© Stefano Rellandini, Reuters

Chatprotokoll

AnonAustria: "Polizei versteht Internet nicht"

Die Hintergründe hinsichtlich der Hausdurchsuchung sind noch einigermaßen unklar. Laut den Protokollen, die von AnonAustria auf Twitter veröffentlicht wurden, sei eine Person verhört worden, bei der die Ermittler von zahlreichen Übereinstimmungen zwischen dem unbekannten Täter "Dude" und der verhörten Person ausgingen. Neben Fragen zur politischen Gesinnung wurde die Person auch zu Anonymisierungsdiensten oder Programmen für Computerangriffe befragt. "The_Dude" wird laut Protokoll zudem vorgeworfen, in den Chatrooms von AnonAustria Aussagen wie "Heilt eurem (sic!) Führer", "Für Grossösterreich" und "Ich bin der Führer!" getätigt zu haben.

Der Journalistin Sarah Kriesche ist es gelungen, "The_Dude" in einem der besagten Anonymous-Chatrooms aufzuspüren und ihn für die futurezone zu den Vorwürfen zu befragen. Im Chat wirft der AnonAustria-Aktivist der Polizei Unwissenheit beim Thema Internet vor und kündigt weitere Protestaktionen gegen ACTA und die Vorratsdatenspeicherung an.

Haben die Ermittler den richtigen "Dude" erwischt, sprich: fand tatsächlich eine Hausdurchsuchung bei dir statt?
Natürlich nicht, sonst wäre ich vermutlich nicht mehr hier und hätte die Tweets mit dem Protokoll und dem Durchsuchungsbefehl auch nicht selber schreiben können. Nach unserem bisherigen Wissen, haben sie die betroffene Person eher nach dem Zufallsprinzip ausgesucht, anstatt ordentlich zu ermitteln.

Du betreibst also den Twitter-Account @AnonAustria, der inzwischen über 17.000 Follower hat. Was sind deine anderen Tätigkeitsbereiche?
Ich sehe mich als Allrounder, ich bin nicht auf eine Aufgabe spezialisiert. Vom Betrieb der Infrastruktur bis zu Kontakten mit den Medien mache ich alles, wofür ich gerade Zeit habe.

Gegen dich steht der Vorwurf der Verhetzung im Raum. Wie würdest du selbst deine politische Gesinnung bezeichnen?
Ich ordne mich keinem politischen Lager zu und ich lehne sowohl rechts- als auch linksextreme Strömungen besonders ab. Den Vorwurf wegen Verhetzung sehe ich nur als Vorwand. Für die Behörden bin ich vor allem interessant, weil ich Zugang zum Twitter-Account habe. Dieser ist ihnen ein Dorn im Auge und sie versuchen natürlich, ihn zum Schweigen zu bringen. Die Ermittlungsbehörden greifen auf ein paar unbedachte und völlig aus dem Zusammenhang gerissene Äußerungen zurück, da sie sonst nichts gegen mich in der Hand haben.

Die von euch abgefangenen Mails zeigen, dass die Polizei Informationen über dich sammelt und im Hintergrund ihre Arbeit erledigt. Dass sie Hinweisen nachgehen und versuchen euch zu finden, verwundert dich jetzt nicht tatsächlich, oder?
Natürlich machen sie nur ihren Job, aber es fehlt ihnen eindeutig das Verständnis dafür, was Anonymous ist und wie wir funktionieren. Das können sie auch nicht durch irgendwelche selbsternannten "Experten" ausgleichen. Dass sie nach jedem noch so kleinen Strohhalm greifen, zeigt, wie verzweifelt sie sind - und macht sie angreifbar.

Was versteht die Polizei an Anonymous nicht, wo hakt es deiner Meinung nach?
Die Ermittler verstehen Anonymous nicht, weil sie das Internet nicht verstehen. Es ist einfach zu komplex um es in einem "Seminar für Cyberpolizisten" zu erklären, man muss es leben. Sie beschäftigen sich nicht damit, weil es sie interessiert sondern weil sie es müssen. Dadurch werden wir ihnen immer überlegen sein.

Das heißt, wenn es plötzlich an deiner Türe läutet erschreckst du nicht?
Ganz und gar nicht. Ich weiß, wie ich mich zu verhalten habe und gehe kein unnötiges Risiko ein. Außerdem bin ich über den derzeitigen Ermittlungsstand gut informiert und mache mir daher keinerlei Sorgen.

Du bist im Chat als The_Dude sehr leicht zu erreichen. Wurdest du jemals von Usern bezüglich deiner Aussagen angesprochen?
Um das klarzustellen, diese Zitate von mir sind zwar korrekt wiedergegeben und sehen natürlich nicht sehr vorteilhaft aus, wenn sie so für sich alleine dastehen. Kennt man jedoch die Konversationen, in denen sie gefallen sind, ist das alles eindeutig als Satire wahrzunehmen. Um zur Frage zurückzukommen: Nein, da hier jeder sieht, in welchem Kontext solche Aussagen fallen und wie sie gemeint sind (nämlich als Scherz, Satire oder Trolling), hatte noch niemand ein Problem damit. Um da nationalsozialistisches Gedankengut hineinzuinterpretieren muss man schon ... naja, das sag ich jetzt besser nicht...

Du sprichst damit den von euch veröffentlichten Mailwechsel zwischen einem "Informanten" und dem Innenministerium an, wo du als Anführer von AnonAustria gehandelt wirst.
Dass wir keine Anführer haben, sollte mittlerweile jedem klar sein. Anonymous baut nicht auf einer einzelnen Person auf - fällt jemand weg, nimmt ein anderer seinen Platz ein. Wäre ich also weg, würde es genauso weitergehen wie bisher, sogar die von mir zur Verfügung gestellte Infrastruktur bliebe erhalten, da für einen solchen Fall natürlich vorgesorgt ist. Ich sehe besonders diese Mail als Beleg, dass unsere gezielt im Chat gestreuten Fehlinformationen von unseren Gegnern mit Freude geschluckt werden.

Faktum scheint aber zu sein, dass du, respektive dein Nickname, stärker wahrgenommen werden.
Das hängt damit zusammen, dass ich aktiver bin als viele andere, mich viel um Neulinge kümmere, Infrastruktur zur Verfügung stelle und Administrationsrechte im IRC (Internet Relay Chat) habe und mich daher drum kümmere einen ordentlichen Chat-Betrieb aufrecht zu erhalten.

In dem von euch abgefangenen Mailverkehr wird auch "verraten", dass du gerne mit Userinnen flirten würdest, es ist auch vom Austausch von Nacktfotos die Rede.
Naja ich fühle mich geehrt, dass so viel Energie verschwendet wird, um falsche Informationen über mich herauszufinden. Ich würde mich wahrscheinlich schon über Nacktfotos unserer weiblichen Anhänger freuen, habe aber bis jetzt leider noch keine erhalten.

Wenn du die Nachrichten über AnonAustria liest, was sind deine Gedanken?
Leider liest man immer noch Worte wie "Hackergruppe", die selbst bei Berichten über den Paperstorm fallen. Das stört mich sehr, weil das nur ein kleiner Teil ist. Gut finde ich, dass die Menschen und vor allem die Medien, die von uns angestoßenen Themen dann auch aufgreifen und sich damit auseinandersetzen. Das zeigt, dass unsere Botschaft ankommt. Ich würde mir aber wünschen, dass die Journalisten sich auch die Zeit nehmen, etwas mehr zu recherchieren, anstatt einfach nur APA-Meldungen zu kopieren.

Die Arbeit als/mit/für Anonymous ist unbezahlt. Was motiviert dich?
Es ist schön Teil von etwas zu sein, wo man Dinge bewegen kann und auch ein Stück (Internet-)Geschichte schreibt. Menschen aus aller Welt schließen sich zusammen, um für die Rechte aller zu kämpfen, um den Mächtigen ihre Grenzen aufzuzeigen, um gemeinsam etwas zu verändern. Daran mitwirken zu können, ist für mich Motivation genug.

Was ist von euch in naher Zukunft geplant?
Wir werden weiterhin gegen ACTA und die Vorratsdatenspeicherung kämpfen. Wir versuchen die Freiheit des Internets zu erhalten, ob das gelingt wird sich zeigen. Sollte es jedoch jemals komplett unter die Kontrolle einiger weniger fallen, werden die User auf Alternativen zurückgreifen, die durchaus schon bestehen. Der Drang nach Freiheit lässt sich eine gewisse Zeit lang unterdrücken, diese Zeit ist vorüber, wir kämpfen nun für unsere Rechte und wir lassen uns nicht aufhalten.

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