Ärger mit den Tokamak-Segmenten: Ungenauigkeiten bei der Produktion führen zu Verzögerungen bei ITER

Ärger mit den Tokamak-Segmenten: Ungenauigkeiten bei der Produktion führen zu Verzögerungen bei ITER

© ITER

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ITER mit massiven Problemen: Platzt der Traum von Fusionsenergie?

Im Süden Frankreichs entsteht seit 2007 eine gigantische Anlage, die den Weg zu einer besonders reichhaltigen Energiequelle ebnen soll. Der "International Thermonuclear Experimental Reactor", kurz ITER hätte eigentlich 2025 erstmals in Betrieb gehen sollen. Danach schaut es schon länger nicht mehr aus. Es hat massive Verzögerungen gegeben, die Kosten sind explodiert. Anfang Juli hat ITER-Generaldirektor Pietro Barabaschi einen neuen Zeitplan vorgestellt. Daraufhin attestierten Medienberichte dem Projekt "große Schwierigkeiten" und sprachen von jahrzehntelanger Verspätung.

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Eine Hiobsbotschaft nach der anderen

Das gesamte Thema Kernfusion hat in den vergangenen Jahren gehörig an Fahrt aufgenommen. Von kleineren Forschungsreaktoren, die es in einzelnen Ländern bereits gibt, kommen immer öfter Erfolgsmeldungen. Eine zunehmende Anzahl von Start-ups schürt mit visionären Plänen die Begeisterung. Investoren und Privatpersonen, die sich nach Lösungen für den Klimawandel sehnen, scharren gleichsam mit den Füßen, wenn es um Fusionsenergie geht. Von ITER hört man unterdessen eine Hiobsbotschaft nach der anderen.

Zuletzt wurde etwa bekannt, dass sich einige der 11 Meter hohen Segmente der Donut-förmigen Vakuumkammer von ITER durch Herstellungsfehler im Millimeterbereich nicht hundertprozentig zusammenfügen. Bereits installierte Isolierungen wiesen plötzlich Risse auf. Die französische Atomenergiebehörde verlangte zusätzlichen Strahlenschutz, der zu viel Gewicht für das gegen Erdbeben gedämpfte Fundament bedeutet hätte.

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Das riesige Betriebsgelände von ITER auf einem Foto von Juni 2024: Sieht immer weniger nach Baustelle aus

Das riesige Betriebsgelände von ITER auf einem Foto von Juni 2024: Sieht immer weniger nach Baustelle aus

Internationale Zusammenarbeit ist schwierig

Je länger das Projekt dauert, desto mehr läuft es auch dem Fortschritt der Technik hinterher. An den Plänen von ITER werden laufend Anpassungen vorgenommen, um mit aktuellen Entwicklungen und Erkenntnissen im Kernfusionsbereich Schritt zu halten. Das alles kostet aber Zeit und Geld.

"ITER ist ein riesiges internationales Projekt. Ein Teil kommt aus einem Land, das nächste aus einem anderen Land. Das bringt Verzögerungen und Kommunikationsschwierigkeiten mit sich", sagt Christopher Albert vom Institut für theoretische Physik der TU Graz. Außerdem sei es aufgrund der Covid-Pandemie zu Störungen in den Lieferketten gekommen und der Reaktor müsse extrem strenge Vorschriften einhalten, wie sie auch für Kernkraftwerke gelten. Angesichts dessen sei eine Veränderung des Zeitplans nichts Ungewöhnliches.

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Statt 10 Jahren sind es eigentlich nur 3 bis 4

Eine "jahrzehntelange Verzögerung" sei auch nicht korrekt, sagt Albert. Der Aktivierungstermin 2025 wäre ein "symbolisches Plasma" gewesen. Der Reaktor hätte dabei nur kurz gezeigt, dass er funktionstüchtig sei, danach wäre er wieder zerlegt und für die nächste Betriebsphase vorbereitet worden. "Bei dem neuen Zeitplan konzentriert sich ITER jetzt auf seine Hauptziele, und die sind nicht so viel verzögert, wie man annehmen würde."

Im Grund könne man nur von 3 bis 4 Jahren Verzögerung sprechen, sagt Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in einer Erklärung zum neuen ITER-Plan auf YouTube. Der Betrieb bei voller Leistung des Magnetfeldes soll nun 2036 statt 2033 stattfinden. Der Betrieb mit Deuterium und Tritium-Brennstoffen ist für 2039 statt 2035 geplant. Das ITER-Team habe "das Beste aus einer misslichen Lage gemacht und Funktionen eingebaut, die es so nicht gegeben hätte".

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Erkenntnis aus anderem Reaktor gleich genutzt

Ein Beispiel sei die extrem hitzebeständige Beschichtung der Reaktor-Innenseite. Sie sollte ursprünglich aus Beryllium bestehen. Wie sich gezeigt hat, zersetzt sich das Metall in einem Fusionsreaktor allerdings relativ schnell. Eine Beschichtung mit Wolfram hat sich als ausdauernder erwiesen. Die Befürchtung, es könne das Reaktorplasma verunreinigen, hat sich bei Experimenten mit dem deutschen Fusionsreaktor ASDEX Upgrade zerschlagen. Deswegen bekommt ITER nun auch eine Wolfram-Innenwand.

Offenes Klima in der ganzen Branche

Mit auftretenden Problemen müsse man bei Maschinen, die es nie zuvor gegeben hat, immer rechnen. Was bei ITER schon während der Bauphase auftrete, daraus könne die gesamte Branche lernen, sind Expertinnen und Experten überzeugt. Erkenntnisse des Riesenprojekts werden intensiv mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Unternehmen geteilt. "Das Klima ist sehr offen und kollaborativ", sagt Albert. "Es ist fast ein Alleinstellungsmerkmal in der Forschung, dass das so gut klappt."

Je mehr Unternehmen am Feld der Kernfusion aktiv sind, umso mehr könnten sich in Zukunft die Interessen von Investoren durchsetzen, um Entwicklungen zu Geld zu machen. Der Fusionsenergie-Dachverband FIA meldet eine stetig steigende Zahl von Unternehmen, die Fusionsenergie kommerzialisieren wollen. 45 sind es aktuell weltweit. "Es ist wichtig, dass man die Gesprächsbasis beibehält", ist Albert überzeugt. "Unternehmen kommen alleine nicht weiter. Am Ende soll es für alle eine Win-Win-Situation sein."

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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