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Urheberrecht

Festplattenabgabe: "Pfusch" oder "zeitgemäß"?

Die Diskussion über die Ausweitung der in den 80er-Jahren eingeführten Leerkassettenvergütung auf Festplatten hat in den vergangenen Monaten an Schärfe gewonnen. Ob die umstrittene Abgabe als Teil einer für das Frühjahr 2013 angekündigten Urheberrechtsreform tatsächlich gesetzlich festgeschrieben wird, ist offen. Dass es bei der Reform des Urheberrechts auch genügend andere Baustellen gibt, darüber konnten sich Renata Hrnjak, Legal Affairs Manager bei Samsung Österreich und Propenentin der "Plattform für ein modernes Urheberrecht", Gerhard Ruiss von "Kunst hat Recht" und der Anwalt Axel Anderl, Partner und Leiter des IT/IP Desk bei der Kanzlei Dorda Brugger Jordis, einigen. Mit der futurezone diskutierten sie über die Urheberrechtsabgabe auf Festplatten und Alternativen dazu.

futurezone: Ist die Festplattenabgabe zeitgemäß?
Renata Hrnjak: Die Leerkassettenvergütung, die in den 80er Jahren entstanden ist und Rechteinhaber für private Kopien entschädigt, war damals richtig und nachvollziehbar. Heute ist sie aufgrund der technischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß. Streaming-Dienste oder Cloud-Lösungen sind in der Leerkassettenvergütung nicht mehr abbildbar. Man kann neue technolgoische Entwicklungen nicht in alte Lösungen zwängen.

Gerhard Ruiss: Zeitgemäß ist all das, was technisch in Gebrauch ist. Natürlich kann ich auf die Festplatte kopieren. Nicht ausschließlich und nicht nur mit geschütztem Material. Das wissen wir auch. Die Entscheidung für die Leerkassettenvergütung war einen Entscheidung zwischen dem Exklusivrecht der Urheber und der Zulässigkeit der privaten Kopie. Sie kann im privaten Rahmen vervielfältigt und verbreitet werden. Wenn es sie nicht gäbe, hätte ich als Rechteinhaber alle Rechte und kann sie auch ganz rigide verfolgen. Das wollen wir nicht. Wir wollen eine Lösung, mit der beide Seiten zufrieden sind. Insofern ist es eine sehr zeitgemäße Debatte.

Axel Anderl: Die Festplattenabgabe war nie zeitgemäß und ist es auch jetzt nicht.  Das Gesetz spricht ja grundsätzlich von Trägermaterial und lässt offen, was darunter subsumiert werden kann. Es gab eine Leerkassettenvergütung, die sukzessive auf andere Medien ausgeweitet wurde. Die Frage ist, ob die Festplatte auch erfasst werden soll. Festplatten werden aber multifunktional genutzt und nur zu einem kleinen Teil auch für die Speicherung von Werken für die Privatkopie. Das hat sich nicht geändert. Wir sind zudem schon im Streaming-Zeitalter. Wer kopiert noch? Niemand.

Renata Hrnjak: Es ist ein verschwindend geringer Teil der tatsächlich für Privatkopien genutzt wird.

Gerhard Ruiss: In meinem Bekanntenkreis ist das ein bisschen anders. Unser Kernproblem ist, dass wir vom Stückverkauf leben. Die neuen Technologien haben Kapazitäten, die sind ungeheuer. Da werden nicht nur eigene Bilder darauf gespeichert. Da wird alles mögliche drauf gespeichert. Wozu brauch ich diese Kapazitäten, wenn ich sie nicht nutze. Unsere Inhalte wurden immer stillschweigend zum Nulltarif vorausgesetzt. Sie wurden nie mitkalkuliert. Wir haben aber auch ein Recht auf Bezahlung.

Axel Anderl: Die Verwertungsgesellschaften hatten aber jahrelang keine Lizenzmodelle für den Online-Verkauf. Wir haben viele Mandanten gehabt, die etwa Filme über das Netz durch Werbung unterbrochen und so finanziert anbieten wollten. Sie haben versucht, die Rechte zu bekommen. Aber die Angebote waren kaum zu bekommen und wenn dermaßen horrend, dass wir dafür eigene Filme selbst drehen hätten können. Die Verwertungsgesellschaften haben jahrelang nur geblockt und ihre Rechte nicht herausgegeben beziehungsweise keine entsprechende, moderne und insbesondere grenzüberschreitenden Modelle angeboten. Damit haben sie mangels legaler Alternativen der Piraterie Vorschub geleistet.

Gerhard Ruiss: Es kam zu keinen Lizenzierungen, weil die Preise so im Keller sind. Sehen Sie sich die Auseinandersetzung an, die die GEMA (Anm.: deutsche Verwertungsgesellschaft) mit Google/YouTube hat. Die Angebote von Google sind dermaßen schlecht, dass es zu keinem Abschluss kommen kann. Als Verwertungsgesellschaft kann ich nicht sagen, ich kann auf dem untersten Niveau abschließen. Auch von Spotify kann kein Künstler ernsthaft leben.

futurezone: Kommen wir zurück zur Festplattenabgabe. Welche Rechtssicherheit haben Konsumenten dabei eigentlich?
Gerhard Ruiss: Dieselbe Rechtssicherheit, die man auch jetzt schon erkennen kann. Wenn Sie sich die österreichische Rechtssituation ansehen, gibt es hier keine Verfolgungspraxis. Weder im kleinen noch im großen Stil. Es herrscht konsensualer Friede, was die private Kopie betrifft.

Axel Anderl: Es herrscht kein konsensualer Friede. Leute, die geschützte Inhalte verbreiten, können nicht ausgeforscht werden.

Gerhard Ruiss: Wir haben immer gesagt, dass kein privater Download in irgendeiner Form verfolgt werden soll.

Axel Anderl: Das wurde aber anders gehandhabt. Als Rechteinhaber die IP-Adresse noch bekommen haben, und Personen dahinter ausforschen konnten, gab es sehr wohl Verfolgungen vom bei Tauschbörsen in der Regel automatisch mitlaufenden Upload. Da gab es sogar Massenabmahnungen. Wenn es ginge, machen es die Rechteinhaber sehr wohl und sie haben es auch in der Vergangenheit getan. Jetzt können sie halt nicht.

Gerhard Ruiss: Unser Standpunkt ist, dass der Upload geahndet werden soll. Wir sehen nicht ein, dass Leute unsere Produktionen zu gewerblichen Zwecken für den eigenen Gewinn heranziehen. Der Download interessiert uns überhaupt nicht.

Axel Anderl: Das ist auch der Status Quo des Gesetzes. In Österreich ist der Download für private Zwecke grundsätzlich legal. Der Upload - die Verbreitung - ist strafbar. Der Pferdefuß ist, dass wir in Österreich derzeit auch einen Upload nicht verfolgen können. Das ist ein großer Missstand. Deshalb werden dann plötzlich auch Access-Provider geklagt, wie etwa UPC im Fall kino.to, und möchte sie veranlassen Zugänge zu verhindern

futurezone: Die Grünen treten für eine Internet-Abgabe ein, bei der jede private Nutzung automatisch abgegolten sein sollte.
Axel Anderl: Das kann nicht funktionieren. Das ist blauäugig. Weil nicht nur Österreicher, sondern auch Deutsche und Amerikaner die Inhalte, die in Österreich rechtskonform hochgeladen wurden, downloaden würden. Damit werf ich das ganze System über den Haufen, weil dann die ganze Welt an .at-Domains hängen und saugen würde. Ist das für den US-Amerikaner oder Deutschen dann legal und erhält der Urheber dann für die weltweite Verbreitung keine weitere Abgeltung?

Renata Hrnjak: Grundsätzlich sollte man sich eine gesamtheitliche Lösung überlegen, die technologische Entwicklungen und die Rechte der Künstler berücksichtigt, die aber auch keine unerwünschten Nebeneffekte hat. Wir brauchen eine Lösung, die keinen volkswirtschaftlichen Schaden bringt, der bei einer Festplattenabgabe gegeben wäre. Der Konsument hat bei Online-Käufen die freie Wahl, wo er sein Produkt kauft. Von der Internet-Abgabe ist jeder betroffen. Man könnte eine solche Lösung auch über Rundfunkgebühren diskutieren. Dann wäre auch die soziale Gerechtigkeit gegeben, weil sozial schlechter gestellte Personen befreit sind. Der Dialog geht in eine gute Richtung. Man sollte darüber sprechen, wie Kulturförderung aussehen kann. 

Gerhard Ruiss: Es geht nicht um Förderungen. Es geht um die Bezahlung von Leistungen. Wir wollen nicht abgekoppelt von den wirtschaftlichen Erträgen am Markt leben. Die Kulturflatrate lehnen wir ab. Sie schafft überhaupt keine Lösung, aber jede Menge neuer Probleme. Damit wird in erster Linie die Illussion verbunden, ich zahle einmal und habe alles und darf es weiterentwickeln, verändern, nutzen. Diese Illussion braucht man gar nicht erst nähren.

futurezone: Die Nutzungspraktiken von Inhalten haben sich mit dem Netz und digitalen Technologien geändert. Wie soll das im Urheberechtsgesetz berücksichtigt werden?
Gerhard Ruiss: Hilfe! Hilfe! Ich bin sechs Jahre lang freiwillig sehr früh aufgestanden und habe Oswald von Wolkenstein nachgedichtet. Der Text ist aus dem 15. Jahrhundert und frei verfügbar. Wenn aber jetzt jemand käme und sagen würde, wunderbar, dass sie das gemacht haben, wir lassen Ihren Namen weg und machen weiter. Da hätt ich was dagegen. Das war meine Lebenszeit. Es ist mein Werk. Ich kann es auch herschenken, wenn ich gefragt werde. Aber es darf mir nicht entzogen werden. Genau das passiert aber bereits. Kollegen erzählen mir, dass ihre Filme plötzlich ohne Vor- und Nachspann auf YouTube aufscheinen.

Axel Anderl: Sie fordern die Bezahlung Ihrer Leistung und auch, dass sie souverän entscheiden wollen, wem sie die Rechte an ihren Werken einräumen. Das spricht aber klar gegen die Festplattenabgabe. Dabei partizipieren Sie nicht am Ertrag des Werkes, sondern setzen sich woanders drauf. Man sollte das Geld dort einheben, wo die Inhalte konsumiert werden. Es sollen die zahlen, die konsumieren. Das ist möglich.

futurezone: Sie haben damit auch schon eine weitere mögliche Alternative zur Festplattenabgabe angesprochen. Die Content-Abgabe, die direkt beim Kauf des Originalwerks eingehoben wird, anstatt Speichermedien zu belasten. Wäre das sinnvoll?
Renata Hrnjak: Es wäre durchaus sinnvoll, dort Abgaben zu platzieren, wo die Werke genutzt werden. Eine Lösung, wie auch immer sie aussehen mag, sollte aber so beschaffen sein, dass sie nicht nur ein, zwei Jahre hält.

Gerhard Ruiss: Wir stecken in einer Situation, die weder noch ist. Wir leben nicht mehr in der analogen Welt, aber auch noch nicht komplett in der digitalen Welt. Es ist eine Phase der Unsicherheiten, in der noch nicht ganz klar ist, welche Rechte verschwinden und welche Rechte bleiben. Der Wandel geht viel schneller von sich, als wir uns das vor zehn Jahren gedacht hätten. Wir sind nicht zu spät, die Entwicklung ist so rasant. Nachdem wir hochentwickelte Rechtssysteme haben, gehe ich davon aus, dass wir in das Richtige machen werden.

Axel Anderl: Die Festplattenabgabe geht aus einer Lobbying-Aktivität hervor. Die Justiz- und Kulturministerin haben sich dafür ausgesprochen und einen politischen Willen artikuliert, ohne sich mit Experten abzustimmen oder in Kenntnis der Argumente zu sein. Wir haben so viele Baustellen im Urheberrecht. Anstatt die anzugehen und Probleme in einem Gesamtzusammenhang zu sehen, wurde ein heißes Eisen aufgegriffen und postuliert, dass die Festplattenabgabe kommen soll. Und jetzt muss man zurückrudern und warten.

futurezone: Die Festplattenabgabe, wenn sie denn kommt, wird Teil einer Urheberrechtsreform sein. Was erwarten Sie sich noch von einer solchen Reform?
Gerhard Ruiss: Wir wünschen uns eine große Urheberrechtsreform. Dazu wird die Zeit in dieser Legislaturperiode aber nicht reichen. Ob mit oder ohne Festplattenabgabe, die Urheberrechtsdebatte wird uns nicht mehr loslassen. Mein Wunsch ist, dass wir zu Beginn der nächsten Legislaturperiode eine große Urheberrechtsreform im Regierungsprogramm stehen haben. Die Politik wird handeln müssen. Auch auf europäischer Ebene. Wir können uns nicht mit nationalstaatlichen Lösungen zufrieden geben. Wir brauchen große Lösungen, weil wir vor großen Themen und großen Entwicklungen stehen.

Axel Anderl: Ich bin auch für eine Lösung auf europäischer Ebene, wenn nicht sogar für eine weltweite Lösung, mit einem entsprechenden Übereinkommen. In Österreich muss ganz klar der Auskunftsanspruch der Rechteinhaber und Verfolgungsmöglichkeit bei wirklichen Verstößen, sprich beim Upload, angegangen werden, wo tatsächlich massiv in die Rechte der Urheber eingegriffen wird. Mein Appell ist: Kein Hüftschuss. Mit einer Festplattenabgabe wird nur Porzellan zerschlagen. Man sollte gemeinsam mit Experten eine Lösung aus einem Guss finden. Dazu ist auch eine Versachlichung der Diskussion notwendig.

Renata Hrnjak: Die Versachlichung der Diskussion ist ganz wesentlich. Man muss alle Beteiligten an einen Tisch bringen. Zu hinterfragen ist aber auch die Rolle der Verwertungsgesellschaften. Werden Künstler von einem solchen System richtig vertreten? Das sollte auch diskutiert werden.

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Leerkassettenvergütung
Eingeführt wurde die Urheberrechtsabgabe oder Leerkassettenvergütung bereits 1980. Mit der Abgabe auf Speichermedien sollen Rechteinhaber für private Kopien entschädigt werden. Gewerbliche Nutzer können die Abgabe zurückfordern. Die Tarife werden zwischen der Wirtschaftskammer und den Verwertungsgesellschaft ausgehandelt. Die Einnahmen kommen zur Hälfte dem Fonds für soziale und kulturelle Förderungen (SKE) zugute, die andere Hälfte wird individuell an Rechteinhaber verteilt.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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