"OpenStreetMap macht süchtig"
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr!
Frei nutzbare Geodaten haben viele Vorteile. So können Kartenausschnitte von Internet-Nutzern kostenlos auf ihren privaten Websites eingebaut, oder auf Einladungen für die nächste Party gedruckt werden. Auch Ladenbesitzer können die freie Karte nutzen, um den Weg zu ihrem Geschäft darzustellen. Nur die Quelle der Daten muss dabei angegeben werden. OpenStreetMap heißt das Projekt, das vom Londoner Informatiker Steve Coast 2004 gegründet wurde. Mittlerweile gibt es 419.000 registrierte Nutzer und mehr als 2,3 Milliarden eingetragene GPS-Punkte.
Seit Oktober letzten Jahres sind außerdem Ausschnitte aus der freien Karte in der deutschsprachigen Wikipedia zu finden. Zudem basieren viele Karten, die Menschen via Smartphone nutzen, auf OpenStreetMap-Basis. So setzt etwa auch die Wiener Linien-App Quando auf das Projekt. Auch Microsoft hat das Potential des freien Kartendienstes erkannt und unterstützt OpenStreetMap mit Luftbildern und Services. Bei Bing Maps gibt es zudem einen eigenen OpenStreetMap-Layer. Die futurezone traf den Gründer zum Gespräch.
Sie haben den freien Kartendienst OpenStreetMap 2004 gegründet. Was war dabei Ihre Motivation?Ich wollte einfach eine lokale Karte von meiner Umgebung. Ich hatte ein GPS-Gerät und einen Laptop. Für mich war es nahe liegend, damit eine Software zu schreiben, um eine Karte zu bauen. Ich bin also mit meinem GPS-Gerät durch die Gegend gestreunt und habe GPS-Punkte gesammelt, diese mit Meta-Daten wie Straßennamen verknüpft und in meine Kartensoftware eingepflegt.
Das heißt am Anfang gab es nur Sie. Wie ist das Projekt gewachsen?Ich habe auf vielen Konferenzen darüber berichtet und habe begonnen, sogenannte "Mapping Partys" zu organisieren. Dort habe ich den Nutzern gezeigt, wie man GPS-Geräte verwendet und die Daten einpflegt. Plötzlich haben auch andere Leute damit begonnen und so hat sich das Projekt ausgebreitet.
Jetzt gibt es bereits 419.000 registrierte Nutzer, die an OpenStreetMap mitwirken. Warum wurde das Crowsourcing-Projekt so ein großer Erfolg?OpenStreetMap macht süchtig. Wenn man damit beginnt, Daten hinzuzufügen, will man am liebsten auch gleich den Rest korrigieren. Zuerst fügt man nur ein kleines Stück hinzu, dann verbringt man immer mehr Zeit damit und sieht die Kartenlandschaft wachsen. Das motiviert ungemein.
Die OpenStreetMap-Datenbank besteht aus mehr als 2,3 Milliarden GPS-Punkten. Gibt es eigentlich Regionen oder Länder, die noch nicht abgedeckt sind?Bis auf die Antarktis gibt es keine. Aber unsere Karten sind natürlich nur so gut wie unsere Volontäre. Wo es viele Freiwillige gibt, gibt es gute Karten.Am Land oder in Ländern mit niedrigem Einkommen und wenig Freizeit sind die Karten schlechter als beispielsweise in westlichen Ländern wie Österreich, Deutschland oder England.
Ich denke, es ist aber wie bei Wikipedia. Anfangs gab es dort sehr gute Artikel über Computerthemen oder Mathematik, aber wenig über Kunst. Mit einer wachsenden Gemeinschaft wurden diese Lücken rasch geschlossen. Das ist es auch, was mit OpenStreetMap passiert.
Wie wichtig war die Integration von OpenStreetMap-Daten in die Wikipedia?Wikipedia ist ein großartiges Service und unsere Daten sind für das Projekt von großem Nutzen. Wo sonst bekommt ein derartiges Projekt freie Kartendaten her. Für uns hat die Integration in Punkto Aufmerksamkeit zwar viel gebracht, aber es sind dadurch nur wenig neue Mapper dazu gestoßen.
OpenStreetMap-Daten sind derzeit unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-SA 2.0 verfügbar. Diese soll in eine Open Database-Lizenz geändert werden. Was ist der Grund dafür?Die Creative Commons-Lizenz ist eine eigentlich exzellente Lizenz, jedoch ist sie für kreative Werke gedacht und nicht für eine Sammlung von Fakten. In vielen Ländern schützt sie unsere Daten nicht. Die neue Lizenz ändert dies, verändert aber unsere Ziele nicht. Jeder kann die Karte und die Daten nutzen - man muss nur angeben, woher man die Daten hat - und man muss die Änderungen an das Projekt zurückgeben.
Zu diesem Thema ist ja auch eine Nutzerbefragung im Gang. Wie ist die Stimmung unter den Nutzern?Die große Mehrheit steht dem Wechsel positiv gegenüber. Aber, wie bei jedem Freiwilligen-Computer-Projekt, gibt es eine kleine Gruppe, der man es prinzipiell nicht recht machen kann. Wir versuchen jetzt deren Bedenken auszuräumen, denn wir nehmen jede Meinung ernst.
Seit November letzten Jahres gibt es eine Kooperation zwischen OpenStreetMap und Microsoft. Was ist das Hauptziel?Ich arbeite seit knapp acht Monaten bei Microsoft als Principal Architect bei Bing Mobile. In meinem Team unterstützen wir die Innovation, die von OpenStreetMap ausgeht und versuchen, dem Projekt dabei zu helfen, weiter zu wachsen.
Microsoft hat OpenStreetMap beispielsweise Luftbilder zur Verfügung gestellt. Diese haben das Projekt wirklich weiter gebracht, weil die Leute dadurch viel einfacher Karten editieren konnten und zwar auch ohne GPS-Signal und ohne das Haus zu verlassen. Das war eines der größten und wertvollsten Geschenke von Microsoft an OpenStreetMap.
Abgesehen davon hat Microsoft auch ein Tool namens DetectRoad für OpenStreetMap entwickelt. Damit ist es möglich, zwei Punkte miteinander zu verbinden und eine Straße dazwischen einzuzeichnen.
Was hat Microsoft von dieser Kooperation?Vor allem viel Aufmerksamkeit - und sie sind außerdem Unterstützer eines innovativen Projekts.
Ist OpenStreetMap nicht in gewisser Weise eine Konkurrenz für Bing Maps?Ich würde es nicht Konkurrenz nennen. In der Vergangenheit haben Leute vielleicht nur eine Karte verwendet, aber in der Zukunft wird es viele verschiedene Karten geben. Man hat eine zum Auto fahren, eine zum Wandern und eine zum Radfahren. Nicht jede Karte ist auf jedem Gebiet gleich gut. Welche Karten wir in Zukunft verwenden werden, ist noch unklar. In diesem Feld gibt es im Moment noch sehr viel Innovation.
Was für Projekte sind noch gemeinsam mit Microsoft geplant?Als nächstes kommt ein Editor für Windows Phone 7-Smartphones. Damit können Nutzer Points Of Interest via Windows-Smartphone einzeichnen.
Zeichnen Sie eigentlich selbst auch noch ab und zu Punkte auf der Karte ein?Auf jeden Fall.
Zur Person:Steve Coast studierte Informatik am University College London. 2004 gründete er den freien Kartendienst OpenStreetMap sowie CloudMade. Vor knapp acht Monaten begann er bei Microsoft als Principal Architect im Bereich Bing Mobile zu arbeiten.
Coast war letzten Freitag anlässlich der "1st European State of the Map Europe Conference" in Wien zu Gast. Dort hielt er die Keynote. Die Konferenz dauerte bis Sonntag. Am Donnerstag diskutierte Coast zudem mit lokalen OpenStreetMap-Vertretern bei der quintessenz.
OSM in Österreich:OpenStreetMap ist in Österreich sehr verbreitet. Es gibt etwa 1.100 aktive Nutzer, die insgesamt mehr als elf Millionen GPS-Punkte und eine Million Straßen eingezeichnet haben.
In einem zweiten Teil der Serie wird futurezone.at zwei neue OpenStreetMap-Projekte für Österreich vorstellen.
Kommentare