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Wissenschaft & Blödsinn

Sind wir nicht alle ein bisschen eso?

Wir sind aufgeklärte Menschen. Wir lesen keine Horoskope, wir glauben nicht an Voodoo-Zauber und wir kämen niemals auf die Idee, unsere Krankheiten beim Wunderheiler kurieren zu lassen. Wir machen uns über unsere Tante Eleonore lustig, die ihr Geld für magische Engels-Energie-Akkumulatoren ausgibt und fühlen uns mächtig schlau dabei. Doch leider übersehen wir oft, dass fast jeder von uns für gewisse Arten von Blödsinn anfällig ist – nur kommt er bei manchen Leuten eben nicht aus dem Esoterikladen, sondern vielleicht aus dem Elektronikgeschäft oder auch vom Bio-Feinkosthändler.

HiFi-Esoterik

So gibt es beispielsweise Musikliebhaber, die tausende Euro in einen neuen Lautsprecher investieren und sich dann über das grandiose Klangerlebnis im Wohnzimmer freuen. Das ist auch gut so. Musikgenuss mit teurer Luxussoundanlage macht sicher mehr Freude als mit piepsigen Computerlautsprechern. Aber wo ist die Grenze des Sinnvollen? Würde der HiFi-Genießer im Blindtest den Unterschied zwischen einer ziemlich guten Luxussoundanlage und einer abartig überteuren High-End-Weltklassesoundanlage erkennen? Wenn nicht, war der Aufpreis für das Weltklasseprodukt genauso sinnlos wie Tante Eleonores Investition in Engels-Energie-Akkumulatoren.

Gerade in der HiFi-Szene wird jede Menge überteuerter Unsinn angeboten: Spezialkabel aus Gold sollen angeblich für besonders reinen Klang sorgen. Man hat ausprobiert, audiophilen Klangliebhabern Musik in zwei verschiedenen Varianten vorzuspielen – einmal kam das Signal durch das teure Luxuskabel, einmal wurde es durch einen gewöhnlichen Metallkleiderbügel geleitet. Mit verbundenen Augen ließ sich der Unterschied nicht erkennen.

Dabei ist die Wirkung solcher Spezialkabel zumindest technisch noch einigermaßen plausibel. Es gibt in der HiFI-Welt noch deutlich verrücktere Ideen: „Energietransformer“ für Lautsprecherboxen sollen die „immaterielle Komponente“ der Musik wiedergeben. Informations-Linsen aus Glas sollen den Klang von Störungen befreien. Man kann sogar USB-Sticks kaufen, die angeblich „submolekulare Impulse“ auf alle Komponenten des Computers abgeben, sodass eine auf diesem Computer gebrannte CD dann besser klingt als das Original. Das kaufe ich! Damit kann ich sicher auch Tante Eleonores Engelsenergie auf CD brennen.

Es funktioniert – aber nur im Kopf

Wir haben es hier mit einem ganz seltsamen Phänomen zu tun: Technikliebhaber, die ganz und gar nicht zur üblichen Esoterik-Zielgruppe gehören, die mit schamanischen Räucherstäbchen und kosmisch geladenen Chakra-Kristallen überhaupt nichts anfangen können, tappen in die Esoterik-Falle und freuen sich auch noch darüber. Sie kaufen völlig nutzlose Produkte und sind durch und durch überzeugt, dass sich dadurch ihr Klangerlebnis verbessert hat. Diese Wahrnehmung ist für sie genauso real wie das Gefühl der Nässe auf der Haut, wenn man durch den Regen läuft. Trotzdem könnten sie in einem verblindeten Test den Unterschied nicht hören. Der Effekt hat nichts mit den Schallwellen im Ohr zu tun, er entsteht erst im Kopf.

Das heißt nicht, dass diese Leute dumm sind. In Wirklichkeit funktionieren alle Menschen so: Wir verkosten Wein und wollen den Preis erfahren, bevor wir uns ein Urteil bilden, um nicht versehentlich ein Billigprodukt loben. Wir sind überzeugt, dass der Kaffee aus dem neuen Vollautomaten mit Teflon-Hochdruckkammer einfach besser schmeckt. Ehrfurchtsvoll probieren wir in der Schoko-Confiserie eine handgemachte Bio-Nobelpraline und sind begeistert. Wenn wir dort, ohne es zu wissen, die gewöhnliche Alltagsschokolade aus unserer Büroschublade überreicht bekommen hätten – wären wir nicht vielleicht ähnlich begeistert gewesen?

Das alles ist nicht schlimm. Natürlich können wir nicht vor jedem Einkauf wissenschaftliche Doppelblindstudien durchführen. Aber vielleicht können wir unsere eigenen Irrationalitäten dazu nutzen, unsere Überheblichkeit gegenüber den Kunden im Esoterikladen ein kleines bisschen einzubremsen.

Man spart Geld, wenn man versucht, sich selbst nicht allzu sehr anzulügen. Teure Dinge sollte man rational betrachtet nur dann kaufen, wenn man ihre Vorzüge gegenüber billigeren im Blindtest erkennen würde. Das ist kein Aufruf zur Askese – ganz im Gegenteil: Wir sollten das tun, was uns am meisten Freude macht. Aber wenn man manchmal mit weniger Geld, Ressourcenverbrauch und Mühe dasselbe Ausmaß an Freude erreichen kann, dann ist das noch besser.

Und um das ersparte Geld kaufe ich der Tante Eleonore dann einen nagelneuen USB-Stick und erkläre ihr, dass er alle kosmischen Engels-Energien enthält, die es überhaupt gibt. Sie wird sich freuen.

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen schreibt er jeden zweiten Dienstag in der futurezone.

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Florian Aigner

Florian Aigner ist Physiker und Wissenschaftserklärer. Er beschäftigt sich nicht nur mit spannenden Themen der Naturwissenschaft, sondern oft auch mit Esoterik und Aberglauben, die sich so gerne als Wissenschaft tarnen. Über Wissenschaft, Blödsinn und den Unterschied zwischen diesen beiden Bereichen, schreibt er regelmäßig auf futurezone.at und in der Tageszeitung KURIER.

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