Der echte Fusionsreaktor JET (Symbolbild)

Der echte Fusionsreaktor JET (Symbolbild)

© United Kingdom Atomic Energy Authority

Science

Unglaublicher Weltrekord bei Kernfusion macht Forscher skeptisch

Der Weg zur Kernfusion wird gefühlt in Babyschritten begangen. Ein Magnetfeld hält etwas länger, es konnte ein bisschen mehr Energie gewonnen werden oder Plasma ist beinahe so heiß, wie man es bei einem Fusionskraftwerk tatsächlich benötigen wird.

Dem US-Unternehmen Quantum Kinetics Corporation (QKC) will jetzt aber ein Sprung gelungen sein. Laut einer Aussendung wurde ein Weltrekord erzielt, der „schwer zu schlagen sein wird.“ Etliche andere Medien haben den vermeintlichen Durchbruch aufgegriffen und darüber berichtet, wie etwa Interesting Engineering und Finanznachrichten.de.

200 Millionen Grad heißes Plasma

Demnach konnte genügend Hitze erzeugt werden, um Plasmafusion auszulösen: 200 Millionen Grad Celsius. Die Hitze, in der Form von Röntgenstrahlung, wurde laut QKC für 24 Stunden gehalten. Das Experiment soll 2-mal gelungen und von einer dritten Partei bestätigt worden sein.

Damit wäre der bisherige Rekord weit geschlagen. Am Fusionsreaktor KSTAR in Südkorea wurden 100 Millionen Grad Celsius erreicht, für gerade mal 48 Sekunden.

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Angeblich saubere Energie aus Atommüll-Beseitung

Und weil das noch nicht gut genug ist, behauptet QKC, dass das alles mit nuklearem Abwasser entstanden ist – während gleichzeitig Uran in harmlosere Stoffe zerlegt wird. Spätestens jetzt sollten auch Nicht-Forscher skeptisch werden. Das bis dato unbekannte Unternehmen QKC verspricht nicht nur Rekorde, die renommierte Forschungseinrichtungen nicht mal ansatzweise erreichen können, sondern auch so nebenbei das Atommüllproblem herkömmlicher AKW zu lösen.

Und wenn das noch nicht reicht, um alle Alarmglocken schrillen zu lassen, sollte man sich das offizielle Video von QKC dazu ansehen und anhören:

CEO macht Videospiele

Ja, der Mann, der da im hallenden Wohnzimmer seine Innovation verkauft, behauptet tatsächlich, dass die leuchtenden Dinger um ihn herum Reaktoren sind. Wenn man sich die Mühe macht, um die angeblich am Unternehmen beteiligten Personen zu suchen, findet man zB. den „CEO“ McKane Lee. Der hat keinerlei Hintergrund im Energiesektor, sondern hat Kunst und Animation an der Universität von Washington studiert und macht Computerspiele.

Der in der „Presseaussendung“ von QKC erwähnte „Gründer“ des Unternehmens, soll ein ehemaliger Anwalt namens Riley Lee sein. Den gibt es tatsächlich und der hat auch eine Kanzlei im Bundesstaat Washington – die 2 vernichtende Bewertungen auf Yelp hat und awo.com hat.

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Bullshit-Bingo bei registrierten Markennamen

Bei der Suche des US-Patentamts sieht man mehrere Marken, die das Unternehmen registriert hat. Dazu gehört zB. „QKW“ und „Quantum Kinetic Well“. Auch zu diesem Wunderding gibt es ein Video, das lachhaft aussieht.

Außerdem hat QKC noch die Registrierung von „Quantum Kinetic Fusor“, „Arc Reactor“ und „E-PT“ eingereicht. Dabei handelt es sich nur um Wortmarken, nicht um Patente.

Pressemitteilung Mitglied bei CleanTech Alliance

Die Pressemeldung des angeblichen Erfolgs wurde über Accesswire veröffentlicht. Dabei handelt es sich ein Portal, bei dem jeder, sofern er oder sie zahlt, Pressemitteilungen veröffentlichen kann. In den USA gibt es mehrere solcher Portale, Accesswire gehört zu den kleineren. Die „Pressemitteilung der Woche“ ist von einer Zahnarztpraxis in Aspen aus Juli 2024, in der der Unterschied zwischen Brücke und Implantat erklärt wird.

Um QKC echter wirken zu lassen, ist das Unternehmen außerdem der CleanTech Alliance beigetreten. Dieser Gruppe mit Sitz in Washington gehört ua. auch Boeing an. Allerdings muss man, um hier Mitglied zu werden, keine besonderen Qualifikationen haben, sondern 400 US-Dollar pro Jahr zahlen.

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Studie im Nature und Buch bei Amazon

Schlimmer ist, dass eine Studie von QKC 2022 tatsächlich im Nature veröffentlicht wurde. Diese beschreibt einen „Quantum Kinetic Fusor“ und prinzipiell eine Form von kalter Fusion (Kernfusion ohne Plasma mit hoher Temperatur). Andere Forscher aus diesem Gebiet haben die Studie als „Wortsalat“ und „absolut falsch“ beschrieben.

In einem Forum, in dem darüber diskutiert wird, hat sich McKane Lee zu Wort gemeldet. Die meisten seiner Antworten sind Zitate von berühmten Personen. Anstatt die angebliche Technologie zu erklären, vergleicht er sie mit der Computerspiel-Grafiktechnologie Ray Tracing.

Auf Amazon gibt es ein 170-seitiges Buch von McKane Lee zu kaufen, zu „Quantum Kinetic Well“. Dabei handelt es sich um Amazons Buchdruck-Service. Den kann jeder und jede in Anspruch nehmen, solange man dafür zahlt. Das Buch wird erst gedruckt, wenn es tatsächlich gekauft wird. Auch das Buch bei Amazon soll dazu beitragen, dass das Unternehmen echt wirkt.

Das Buch zum möglichen Betrug: "The Quantum Kinetic Well"

Das Buch zum möglichen Betrug: "The Quantum Kinetic Well"

Hoffentlich Satire statt Betrug

QKC behauptet in seinen Videos, bereit für Investoren zu sein. Außerdem soll im ersten Quartal 2025 eine Serie-A-Investment-Runde gestartet werden. Sollte das wirklich passieren und Geld kassiert werden, wäre das womöglich Betrug.

Vermutlich (oder hoffentlich) wird es aber nicht so weit kommen. So wie sich McKane Lee bisher gibt und die Videos aussehen, ist es Satire. Vermutlich will er damit aufzeigen, dass man vorsichtig im Hype um Kernfusion sein soll und speziell, wenn der Begriff Quanten involviert ist. Dass er es geschafft hat, damit in Nature veröffentlicht zu werden und einige Medien seinen „Weltrekord“ aufgegriffen haben, zeigt jedenfalls, dass Vorsicht geboten ist – egal ob es nun Satire oder Betrug ist.

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