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Selbstfahrend

Streit um Roboterautogesetz in Deutschland

Das selbstfahrende Roboterauto auf Deutschlands Straßen stößt nicht nur auf technische Hürden. Den Gesetzentwurf von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) für das automatisierte Fahren finden Rechtsexperten bei Versicherungswirtschaft, ADAC und Verbraucherschützern in Teilen zu wolkig. Der Grund: Die Fachleute fürchten, dass rechtliche Unklarheiten nach Autounfällen zu langwierigen Streitigkeiten ums Geld führen könnten - wer soll zahlen, wenn ein teilautomatisiertes Auto in einen Unfall verwickelt ist?In der Kfz-Haftpflicht gilt eine einfache Regel: Der Halter haftet, im Falle eines Falles zahlt seine Versicherung. Ein wesentliches Prinzip dabei ist die sogenannte Gefährderhaftung. Wer eine potenziell gefährliche Maschine betreibt, muss für Schäden haften, auch wenn er selbst an einem Unfall nicht unmittelbar beteiligt war.

An diesem Prinzip hält Dobrindts Gesetzentwurf fest - und das finden sowohl die Versicherungsbranche als auch der ADAC richtig. „Das eigentliche finanzielle Risiko tragen somit die Versicherer“, sagt Joachim Müller, Chef der Allianz Versicherungs AG. „Und wenn Schäden zunehmen, weil die Systeme der Hersteller nicht wie versprochen funktionieren, werden wir die Hersteller in die Verantwortung nehmen.“ Denn es gibt auch eine Produkthaftung der Hersteller für technische Defekte. Die knifflige Frage beim automatisierten Fahren: Wie lässt sich die Haftung zuordnen, wenn manchmal der Fahrer und manchmal der Computer fährt? och der Teufel steckt im Detail: „Der Gesetzentwurf ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt ADAC-Jurist Markus Schäpe. „Allerdings werden an einigen Stellen viel zu weiche Rechtsbegriffe verwendet. So heißt es zum Beispiel, der Fahrer solle “unverzüglich„ wieder die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen - ohne nähere Definition von “unverzüglich„.“

Schuldfrage

Die Unfallforscher der Versicherer haben die Reaktionszeiten der Autofahrer in einer Studie untersucht - demnach kann es 15 Sekunden dauern, bis der Fahrer eines automatisierten Autos die Kontrolle wieder voll übernommen hat. Doch der Teufel steckt im Detail: Ebenfalls unklar: Der Fahrer soll laut Dobrindt-Gesetz die Steuerung übernehmen, wenn er „aufgrund offensichtlicher Umstände“ erkennen muss, dass der Computer gegen die Verkehrsregeln verstößt oder nicht bestimmungsgemäß funktioniert. Doch „offensichtlich“ lässt einen weiten Interpretationsspielraum zu. Der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GdV) warnt, dass die Formulierung „zu Unklarheiten führen und sich in anschließenden Rechtsstreitigkeiten zulasten des Verkehrsopfers“ auswirken werde.

Das sieht der Verband der Tüv - der Dachverband der Tüv-Gesellschaften - ganz ähnlich: „Wir sehen Bedarf an einer rechts- und gerichtssicheren Konkretisierung der Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen dem Fahrer und dem System, das hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktionen ermöglicht“, sagt Sprecher Johannes Näumann. Ein weiterer Kritikpunkt: „Nach dem Gesetzentwurf ist außerdem derjenige, der am Steuer sitzt, als der Fahrer definiert, auch wenn er das Fahrzeug gar nicht steuert. Dabei bleibt ungeklärt, was der Fahrer alles darf, wenn das Auto selbst fährt - etwa mit dem Handy telefonieren oder Zeitung lesen“, sagt ADAC-Jurist Schäpe.

Frist

Nach diesen Kritikpunkten befragt, verweist das Ministerium lediglich auf das laufende „parlamentarische Verfahren“. Wegen des nahenden Endes der Wahlperiode muss die Änderung des Straßenverkehrsgesetzes spätestens bis zu den Sommerferien verabschiedet werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen merkt an, dass das teilautonome Fahren voraussichtlich nur ein Zwischenschritt zum vollautomatischen Wagen ist, der ganz ohne Fahrer auskommt - und sich deswegen auch das Haftungsrecht ändern sollte. „Bei der weiteren Automatisierung möchten wir die Hersteller stärker in die Verantwortung nehmen“, sagt Verkehrsexpertin Marion Jungbluth. „Wenn die Hersteller in der Gefährdungshaftung sind, müssen sie die Sicherheit ihrer Produkte erhöhen.“ Den von den Versicherern favorisierten Weg der Regressklagen gegen die Hersteller hält Jungbluth für suboptimal, weil das die Kfz-Haftpflicht teurer machen könnte: „Das ist ein zusätzlicher Aufwand, der bezahlt werden muss.“

Allianz-Sachversicherungschef Müller sieht dagegen keinen Änderungsbedarf: „Es ist für mich kaum denkbar, dass das Verkehrsopfer künftig einem Hersteller das Versagen seines Produktes nachweisen müsste, um seinen Schaden nach einem Unfall ersetzt zu bekommen.“ Müller nennt ein Beispiel: „Stellen Sie sich beispielsweise vor, Ihr Parkassistent parkt das Fahrzeug nicht wie gewünscht in der Parklücke, sondern fährt gegen ein anderes Fahrzeug. Könnten Sie dem Fahrzeughersteller beweisen, dass Sie keine Schuld haben?“ Auch der ADAC macht geltend, dass dann ein einzelner Autobesitzer gegen einen großen Konzern vor Gericht zu Felde ziehen müsste. „Diesen Aufwand sollte man niemandem zumuten“, sagt Schäpe.

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