In London kann man seit Sonntag in den Bussen nur noch ohne Bargeld zahlen.
In London kann man seit Sonntag in den Bussen nur noch ohne Bargeld zahlen.
© Transport of London

Kontaktlos

Zahlen mit Bargeld in Londoner Bussen abgeschafft

Beim Busfahrer ein Ticket kaufen ist in London ab sofort nicht mehr möglich. Stattdessen muss man entweder einen elektronischen Fahrausweis, die sogenannte „Oyster Card“ besitzen, oder aber man zahlt mit seiner Bankomat- oder Kreditkarte mit integrierter NFC-Funktion.

In London wird die kontaktlose Prepaid-Karte „Oyster Card“ rund acht Millionen Mal täglich benutzt. Sie muss mit einem Guthaben aufgeladen werden. Wer nicht genug Geld draufgeladen hat, kann zumindest eine einzige Busfahrt tätigen, ohne dafür zu zahlen. Das „One More Journey“-System wurde extra für diesen Zweck eingeführt.

Oyster Card für Touristen

Auch wer zu einem Städtetrip nach London reist, ist von der Abschaffung des Bargelds in Bussen betroffen. Als erstes sollten sich London-Reisende daher die sogenannte „Visitor Oyster“-Card zulegen, sofern sie über keine NFC-Bankomat- oder Kreditkarte verfügen. Die NFC-Bankomatkarten sind in Österreich bereits weit verbreitet und funktionieren auch in Großbritannien. Sie können aber derzeit ausschließlich in den Bussen zum Zahlen benutzt werden (das soll im Laufe des Jahres aber noch ausgeweitet werden). Wer auch die U-Bahn benutzen möchte, sollte derzeit noch auf die „Oyster Card“ setzen. Laut dem Betreiber Transport for London (TfL) wird diese Karte bereits seit längerem von „einem Großteil der Besucher“ genutzt.

TfL will durch die Abschaffung des Bargelds in Bussen jährlich 24 Millionen Pfund (30,3 Millionen Euro) einsparen. Das Geld soll in Folge in die Verbesserung des Netzwerks gesteckt werden. Laut Angaben des Betreibers wurden vor der Abschaffung der Bargeld-Bezahlung nur noch 0,7 Prozent aller Fahrten bar bezahlt. Vor 25 Jahren war es 25 Prozent.

Card Clash als Problem

Doch was passiert, wenn die Zahlung im Bus nicht funktioniert? Ganz problemfrei ist die Technik dahinter nämlich nicht: Ein Problem ist beispielsweise der sogenannte „Card Clash“. Das bedeutet, dass das System nicht mehr weiß, welche kontaktlose Karte es zum Abrechnen heranziehen soll. Früher war die „Oyster Card“ die einzige kontaktlose Karte im Geldbörsel, heutzutage kommen noch eine NFC-Kreditkarte oder eine NFC-Bankomatkarte oder kontaktlose Zutrittssystemkarten für die Firma oder Schule hinzu. Auch diese Karten stecken im Geldbörsel – und daher reicht es nicht mehr, einfach das ganze Börserl an den gelben NFC-Reader zu halten.

In so einem Fall könnte der Betrag etwa von der NFC-Bankomatkarte abgebucht werden, obwohl die „Oyster Card“ mit ausreichend Guthaben aufgeladen war, oder aber es wird der maximal mögliche Tarif abgerechnet, weil die eine Karte („Oyster Card“) zum „Einchecken“ verwendet wurde, das „Auschecken“ erfolgte aber mit der anderen Karte (etwa einer kontaktlosen Visa-Kreditkarte).

Lösungsmöglichkeiten

Um diesen „Card Clash“ zu vermeiden, gibt es keine wirklich „bequeme“ Lösung für den Nutzer, sondern die Lösung ist immer mit Einbußen verbunden. Entweder muss man die „Oyster Card“ gezielt aus dem Geldbörsel rausnehmen und hinhalten, oder man muss für die „Oyster Card“ ein eigenes Wallet anschaffen, oder man muss die anderen Karten mit Kontaktlos-Funktion in eine sogenannte Schutzhülle stecken, was dazu führt, dass man an der Supermarkt-Kassa oder in der Bäckerei die Karte nicht nur aus dem Börserl ziehen muss, sondern auch noch zusätzlich aus der Schutzhülle. Das Problem des „Card Clashs“ wird in Zukunft mit weiterer Verbreitung von kontaktlosen Karten noch weiter zunehmen.

Ein weiteres Problem beim bargelosen Busfahren haben auch die Grünen im Londoner Stadtparlament geortet: Wie eine parlamentarische Anfrage ergeben hat, werden täglich rund 2100 „Oyster Cards“ verloren, gestohlen oder als funktionsunfähig gemeldet. „Die Frage, ob und wie die Betroffenen reisen dürfen, ist ungelöst“, so Darren Johnson von den Grünen. „Unsere Busfahrer haben neue Richtlinien über den Umgang mit Reisenden, die Hilfe brauchen“, sagt TfL dazu – allerdings ohne weitere Ausführungen. Ältere Personen werden, anders als vielleicht angenommen, hingegen wenig Probleme mit dem bargeldlosen Zahlen haben, denn sie verfügen großteils über kostenlos Buspässe oder sind es bereits gewohnt, bargeldlos zu zahlen.

Kritik

Der Schritt von Londons Transportunternehmen ist auf jeden Fall bahnbrechend, weil es das erste Mal ist, dass man der Öffentlichkeit in Großbritannien das Zahlen mit Bargeld in einem öffentlichen Verkehrsmittel verbietet. Es ist der erste Schritt in eine bargeldlose Gesellschaft, die nicht von allen für gutgeheißen wird. Schließlich ist Bargeld ein anonymes Zahlungsmittel und mit den kontaktlosen Karten wird die Strecke, die man zurücklegt, mitgetrackt. Es wird einem die Möglichkeit genommen, sich anonym mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen.

In Wien zahlt man im Bus übrigens weiterhin beim Fahrer. Wie die Wiener Linien auf Anfrage mitgeteilt haben, sei es nicht geplant, diese Regelung bald zu ändern. „Auch die neuen Busse, die wir angeschafft haben, verfügen über keine Ticket-Automaten. Gezahlt wird weiterhin beim Fahrer.“

Hat dir der Artikel gefallen? Jetzt teilen!

Barbara Wimmer

shroombab

Preisgekrönte Journalistin, Autorin und Vortragende. Seit November 2010 bei der Kurier-Futurezone. Schreibt und spricht über Netzpolitik, Datenschutz, Algorithmen, Künstliche Intelligenz, Social Media, Digitales und alles, was (vermeintlich) smart ist.

mehr lesen
Barbara Wimmer

Kommentare