde von der E-Control genehmigt). „Es ist uns seitens des Netzbetreibers nicht schlüssig erklärt worden, warum der alte Zähler nicht nachgeeicht werden kann, sondern unbedingt getauscht werden muss“, erzählt Maria F. gegenüber der futurezone.

Einheitliches Zählersystem

Die Netzgesellschaft erklärt das mit „organisatorischen und wirtschaftlichen“ Gründen. „Wir wollen keinen dauerhaften Parallelbetrieb verschiedener Zählersysteme, es wird nur eine einheitliche Zählertype beschafft“, so die Linz Strom Netz GmbH. Für Maria F. ist das eine „technische Umgehung der gesetzlich geschaffenen Opt-Out-Möglichkeit“ für intelligente Stromzähler. Den Zutritt zum Zähler verweigert habe sie der Netzgesellschaft, anders als von dieser behauptet, allerdings nie.

Ihre schriftliche Stellungnahme ist mittlerweile bei der E-Control eingetroffen, die jetzt für eine Lösung sorgen soll. Fraglich ist allerdings, wie "unabhängig" die Streitschlichtungsstelle agiert, wenn dieselbe Behörde auch für die Festlegung der Regeln und AGBs zuständig ist. Im Jahr 2015 haben sich laut Angaben der Regulierungsbehörde rund 2400 Stromkunden mit Beschwerden an die Schlichtungsstelle gewandt, es hatte allerdings kein Fall mit Smart Metern zu tun.

"Kein Recht auf Grundversorgung"

Eine brisante, rechtliche Frage, die auf jeden Fall bleibt, ist: Kann der Kundin wirklich der Strom abgedreht werden und gibt es in so einem Fall kein Recht auf eine Grundversorgung? „Kommt man als Kunde seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nach kann das in letzter Konsequenz dazu führen, dass der Vertrag gekündigt und das Gerät vom Netz genommen wird“, erklärt Wolfgang Urbantschitsch, Leiter der Rechtsabteilung bei der Regulierungsbehörde E-Control. „Und wer den Zutritt zum Stromzähler verweigert verletzt seine vertraglichen Verpflichtungen.“

Anders als bei Kunden, die etwa Zahlungen verabsäumen, gebe es in solch einem Fall kein Recht auf eine Grundversorgung seitens des Netzbetreibers, heißt es dazu. Bei der Linz Strom Netz GmbH hofft man auf eine einvernehmliche Lösung. Der Stromnetz-Betreiber sieht sich allerdings im Recht, was die Vorgehensweise bei der Umstellung auf elektronische Zähler und Smart Meter betrifft und verweist darauf, dass dies „mit der Regulierungsbehörde akkordiert“ sei und „sich alle österreichischen Netzbetreiber“ auf diese Vorgehensweise geeinigt hätten.

"Kunden sind mündige Bürger"

Nicht alle Netzbetreiber wollen diese Sache aber tatsächlich so handhaben und Kunden neue, digitale Stromzähler aufdrängen oder gar damit drohen, den Kunden vom Netz zu nehmen. Ein Anbieter, der ein anderes Konzept in der Schublade liegen hat, ist beispielsweise die niederösterreichische Netz Niederösterreich GmbH (gehört zur EVN).

„Wir sehen unsere Kunden als mündige Bürger, die selbst entscheiden können, ob sie einen neuen Zähler haben wollen und wie gläsern sie sein wollen“, sagt Stefan Zach, Konzernsprecher der EVN auf futurezone-Anfrage. In Niederösterreich soll die Umstellung auf die neuen Zähler Anfang 2017 anlaufen. „Wenn Kunden das wollen, werden sie ihre mechanischen Ferraris-Zähler behalten können und zwar so lange, wie diese funktionieren“, erklärt Zach.

Zähler-Lebensdauer

Die mechanischen Stromzähler halten laut Zach problemlos 60 Jahre (in Einzelfällen bis zu 100 Jahre), während elektronische Geräte „selten älter als zehn Jahre“ werden. Die Linz AG geht derzeit von einer Lebensdauer der digitalen Zähler von maximal 15 Jahren aus. Alle acht Jahre gibt es auf jeden Fall eine dynamische Eichfristenverlängerung für die einzelnen Geräte und ob man die Zähler nach dieser behalten könne, hänge auch „stark davon ab, wie sich die Technologie weiterentwickelt.“

Hier stellt sich nun natürlich die Frage, ob eine Nacheichung eines alten, funktionierenden, mechanischen Zählers wirklich „wirtschaftlich nachteilig“ ist, wenn ein digitaler Zähler das drei- bis vierfache von dem analogen Gerät kostet und nach spätestens 15 Jahren ausgewechselt werden muss.

Geringe Einsparungen

Natürlich werde auch die Netz Niederösterreich GmbH prinzipiell eine Empfehlung abgeben, auf neue, intelligente Zähler zu wechseln, sagt Zach. Doch dies macht aus seiner Sicht derzeit vor allem bei Haushalten Sinn, die bereits über E-Autos oder Photovoltaik-Anlagen am Dach verfügen oder auf ein sogenanntes „Smart Home“ Wert legen.

Bei den Pilotprojekten habe man beispielsweise in "normalen Haushalten" nur etwa 1,2 Prozent an Energieeinsparungen - und genau diese Einsparungen sind das große, propagierte Ziel der Zählerumstellung - erreichen können. Ein Gutachten von Ernst & Young, das vom deutschen Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde, ergab, dass Verbraucher mit geringem Jahresverbrauch (das heißt unter 2000 kWh/Jahr) nur 0,5 Prozent ihres Energieverbrauchs einsparen können. In Geld ausgedrückt bedeutet das im Schnitt 2,5 Euro pro Jahr.

"Roll-Out ohne Zwang"

„Wir wollen den Roll-Out so kundenfreundlich wie möglich umsetzen und zwar ohne Zwang.“ Die Niederösterreicher ignorieren deshalb auch die per Verordnung vorgegebenen Österreich-Ziele, die vorsehen, dass bis 2019 95 Prozent der Stromzähler auf intelligente Messgeräte umgestellt sein müssen.

„Wir wollen bis 2020 80 Prozent der Stromzähler umgestellt haben. Sollten sich allerdings mehr Kunden dagegen entscheiden, werden wir diese Opt-Out-Wünsche alle berücksichtigen. Es ist nichts Böses dabei, die neuen Zähler zu verweigern“, so Zach. Dies zeigt, dass es auch anders geht – und man seine Kunden nicht zwingend wie seine „Feinde“ behandeln muss. „Natürlich müssen die Netze intelligent werden und dazu braucht es möglichst viele, die mitmachen. Aber das System hält auch ein paar Verweigerer aus.“

Die Einführung der intelligenten Stromzähler, die bis 2019 95 Prozent der alten mechanischen Stromzähler ersetzen sollen, schreitet voran. Derzeit wurden rund 300.000 Ferraris-Zähler durch neue, digitale Zähler ersetzt. In Oberösterreich wurden bisher die meisten neuen Zähler (rund 100.000) installiert. Zuständig ist hierfür immer der Netzbetreiber, der Eigentümer des Zählers ist.

Da sie Eigentümer der Stromzähler sind, können sie im Prinzip selbst entscheiden, was sie den Kunden für einen neuen Zähler hinhängen. Kunden, die keinen neuen intelligenten Zähler (Smart Meter) möchten, haben per Gesetz die Möglichkeit eines „Opt-out“-Rechts. Sie können also Widerspruch gegen intelligente Messgeräte einreichen. Netzbetreiber gehen mit diesem Recht der Kunden allerdings unterschiedlich um. Manche verweigern den Kunden derzeit die Möglichkeit des Opt-Outs und vertrösten diese auf einen späteren Zeitpunkt.

Laut den jüngsten Marktregeln gelten digitale Standardzähler (DEZ) außerdem nicht als "intelligente Messgeräte", ergo, Kunden können digitale Standardzähler nur schwer - nämlich gar nicht - verweigern. Ob dies tatsächlich gesetzeskonform ist, wird sich nun in Streitschlichtungsverfahren und eventuell auch Gerichtsverfahren zeigen. In den Marktregeln sind auf jeden Fall die Unterschiede zwischen digitalen Standardzählern und intelligenten Stromzählern festgelegt. Diese basieren auf Software-Änderungen, Hardware-mäßig sind beide nämlich gleich.

"Prüfen Verfassungsklage"

Albert Steinhauser von den Grünen - Foto: /Privat
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Albert Steinhauser, Grüne…
Albert Steinhauser, Grüne
Albert Steinhauser von den Grünen - Foto: /Privat

Was kann man den Kunden, die von ihrem Opt-Out-Recht Gebrauch machen wollen, nun raten? „Wenn der Netzbetreiber das Opt-out ignoriert, ist ein Tipp, wie man damit umgeht sehr schwierig. Eine Klage am Zivilrechtsweg ist teuer und langwierig und die Verweigerung eines digitalen Zählers riskant. Jedenfalls sollte dokumentiert werden, dass man keinen Smart Meter – egal in welcher Form –- wollte. Wir prüfen derzeit gemeinsam mit Datenschutz-NGOs, ob es die Möglichkeit gibt die derzeitige Vorgangsweise und das Ignorieren des Opt-Out vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen. Sollte das gelingen, kann man sich dann auf sein Opt-Out berufen“, sagt der Justizsprecher der Grünen, Albert Steinhauser.

Seit kurzem gibt es auch das "Forum Datenschutz", das als Kontaktstelle zum Thema Datenschutz ebenfalls eine Anlaufstelle für Bürger bei Smart-Meter-Fragen ist.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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