Faraday FF 91: Selbstfahrender Elektro-SUV mit 1050 PS
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Mehr Gäste als es Sitzplätze in der Halle gibt, euphorische Mitarbeiter, die nach jedem zweiten Satz des Bühnenredners lautstark jubeln und Synthesizer-Musik, die futuristisch klingen soll, aber eher Assoziationen zur Netflix-Serie Stranger Things erweckte: Obwohl das Start-up Faraday erst zum zweiten Mal eine große Enthüllungsshow machte, hatte sie alle Elemente einer typischen Pressekonferenz von Technologieunternehmen wie Apple, Sony, Microsoft und Samsung.
Dabei will Faraday doch anders und innovativ sein. Bei der Weltpremiere des ersten Serien-Elektroautos des US-Start-ups wurde gesagt, dass man das Spiel ändern, die Zukunft reformieren werde und dass jetzt eine neue Ära der Mobilität anbreche. Dazwischen wurden Buzzwords eingeworfen, wie Disruption, Umweltschutz, Connected Car und Ökosystem. Immerhin hat man auf „amazing“ und „magical“ verzichtet.
FF 91
Verzichtet wird auch auf Bescheidenheit. Mit seiner Vorstellung sieht sich Faraday auf einer Stufe mit Visionären und Erfindern wie Nikola Tesla, Karl Benz, Alan Turing und Tim Bernes Lee. Denn bei dem erstmals gezeigtem FF 91 handle es sich nicht bloß um ein Auto, sondern um „das Erste einer neuen Spezies“ und um ein „connected Ökosystem“.
Die Basis für dieses Ökosystem ist ein Elektro-Crossover bzw. ein flacher SUV. Auch wenn man es dem FF 91 nicht ansieht, ist er laut Faraday derzeit das schnellste Serienfahrzeug der Welt. Von 0 auf 100 km/h braucht er nur 2,39 Sekunden. Die Maximalleistung beträgt 783 kW, was 1050 PS entspricht. Als Beweis für die Beschleunigung rasten die Autos über die Bühne, die Faraday schon zuvor in einem Video gegen den FF 91 antreten hat lassen. Unter diesen Nicht-Idealbedingungen schaffte der FF 91 die 0 auf 100 in 2,59 Sekunden – der Tesla Model S P100D brauchte 2,60 Sekunden. Ferrari und Bentley waren weit abgeschlagen.
Die Batterie ist 130 Kwh groß, wodurch eine Reichweite von 378 Meilen bzw. über 700 Kilometern möglich ist. Die Batterie wurde zusammen mit LG entwickelt. Der FF 91 hat ein offenes Ladesystem, wodurch er laut Faraday mit jedem Schnelllader kompatibel sein soll. Mit dem richtigen Ladegerät könnten in einer Stunde Strom für 500 Meilen geladen werden. Mit dem Home Charger für 240 Volt dauert es etwas länger: Von 50 Prozent zu voll dauert es 4,5 Stunden.
Angepasste Leistung
Zudem soll der FF 91 mit der Zeit lernen, wie der User gerade fahren will und die Leistung entsprechend anpassen. „Wir entwickeln dieses Feature sehr vorsichtig“, sagt Hong Bae, Director für autonomes Fahren bei Faraday: „denn die Sicherheit der Daten des Users und dessen Gesundheit sind unsere Priorität.“
LIDAR und Parkplatzsuche
Den Allwetter-Assistenten konnte Faraday nicht präsentieren, dafür wurde aber die Einpark-Funktion des FF 91 gezeigt. Der Fahrer stieg aus und gibt per App den Befehl, dass der FF 91 einen Parkplatz suchen sollte. Während der Fahrer unterwegs zur Bühne war, fuhr der FF 91 die Reihen des Parkplatzes ab und parkte schließlich rückwärts ein – zwar nicht in einem Zug, dafür aber sehr mittig. Ist der FF 91 eingeparkt, schickt er die Erfolgsmeldung an das Smartphone des Fahrers. Nachher kann das Auto per App-Befehl vorfahren, um den Besitzer abzuholen. Beides ist aber keine Faraday-Innovation: BMW und andere Hersteller arbeiten seit geraumer Zeit an diesen Funktionen und haben schon parkplatzsuchende Prototypen gezeigt.
Autoindustrie zerlegen
Man werde das komplette Spiel verändern, denn „wir müssen die Autoindustrie komplett umwerfen, zerlegen und neu aufbauen, so wie sie schon immer hätte sein sollen: unabhängig von fossilen Brennstoffen.“ Und schließlich: „Disruption ist das, was die Welt braucht“ und „wir sehen im FF 91 kein Auto, sondern das Erste einer neuen Spezies.“
Gesichtserkennung
Auch im Auto sind Kameras, um Fahrer und Passagiere zu erkennen. Sitze und Klimaanlage stellen sich automatisch auf die Benutzer ein und jeder User bekommt auf den Bildschirmen das zu hören oder sehen, was ihm am liebsten ist. Dazu gehören Musik und Filme oder Serien, die vorher noch am TV zuhause oder am Smartphone angehört bzw. angeschaut wurden. Faraday nennt das connected Ökosystem.
Damit das Ökosystem auch auf der Straße "connected" bleibt, hat der FF 91 zwei LTE-Antennen eingebaut. Per WLAN-Modul wird der FF 91 zum fahrenden Hotspot, wodurch auch die Gadgets der Insassen online bleiben.
Statt klassischer Seitenspiegel gibt es Kameras. Der Rückspiegel ist ein Display, das die Live-Bilder der zwei Seitenkameras mit dem der Rückkamera für ein durchgehendes Bild kombiniert. Für Sicherheit sollen auch die Licht-Seitenleisten und -rückleiste sorgen. Durch Signale zeigen diese an, dass ein User oder seine App-Befehle erkannt wurden und ob sich der FF 91 in einem autonomen Fahrmodus befindet.
Später Start und scheuer FF 91
Besonders peinlich für Faraday war, als der FF 91 nicht autonom fahren wollte, als er den Befehl des Hauptinvestors Jia Yueting, Milliardär, CEO und Gründer des chinesischen Unternehmens LeEco, dafür bekam. Erst beim zweiten Versuch, nach fünfminütiger Pause und bei gedimmten Licht und Synthesizer-Musik, rollte der FF 91 schließlich die 15 Meter in Schritttempo zur Mitte der Bühne. Yueting fand den FF 91 trotzdem „very very cool“.
Ab 2018
Laut mehreren Berichten zufolge, die in den vergangenen Monaten durch die Medien gingen, dürfte es Faraday nicht ganz so gut gehen. Mehrere hochrangige Manager haben das Start-up verlassen, laut der Website gibt es immer noch keinen CEO. Zudem soll Faraday Geldprobleme haben, was zum Streit mit einigen Lieferanten und Verzögerungen beim Bau der Autofabrik in Las Vegas geführt haben soll.
Nick Sampson, Senior Vice President von Faradays Entwicklungsabteilung, sagte dazu zum Schluss der Veranstaltung: „An alle Zweifler und Nörgler: Wir werden bestehen. Wir werden weitermachen.“
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