Digital Life

Die dunkle Seite der Nerds

Nerds beschäftigen Johannes Grenzfurthner seit jeher. Nicht nur, dass er sich selbst dieser Spezies zurechnet, auch seine Arbeiten kreisen immer wieder um die obsessiven Sonderlinge, die in der Wikipedia als "an Spezialinteressen hängenden Menschen mit sozialen Defiziten" beschrieben werden.

In seinem Film "Traceroute" (2016) spürte Grenzfurthner, der seit mehr als 25 Jahren auch bei dem von ihm mitgregründeten Kunst-, Theorie- und Bastelkollektiv monochrom tätig ist, auf einem Roadtrip durch die Vereinigten Staaten UFOs, Verschwörungstheorien, Carl Sagan, George Romero und anderen Säulenheiligen des Nerdtums nach."Ich habe versucht, die positiven, interessanten Dinge des Nerd-Lebens hervorzuholen", sagt Grenzfurthner. Sein vor kurzem fertiggestelltes jüngstes Werk, der Horrofilm "Masking Threshold", geht in die entgegengesetzte Richtung.

Mit dem Tinnitus in den Abgrund

Ein namenloser Protoganist versucht in einer dunklen Kammer einer Hörstörung, die ihn seit langem quält, Herr zu werden. Zunächst beginnt er streng wissenschaftlich mit Geräuschen und Gegenständen zu experimentieren, die in verstörenden Großaufnahmen von der Kamera eingefangen werden. Dabei wird es aber nicht bleiben. Was folgt, wird im Begleittext zum Trailer des Films als "endlose Ausblicke auf existenziellen Schmerz und Verfall" beschrieben.

Man ahnt es - Achtung Spoiler - es endet böse, sogar sehr böse. Für den Protagonisten, aber auch für andere Lebewesen, die ihren Weg in die dunkle Kammer des Nerds gefunden haben.

"Nerdkultur und Nerdsein hat was Obsessives, das sich Reinfressen in ein Thema. Das Problem ist, dass man Scheuklappen kriegt, die Welt wegblendet und nur noch in einer Makrovergrößerung nach Wahrheit sucht", sagt Grenzfurthner. "Man kennt sich bei einer Linuxdistribution aus oder ist Fan einer bestimmten Anime-Serie. Auf einmal dreht sich alles nur mehr darum."

Man könne Sachen allerdings auch obsessiv übertreiben und den falschen Pfad einschlagen, meint Grenzfurthner. Darum gehe es in seinem Film, "um die dunkle Seite der Nerds".

Szenenbild aus "Masking Threshold"

Parallelen, allerdings nur begrenzt, sieht er auch zu den Corona-"Querdenkern". "Viele Leute, auch in meinem Bekanntenkreis, sind auf einmal in so einen Verschwörungswahnsinn reingekippt", erzählt Grenzfurthner: "Das hat wohl auch mit dem Eingesperrtsein während der Pandemie zu tun. Sie haben nur mehr die Vergrößerungen gesehen und sind in was reingegangen, was gar nicht da ist."

Nerds zeichne im Gegensatz zu den Coronaleugnern das Vertrauen in die Wissenschaft aus: "Es gibt Experten, die dafür ausgebildet wurden, sich über Viren Gedanken zu machen. Ich kann das gar nicht wissen."

Szenenbild aus "Masking Threshold"

Mit Corona nichts zu tun

Auch wenn der Film ausschließlich in einem dunklen Raum spielt und Bilder der Außenwelt, wenn überhaupt, nur über Handybilder in die klaustrophobe Welt vordringen, habe er mit Corona nichts zu tun, sagt Grenzfurthner. Die Dreharbeiten seien zu Beginn der Pandemie bereits abgeschlossen gewesen.

Allerdings habe er während der Corona-Zeit über Zoom mit dem Schauspieler Ethan Haslam, der in einem Tonstudio in Los Angeles saß, an den Sprachaufnahmen gearbeitet. "Das war sehr COVID-mäßig."

Johannes Grenzfurthner

Hommage an H.P. Lovecraft

Beeinflusst sei der Film aber vom amerikanischen Fantasy-Horror-Autor H.P. Lovecraft, der Anfang des 20. Jahrhunderts lebte. Der sei zwar ein Rassist gewesen, man könne ihn aber auch als einen der ersten Nerd-Schriftsteller bezeichnen, sagt Grenzfurthner: "Er ist in seinem Kämmerchen gehockt und hat seine Geschichten als Fan-Fiction geschrieben, viele sind auch erst nach seinem Tod veröffentlicht worden."

Die berühmten Cthulhu-Geschichten Lovecrafts seien Tagebücher von Leuten, die verrückt werden, meint der Filmemacher: "Ich hab ein Filmtagebuch von einem Typen gemacht, der den Verstand verliert. Da schließt sich der Kreis."

"Masking Threshold" bezeichnet Grenzfurthner als "creepy Film" über einen "creepy Nerd". Im Herbst wird der Horrorfilm zunächst auf Filmfestivals laufen. Im Anschluss daran, voraussichtlich im kommenden Frühjahr, soll er dann in die Kinos kommen.

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Patrick Dax

pdax

Kommt aus dem Team der “alten” ORF-Futurezone. Beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Innovationen, Start-ups, Urheberrecht, Netzpolitik und Medien. Kinder und Tiere behandelt er gut.

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