Der Mythos der unpräzisen Klima-Forschung
Das Klima ist kompliziert. Es gibt keine hübsche, kleine Formel, mit der man das Klima künftiger Jahrzehnte vorherberechnen kann. Unzählige Effekte spielen zusammen – vom CO2-Ausstoß bis zur Luftfeuchtigkeit, von winzigen Luftpartikeln bis zu gewaltigen Meeresströmungen. Die Bahn von Planeten oder Asteroiden können wir mit grandioser Präzision vorhersagen. Beim Klima ist diese Präzision unmöglich zu erreichen. Wir müssen uns mit einer gewissen Unsicherheit abfinden.
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Leider wird diese simple Wahrheit gerne missbraucht: Man tut so, als würde Unsicherheit in einem wissenschaftlichen Gebiet bedeuten, dass sich darüber überhaupt nichts mit Sicherheit aussagen lässt – und das ist natürlich falsch. Auch wenn es unmöglich ist, die Durchschnittstemperatur von St. Pölten im März 2052 präzise vorherzuberechnen, wissen wir trotzdem sehr genau: Das Klima ändert sich, es wird wärmer, der Mensch ist daran schuld, und CO2 ist der Hauptgrund dafür.
Ja, Klimaforschung ist unpräzise. Das ist Medizin aber auch. Niemand kann exakt berechnen, welchen Blutdruck der Hypertonie-Patient morgen haben wird, wenn er jetzt seine Medikamente schluckt. Es wäre trotzdem ziemlich dumm, aus diesem Grund die Medikamente abzulehnen.
Eine Vielfalt an Daten, die in dieselbe Richtung zeigen
Wenn Klimaforschung wieder einmal schlechtgeredet wird, aufgrund ihrer angeblich geringen Präzision, muss man klarstellen, auf welcher gewaltigen Menge an Daten diese Wissenschaftsdisziplin inzwischen beruht.
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Seit Jahrzehnten messen wir präzise Temperaturwerte in ganz unterschiedlichen Gegenden der Welt, ältere Temperaturdaten lassen sich indirekt rekonstruieren. Aber nicht nur sie zeigen uns, dass es wärmer wird, dazu passen auch Messwerte über das Abschmelzen der Gletscher und des Polareises. Weitere Bestätigungen kommen aus der Biologie: Schmetterlinge oder Fische verlagern ihren Lebensraum in kühlere Gebiete, Kälte-angepasste Spezies wie Hermelin und Schneehase ziehen sich zurück, Zugvögel ändern ihren Jahresrhythmus. All das passt zusammen, es zeigt in dieselbe Richtung – man spricht in diesem Fall von „konvergenter Evidenz“.
Gleichzeitig steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre – sie ist heute ungefähr um die Hälfte höher als in vorindustrieller Zeit. Dazu passen Daten aus dem Meer: Die Ozeane nehmen nämlich einen Teil des Kohlendioxids auf, das führt zu einer messbaren Versauerung, die unter anderem auch ein Absterben von Korallen verursacht.
Kausalität und Korrelation
Das ist aber noch kein Beweis, dass der Anstieg der CO2-Konzentration auch wirklich die Ursache für die Erwärmung ist. Vielleicht ist das bloß Zufall? Könnten andere Effekte die Erwärmung erklären? Etwa eine gesteigerte Aktivität der Sonne?
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Nein. Unterschiedliche Ursachen für Erwärmung führen nämlich zu unterschiedlichen Konsequenzen. Wird die Erde durch äußere Effekte erwärmt, etwa durch stärkere Sonnenbestrahlung, dann steigt die Temperatur gleichmäßig überall in der Atmosphäre. Eine Erwärmung durch Gase wie CO2 und Methan ist etwas komplizierter: In diesem Fall erwärmt sich die erdnahe Atmosphäre, die Stratosphäre hingegen kühlt gleichzeitig ab. So wurde das vorherberechnet – und genau das ist auch eingetreten. Theorie und Experiment passen zusammen. Die Beweislage ist erdrückend.
Wir müssen zwischen der Präzision und der Zuverlässigkeit einer Aussage unterscheiden. „Tagsüber ist es heller als nachts“ ist extrem unpräzise, aber sehr zuverlässig. „Die Lottozahlen von nächster Woche sind 2, 4, 11, 38, 39 und 42“ ist sehr präzise, aber höchst unzuverlässig. „Das Klima ändert sich und der Mensch ist schuld“ ist eine Aussage der ersten Kategorie: Es handelt sich nicht um eine Präzisions-Prognose, aber das schränkt ihre Zuverlässigkeit nicht ein.
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