Digital Life

Warum Facebook bei Sammelaktionen zu Geburtstagen mitspendet

Geburtstagskind sein bei Facebook - das bedeutet für viele Nutzer: Dutzende Standard-Glückwünsche mit einem Daumen-hoch-Symbol versehen, eine Dankesnachricht hineinstellen und auf ein paar Privatnachrichten reagieren. Doch seit einiger Zeit kommt Bewegung in diese einstudierte Choreographie: Viele User schalten mittlerweile Geburtstags-Spendenaktionen. Statt Glückwunschformeln sollen so Spendenmitteilungen auf die Facebook-Seite der Geburtstagskinder regnen.

Das Tool gibt es seit September 2017 in den USA und europäischen Ländern, darunter Deutschland und Österreich. Und Facebook tut einiges, um es an die Nutzer zu bringen. Zwei Wochen vor ihrem Geburtstag erhalten sie eine Nachricht über die Möglichkeit, eine Sammelaktion zu starten: für eine von unzähligen gemeinnützigen Organisationen, etwa Kinderhospize, Tierschutz- oder Schwimmvereine. Ein möglicher Text dafür wird gleich mitgeliefert.

300 Millionen US-Dollar

Das Spendenziel - also den zu erzielenden Wunschbetrag - kann jeder selbst festlegen. Facebook gibt selbst einen kleinen Betrag dazu: nach Angaben des Sozialen Netzwerks zwischen zwei und fünf US-Dollar (etwa 1,80 bis 4,50 Euro). In den etwa eineinhalb Jahren, in denen die Aktion nun läuft, kamen demnach insgesamt mehr als 300 Millionen US-Dollar (etwa 265 Millionen Euro) an Spenden zusammen.

Immo Lünzer, Facebook-Nutzer aus der Nähe von Darmstadt, findet die Idee gut. Er startete vor kurzem eine Sammelaktion für die Welthungerhilfe. „Ich dachte, dass das zu meinem 65. Geburtstag genau das Richtige ist: Man hat praktisch alles und wünscht sich nur noch Gesundheit und ein gutes (langes) Leben und Lieben“, schreibt er per Facebook-Nachricht. In wenigen Tagen sei das Ziel von 200 Euro erreicht gewesen, weshalb er auf 333 Euro aufgestockt habe. Selbst diejenigen seiner Facebook-Freunde, die nichts gegeben hätten, habe sein Aufruf sicher auf das wichtige Thema aufmerksam gemacht.

PR-Aspekt

Aber steckt hinter Facebooks Wohltätigkeitsoffensive wirklich nur der gute Gedanke? Nein, glaubt der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski, Autor des Buchs „Facebook-Gesellschaft“. „Facebook will offenbar der Motor des Altruismus werden, nachdem es nicht mehr der Motor der Revolution ist wie während des Arabischen Frühlings.“ Das soziale Netzwerk kämpfe zudem nach dem Datenskandal um Cambridge Analytica sowie im Kontext von Fake News mit einem Image als Gefahr für die Demokratie. Es verberge sich also ein unterschwelliger PR-Aspekt hinter der Aktion.

An sich seien die Facebook-Spenden zwar begrüßenswert: Das Netzwerk erhebe keine Gebühren mehr dafür und gebe selbst Geld dazu, außerdem seien Spenden besser als nutzlose Geschenke. Es bleibe aber ein seltsamer Beigeschmack. Denn Facebook sammle auf diese Weise Daten seiner Nutzer und bekomme die Kreditkartennummern der Spender. „Und da Daten das Öl unserer Zeit sind und mehr Daten seiner Nutzer Facebooks Wert für die Werbekunden erhöht, lohnt sich die Aktion so letztlich vielleicht sogar finanziell“, sagt Simanowski.

Selbstdarstellung

Und welche Ziele verfolgen die Nutzer? Leonard Reinecke, Medienpsychologe an der Universität Mainz, sieht zwei Dimensionen. „Ich halte es für glaubwürdig, dass Menschen mit solchen Spendenaktionen durchaus auch ideelle Ziele verfolgen“, sagt er. So wollten manche sicherlich auf Missstände aufmerksam machen oder für Organisationen werben, von deren Arbeit sie überzeugt seien.

„Wegen der Öffentlichkeit des Prozesses schwingt aber immer auch ein Aspekt von Selbstdarstellung mit“, betont Reinecke. Ein Nutzer könne damit zum Ausdruck bringen: „Ich bin ein interessierter, engagierter Mensch, ich bin nicht oberflächlich.“ Eine solche Außenwirkung entspreche dem Zeitgeist. „Die Abkehr von Konsum und Materialismus ist in bestimmten sozialen Gruppierungen “en vogue„.“

Ähnliches gelte für diejenigen, die den Aufrufen folgen: Sie würden möglicherweise tatsächlich auf eine gute Sache aufmerksam gemacht, könnten sich durch ihre Spende aber auch als hilfsbereit präsentieren. „Wir alle streben danach, sowohl ein positives Selbstbild zu haben als auch von anderen positiv wahrgenommen zu werden.“ Daran sei nichts Verwerfliches: Ein positives Selbstbild diene als Puffer gegen psychische Belastungen. Kritisch sei jedoch zu sehen, dass sich manche Menschen möglicherweise unter Druck gesetzt fühlten zu spenden.

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