Symbolbild Bundestrojaner

Symbolbild Bundestrojaner

© REUTERS/AMIR COHEN

Nationalratswahl 2017

Nur die ÖVP will den Bundestrojaner

Am 15. Oktober findet die Nationalratswahl statt. Um euch bei der Wahlentscheidung zu helfen, haben wir bei der Wahl antretende Parteien zu ihren netzpolitischen Positionen befragt. Einige, wie etwa die Liste Pilz, haben trotz mehrfacher Anfragen nicht geantwortet. Den Auftakt unserer zweiteiligen Serie macht der Themenkomplex Überwachung und Sicherheit.

Das – je nach Geschmack – „Sicherheits“- oder „Überwachungs“-Paket wird trotz intensiver Bemühungen von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) vor der Nationalratswahl nicht verabschiedet. Der „Bundestrojaner“ dürfte es auch in der nächsten Legislaturperiode schwer haben. Mit Ausnahme der ÖVP will ihn keine Partei haben. Ein zurechtgestutztes „Sicherheits“- oder „Überwachungs“-Paket könnte es aber dennoch werden. Neben der ÖVP, sprechen sich - zwar mit Einschränkungen aber doch - auch SPÖ und FPÖ für ein solches Gesetzespaket aus.

Dabei könnten auch anonyme SIM-Karten abgeschafft werden, zumindest wenn es neuerlich eine große Koalition aus SPÖ und ÖVP gibt, denn beide Parteien sympathisieren damit. Die FPÖ, die Grünen, die Neos und die KPÖ Plus lehnen die Registrierungspflicht beim SIM-Karten-Kauf ab.

Für eine Nachfolgeregelung zu der 2014 vom Verfassungsgerichtshof gekippten Vorratsdatenspeicherung sprechen sich außer der ÖVP mit Einschränkungen auch SPÖ und NEOS aus. Die in den Gesetzesentwürfen zu dem vom Innen- und Justizministerium eingebrachten „Sicherheits“-Paket enthaltene Weitergabe von persönlichen Daten an private Sicherheitsdienste findet nur in der ÖVP Befürworter. Alle anderen Parteien lehnen sie ab.

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SPÖ: Klar ist, dass man die polizeilichen Ermittlungsmethoden an die technischen Weiterentwicklungen anpassen muss und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen an die neuen Herausforderungen angepasst werden müssen. Mit der Einführung eines Bundestrojaners, der die Möglichkeit einer anlasslosen Massenüberwachung bringt, sehen wir aber Grundrechte und Datenschutz der Bürger massiv gefährdet. Aus diesem Grund werden wir einer Einführung auch nicht zustimmen.

ÖVP: Wir müssen unsere Behörden mit maßvollen aber notwendigen Instrumenten ausstatten, um Terror und schwerste Verbrechen aufklären zu können. Dazu zählt auch ein Schließen bisheriger Gesetzeslücken. Wenn Verbrecher vom Telefon auf verschlüsselte Kommunikation wie Skype oder Whatsapp umsteigen, dann kann die polizeiliche Überwachung nicht mehr stattfinden. Die Justiz muss auf diese Informationen im Anlassfall zugreifen können, etwa um diese Daten als Beweis für die Strafverfolgung nutzen zu können.

FPÖ: Ein Bundestrojaner ist abzulehnen. Grundrechte, wie zB das Recht auf Meinungsfreiheit, dürfen nicht auf dem Altar einer vorgeschobenen Terrorbekämpfung geopfert werden. Die FPÖ bekennt sich selbstverständlich zu sinnvollen Maßnahmen zur Terrorbekämpfung mit entsprechendem Rechtsschutz, doch ein Polizeistaat mit Spitzelsystem und ein Generalverdacht gegen alle Bürger werden vehement abgelehnt.

Grüne: Nein. Die Kommunikationsüberwachung mit staatlicher Spionagesoftware stellt einen massiven Grundrechtseingriff dar. Für das Einspielen einer solchen Spionagesoftware werden technische Sicherheitslücken benötigt. Der Staat sollte sich für IT-Sicherheit stark machen und die Bürger vor fehlerhafter Software schützen, statt ein Interesse an Sicherheitslücken zu haben.

NEOS: Rechtsstaatlich, grundrechtlich aber auch politisch ist diese Form der Überwachung ein enorm heißes Eisen und kaum verfassungskonform auszugestalten. Dazu kommt, dass die Software auf Sicherheitslücken angewiesen wäre, wodurch sich das Interesse des Staates von der Cybersicherheit zum Erhalt bekannter Sicherheitslücken umkehren würde. Cybercrime ist der am stärksten wachsende Kriminalitätszweig. Hier braucht es mehr Schutz durch den Staat, nicht weniger. In die Richtung, in der die Freiheit und der Datenschutz für vermeintliche Sicherheit eingeschränkt werden, werden wir niemals gehen.

KPÖ Plus: Nein. Das wäre ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte und zieht schwerwiegende Bedenken im Bereich der Menschenrechte, bei der technischen Umsetzung und der IT-Sicherheit nach sich. Die Gefahr einer Gedankenpolizei a la George Orwells Roman “1984” ist angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten erschreckend konkret.

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SPÖ:Ja. Wir streben eine allgemeine Registrierungspflicht für SIM-Karten an. Diese soll auch für Prepaid-Handys gelten.

ÖVP: Wir wollen eine verpflichtende Regierungspflicht für Wertkarten. In anderen europäischen Ländern bestehen solche Regelungen bereits, Ziel wäre eine europaweite Lösung.

FPÖ: Auf Grund der Erfahrungen anderer Länder konnte eine Notwendigkeit noch nicht erkannt werden.

Grüne: Nein. Gerade kriminelle und Terroristen können die Zwangsregistrierung von SIM-Karten leicht umgehen. Die Wirksamkeit der Zwangsregistrierung von SIM-Karten zur Terrorbekämpfung ist nicht erwiesen.

NEOS: Nein. Auch wenn es unzählige Beispiele aus anderen Ländern gibt, dass dies zu keiner Aufklärung von schweren Straftaten oder der Verhinderung von Anschlägen geführt hat, besteht die Regierung auf dieser Maßnahme. Durch die verpflichtende Registrierung werden vor allem kleinere Mobilfunkprovider vor große Probleme gestellt. Dies wirkt wettbewerbsverzerrend im Mobilfunkmarkt, und kann zu steigenden Preisen und ungünstigeren Vertragskonditionen für Kunden führen.

KPÖ Plus: Nein. Der Nutzen für die Bekämpfung von Kriminalität ist nicht belegt, aus diesem Grund haben einige Staaten nach eingehender Prüfung von solch einer Maßnahme Abstand gehalten. Das Recht, frei und unbeobachtet zu kommunizieren würde eingeschränkt.

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SPÖ: Die Vorratsdatenspeicherung hätte einen massiven Eingriff in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger gebracht und wurde daher auch vom VfGH zu Fall gebracht. Klar ist, dass die öffentliche Sicherheit zu wahren ein wichtiges Anliegen sein muss. Aber nur bei konkreter Gefährdungslage und nur durch staatsanwaltschaftliche oder richterliche Anordnung.

ÖVP: Unser Ziel ist eine rechtlich abgesicherte Nachfolgeregelung in Form einer Anlassspeicherung. Netzbetreiber sollen künftig die Daten für einen bestimmten Zeitraum sichern und im Anlassfallfall auf Basis eines richterlichen Beschlusses den Strafverfolgungsbehörden herausgeben.

FPÖ: Die FPÖ lehnt die Vorratsdatenspeicherung als unzulässigen Eingriff in die Bürger- und Freiheitsrechte ab. Regelungen, aufgrund derer anlasslos Kommunikationsdaten von Telefon, Internet, SMS und dergleichen zu speichern sind, werden auch in Zukunft nicht unsere Unterstützung erhalten.

Grüne: Nein. Die Vorratsdatenspeicherung ist eindeutig verfassungswidrig. Hier werden Bürger anlasslos unter Generalverdacht gestellt. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft haben die Grünen erfolgreich dagegen geklagt.

NEOS: Die Vorratsdatenspeicherung wurde vom VfGH als „anlasslose Massenüberwachung“ für verfassungswidrig erkannt. Eine ausgewogene, verfassungskonforme Alternative kann ein Quick Freeze-Modell sein, in dem auf richterliche Genehmigung und nur im Anlassfall kurzzeitig gespeichert wird. Dieses Modell ist für uns gangbar, sofern seine Grenzen, Dauer und der Rechtsschutz hinreichend determiniert ist, der Richtervorbehalt durchgehend gilt und Betroffene in jedem Fall im Nachhinein benachrichtigt werden.

KPÖ Plus: Nein. Wir haben die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung gefordert und sehen uns durch das Urteil des Verfassungsgerichtshofs darin bestätigt. Eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist mit Grundrechten nicht vereinbar und stellt uns alle unter Generalverdacht.

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SPÖ: Nein. Sensible Daten sollen laut Entwurf an Privatpersonen weitergegeben werden, weiters sieht der vorliegende Entwurf keinerlei demokratische Legitimierung dieser sogenannten Sicherheitsforen vor. Auch spezifische richterliche Kontrolle ist hier nicht geregelt. Wir sehen hier eine Privatisierung polizeilicher Aufgaben, die wir explizit ablehnen.

ÖVP: Eine Weitergabe an Bürgerwehren ist nicht vorgehen, stattdessen aber an regionale Sicherheitsforen, wie etwa eine Hausgemeinschaft. Das soll dazu dienen, in Anlassfällen Betroffene einzubinden und entsprechende präventive Maßnahmen zu setzen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, dass es sich dabei nicht um Polizeidaten, sondern nur um bereits öffentlich bekannte Informationen handelt.

FPÖ: Den „Informationsaustausch im Sicherheitsforum“, also die Weitergabe von Daten von Sicherheitsbehörden an Private, so wie im Ministerialentwurf zum Sicherheitspolizeigesetz vorgesehen, sehen wir kritisch.

Grüne: Nein. Polizeiliche Daten sind ein sehr sensibles Gut. Der Datenschutz muss hierbei besonders groß sein. Die Weitergabe an Zivilpersonen ist zu fahrlässig.

NEOS: Keinesfalls. Das Gewaltmonopol des Staates muss in aller Konsequenz gelten und darf in keiner Weise untergraben werden. Alles andere fällt in den Bereich der wichtigen und fördernswerten Zivilcourage. Anstiftung zur Bespitzelung, Vernaderung und Argwohn ist ein vollkommen falscher Weg, der Unsicherheit suggeriert, wo keine ist. Bürgerwehren auch noch personenbezogene Daten zur Verfügung zu stellen, öffnet Missbrauch Tür und Tor und kann weder im Interesse des Staates noch der Bevölkerung sein.

KPÖ Plus: Nein. Die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben an private Unternehmen oder Bürgerwehren und andere private Initiativen lehnen wir ab.

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SPÖ:Eine Neuregelung in diesem Bereich ist sicherlich notwendig. Die Polizei braucht zeitgemäße Instrumente und Methoden, um Verdächtige schwerer Straftaten (organisierte Kriminalität, Terrorismus) unter richterlicher Kontrolle effizient überwachen zu können. Im Moment ist dies bereits bei herkömmlichen Telefonaten und SMS möglich. Sicherheit und Schutz vor Terrorismus ist wichtig und notwendig und das mit den modernsten Maßnahmen. Grundrechte und Datenschutz der Bürger dürfen aber keineswegs unter dieser Neuregelung leiden.

ÖVP: Die Möglichkeiten von Polizei und Justiz müssen mit dem technologischen Fortschritt mithalten können. Dies ist leider derzeit einfach nicht der Fall, wie etwa ein Beispiel aus der Praxis zeigt: Die aktuelle Gesetzeslage erlaubt etwa die übliche Telefonüberwachung. Einmal durch den Richter genehmigt, kann die Kommunikation also überwacht werden - Telefonie wie auch den SMS-Verkehr. Diese Art der Überwachung bietet aber große Schlupflöcher, weil sich die strafrechtlich relevante Kommunikation auf Kanäle wie WhatsApp und co. verlagert. Damit sind den Ermittlungsbehörden die Hände gebunden, denn WhatsApp ist ein im Rahmen der derzeitigen Gesetzeslage unüberwachbarer Kommunikationskanal, ganz gleich welche kriminellen oder sogar terroristischen Taten dort geplant oder nicht geplant werden. Diese Lücken gilt es im Sinne der Sicherheit der Bevölkerung mit einem maßvollen aber notwendigen Bündel an aufeinander aufbauenden Maßnahmen zu schließen.

FPÖ: Jedes Jahr werden mit der Begründung der Terrorismusbekämpfung neue Überwachungsmethoden geschaffen, die in die Grundrechte jedes Bürgers massiv eingreifen. Ist der Fuß erst einmal in dieser Tür, wird sie aufgedrückt und letztlich jeder unter Generalverdacht gestellt. Uns ist bewusst, dass die Polizei mit Terroristen „mithalten“ können muss und dafür braucht es ein geeignetes Rüstzeug. Die FPÖ fordert daher ein Gleichgewicht zwischen effizienter Strafverfolgung und den Rechten der Bürger sowie einen umfassenden Rechtschutz.

Grüne: Nein. Polizeiliche Daten sind ein sehr sensibles Gut. Der Datenschutz muss hierbei besonders groß sein. Die Weitergabe an Zivilpersonen ist zu fahrlässig.

NEOS: Wir brauchen keine weiteren Überwachungsmaßnahmen. Was wir brauchen ist eine Überwachungsgesamtrechnung, in der erst einmal evaluiert wird, welche Überwachungsmaßnahmen wie oft eingesetzt werden und welchen Beitrag sie zur Sicherheit leisten. Österreich ist faktisch ein sicheres Land. Eine bessere Vernetzung der europäischen Geheimdienste und Polizeibehörden, mehr Polizist auf der Straße und in den Wachzimmern, sowie soziale Maßnahmen würden mehr zu Sicherheit und Ordnung beitragen, als Kameras und Spionagesoftware.

KPÖ Plus: Wir brauchen keine neuen Sicherheits- oder Überwachungspakete. Unter dem Schlagwort der „Sicherheitspolitik“ läuft ein europaweiter Prozess der Totalüberwachung von uns allen ab, die letztlich den gläsernen Menschen zum Ziel hat und nie dagewesenen Missbrauch von Daten und Manipulation von Bedürfnissen ermöglicht. Die Entwicklung zum Überwachungsstaat muss gestoppt werden.

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Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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