Biomass Satellit

Biomass Satellit 

© ESA

Science

Satellit durchleuchtet unsere Wälder mit verbotener Technologie

Obwohl Wälder nach den Ozeanen die zweitgrößten Kohlenstoffspeicher des Planeten sind, wissen wir nicht genau, wie viel CO2 sie binden. Ein Grund: Die bisherigen Satelliten sind nicht darauf ausgelegt, Wälder genau zu erfassen. 

"Biomass" soll das ändern. Der Satellit soll herausfinden, wie viel CO2 Wälder tatsächlich speichern. Wenn alles gut geht, bringt ihn die Europäische Weltraumorganisation (ESA) gemeinsam mit Airbus am 29. April ins All. 

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Biomass ist der erste Satellit, der mit einem P-Band-Radar ausgestattet ist. Dessen Wellenlängen sind rund 10 Mal länger als jene von C-Band-Radaren, die bisher von Satelliten genutzt wurden. C-Band-Wellenlängen liegen zwischen 3,9 und 7,5 Zentimeter. Sie können nicht bis zum Boden durchdringen, da sie von den Baumkronen reflektiert werden. 

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Technologie bisher verboten

Bislang war der Einsatz dieses langwelligen Radargeräts von der International Telecommunication Union verboten, weil es Interferenzen verursachen kann. Das P-Band-Radar wird normalerweise von Amerikanern zur Erkennung ballistischer Interkontinentalraketen genutzt. Damit Biomass trotzdem starten darf, muss er über Nordamerika und Europa abgeschaltet werden. Glücklicherweise sind Wälder auf diesen Kontinenten bereits so genau vermessen, dass die Datenlücke nichts ausmacht.

Biomass kann durch die P-Band-Radiowellen tiefer in den Wald eindringen und auch Äste und Stämme erfassen. So können Rückschlüsse auf das Gewicht und damit auf den gespeicherten Kohlenstoff gezogen werden. Dafür muss der Satellit selbst aber größer sein. Er ist 2 Meter breit, 4 Meter lang und allein die Radarantenne hat einen Durchmesser von 12 Metern. Biomass wird damit das größte weltraumgestützte Radargerät der Geschichte sein.  

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Datensatz LUI-Cube

Sarah Matej von der Universität für Bodenkultur Wien begrüßt diese Entwicklung. Denn genaue Zahlen dazu zu haben, wie viel Kohlenstoff in Biomasse gespeichert wird, ist wichtig für die KlimapolitikIm Moment gibt es große Unsicherheiten zu diesen Zahlen. Wenn dieser Satellit die Genauigkeit der Biomassebestände erhöhen kann, ist das ein wesentlicher Fortschritt”, sagt die Forscherin.

Sie und ihr Team haben kürzlich ein neues Tool vorgestellt, mit dem sich Kohlenstoff in Biomasse künftig noch gezielter aufspüren lässt. Im sogenannten LUI-Cube-Datensatz (Land Use Intensity) werden Satellitendaten zur Landbedeckung mit Daten zur Landnutzung kombiniert - und das über einen Zeitraum von 1992 bis 2020 und einer räumlichen Auflösung von circa einem Quadratkilometer. Damit kann noch genauer erfasst werden, was auf den Flächen passiert. 

Satelliten sind nicht genug 

Satelliten allein sind nämlich nicht genug. Man kann mit Satelliten nur die Landbedeckung erfassen. Das heißt, man sieht, ob dort Bäume stehen oder ob es sich um eine versiegelte Fläche handelt. Nicht alle Landbedeckungen entsprechen aber eins zu eins einer bestimmten Landnutzung”, erklärt Matej. Zum Beispiel könne ein Wald wirtschaftlich genutzt werden oder ein Urwald sein. Diesen Unterschied können Satelliten nur teilweise erfassen, er ist aber wichtig, um den Einfluss menschlicher Landnutzung zu verstehen”, erklärt Matej. 

Internationale Beispiele verdeutlichen die Aussagekraft des Datensatzes. „In Tschechien sehen wir etwa, dass sich die Flächennutzung kaum verändert hat, die Biomasseströme – gemessen in Millionen Tonnen Kohlenstoff – aber stark schwanken“, so Matej. Solche Schwankungen könnten etwa auf forstwirtschaftliche Intensivierungen oder Sturmschäden zurückzuführen sein.

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Daten für die Wissenschaft 

LUI-Cube erlaubt es somit erstmals, nicht nur Flächenveränderungen, sondern auch Nutzungsintensitäten über knapp 3 Jahrzehnte hinweg zu analysieren. In der Wissenschaft kann der Datensatz also genutzt werden, um zu verstehen, wie sich Ökosysteme wie Wälder über die Zeit verändern.  

Dafür wurden die Flächen auf der Erde in 5 Haupttypen (Ackerland, Weideland, Forstwirtschaft, Siedlungsflächen und Wildnis) und insgesamt 32 Kategorien eingeteilt. „Damit kann man beispielsweise unterscheiden, ob es sich um bewirtschafteten oder Urwald handelt. Wir bilden ab, wie sich die Flächen über die Zeit verändern, aber auch, wie intensiv sie genutzt werden”, sagt Matej. 

Für Forscher weltweit 

LUI-Cube wurde vergangene Woche veröffentlicht und kann jetzt von Forschenden weltweit genutzt werden. „In Zukunft werden Analysen folgen, wo man sich bestimmte Entwicklungen genauer ansehen kann. Daraus kann man dann auch Managementmaßnahmen ableiten”, sagt Matej. 

Außerdem werden die Daten auch laufend aktualisiert. In Zukunft könnten also auch die Satellitendaten von Biomass im Datensatz enthalten sein. Der Satellit wird jedenfalls die nächsten 5 Jahre nicht nur Wälder, sondern auch Wüsten und Eisschilde vermessen. 

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Sandra Czadul

Begeistert von Wissenschaft und stets auf der Suche nach Ideen, die uns voranbringen.

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