Meinung

Die erste Mondleuchtung

Wir wissen, dass die klassischen Raumfahrtagenturen zunehmend unter Geldmangel leiden. Für Unsummen werden deshalb Raumfahrttouristen wie Dennis Tito oder Mark Shuttleworth (der allerdings nicht im Space Shuttle, sondern mit einer russischen Sojus-Rakete reiste) mitgenommen. Bereits 1998 hatte die Firma International Flavors and Fragrances (IFF) eine einzelne Rose mit ins All geschickt, um die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf deren Duft zu erforschen; das Ergebnis vermarktete IFF in einem Parfum namens „Zen“. 2006 schlug der russische Kosmonaut Mikhail Tyurin von der Internationalen Raumstation ISS aus einen Golfball in eine Erdumlaufbahn ab – mit dem Spektakel warb ein kanadischer Golfschläger-Hersteller für seine Erzeugnisse.

Makeup und Mondflüge

Kinderantwort auf die Frage „Was ist wichtiger – die Sonne oder der Mond?“: „Der Mond, weil er in der Nacht leuchtet. Tagsüber ist es ohnehin hell.“ Eine Firma aus Schweden hat diese Antwort nun modifiziert. Die von dem aus Zagreb stammenden Marketingfachmann Paul Peros gegründete, in Stockholm ansässige Firma Foreo, die als Unternehmensziel „innovative Schönheitslösungen“ angibt, möchte den Mond heller machen.

Und das soll so gehen: Die Oberfläche des Mondes, weitestgehend Staub und Fels, ist diffus reflektierend (also nicht selbstleuchtend, liebe Kinder). Das Maß für das Rückstrahlvermögen wird Albedo genannt. Die Mondoberfläche hat kümmerliche 0,12 Albedo – von dem eintreffenden Sonnenlicht werden gerade einmal 12 Prozent reflektiert (zum Vergleich: frischer Schnee hat einen Albedo-Wert von 0,9).

Das Foreo-Projekt Brighter Moon soll einen Teil des Mondbodens „geringfügig transformieren“, um dessen Albedo zu verbessern – „dadurch würde der Mond einen Teil des Sonnenlichts reflektieren, ohne dabei die Umwelt oder biologische Prozesse der Erde zu beeinflussen. ... Dadurch könnten sowohl Energie für Straßenbeleuchtung eingespart, als auch die damit verbunden CO2-Emissionen reduziert werden.“

Eine verschwiegene Website

Wie diese „dramatische Lösung für die globale Energiekrise“ im Einzelnen aussehen soll, darüber schweigt sich die sehr schlichte Website des „Foreo Institute“ allerdings aus. Auch darüber, dass ein paar Fußballfelder getönter Mondboden nicht ausreichen würden, die Nächte auf der Erde heller zu machen, sondern eine - nicht zuletzt für Mondrover - gigantische Fläche Albedo-verstärkt werden müsste. Namen werden keine genannt, nur von „Spitzenexperten“ ist die Rede. Keine wissenschaftlichen Einrichtungen, mit denen man kooperiert. Nicht einmal eine Kontaktmöglichkeit zu dem Institut wird geboten.

Mit obskuren Geldbeträgen unterstützen angebliche Investoren drei vorgestellte Projekte – eine „revolutionäre“ Zahnbürste, einen Makeup-Drucker und das „Brighter Moon“-Projekt. Die Mischung erinnert an die Äußerung eines amerkanischen Touristen bei Kurt Tucholsky: „Morgen besuchen wir noch Europa, Persien und Heidelberg.“ Für die Mondaufhellung seien bereits knapp 50 Millionen Euro von knapp 10.000 Unterstützern eingegangen. Wobei jeder weiß, liebe Kinder, dass Crowdfunding-Projekte inzwischen von routinierten Initiatoren auch mal gern mit ordentlich eigenem Geld ausgestattet werden, um die Unterstützungsbereitschaft Außenstehender anzuregen.

Statt Sonnenlicht könnte man andere Details der Idee reflektieren, etwa in welchem Verhältnis die Kosten der notwendigen Raketenstarts und der Aufrechterhaltung einer technischen Infrastruktur auf dem Mond zu einer Ersparnis bei der irdischen Straßenbeleuchtung stünde. Ein Blick auf das Hauptprodukt der Firma, das zufällig den Namen „Luna“ trägt - eine Art Schleifmaschine für die Gesichtshaut-, macht klar, dass es sich bei der „wissenschaftlichen Unterstützung der Theorie“ einer möglichen Mondaufhellung um einen PR-Stunt handelt. Werber sind Wirbeltiere, und wer im Internet am meisten Wirbel macht, wird am Wahrscheinlichsten gehört.

Weltraumwerbung ist ein alter Hut

Dabei ist Mondwerbung ein alter Hut. Anfang März 2008 ließ die amerikanische Bierfirma Rolling Rock in TV-Spots und auf Billboards darauf hinweisen, man möge auf den nächstes Vollmond am 21. März achten, das Bierlogo würde auf die Mondoberfläche projiziert. Jim Garvin, Nasa-Chefwissenschaftler am Goddard Space Flight Center, meinte zu der Hoax-Kampagne, dass eine Projektion auf dem Mond, die von der Erde aus gesehen werden könnte, die Ausmaße von Afrika haben müßte.

Im Iran war man mit dieser Idee bereits in den Siebzigerjahren Vorreiter. Im November 1978, als Millionen Iraner die Rückkehr des Ayatollah Khomeini aus dem Exil erwarteten, machte ein Gerücht die Runde, dass das Gesicht des Ayatollah auf der Vollmondscheibe zu sehen sei. Obwohl das Gerücht offiziell dementiert wurde, kletterten Abertausende auf die Dächer oder zeigten anderen, was sie „sahen“.

Am 9. Juni 2012 waren die Dächer im Iran nachts neuerlich voll, alles schaute wieder in den Mond. Denn ein Gerücht, diesmal wie ein Buschfeuer verbreitet per E-Mail und über soziale Netze, hatte verheissen, dass das Pepsi-Logo auf dem Mond zu sehen sein würde, was jedoch nicht der Fall war. Aus Rache, so heißt es, trinken viele Iraner seither Coca Cola.

Ein Foto der leuchtenden Nation

Ein ähnliches Gerücht schwirrte kurz nach den Anschlägen am 11. September 2001 durch die USA. Die Menschen sollten sich zu einem bestimmten Datum (das in diversen Kettenmails variierte) mit Kerzen nachts ins Freie begeben – die Nasa werde von einem Satelliten aus ein Foto der ganzen leuchtenden Nation aufnehmen.

Pioniere dieser Art von Reklame waren die Sowjets. 1957 hieß es plötzlich, die Russen wollten am 7. November eine Atombombe auf der Mondoberfläche zünden, deren Blitz noch auf der Erde sichtbar sein würde. Das Datum war mit Bedacht gewählt, denn an dem Tag wurde das 40-jährige Jubiläum der Oktoberrevolution gefeiert. Eine gleichzeitig stattfindende Mondfinsternis würde das Aufleuchten noch besser sichtbar machen. Zugleich konnten die Sowjets ihre technologische Überlegenheit vor der ganzen Welt zeigen. Aber auch daraus wurde nichts.

Nun also soll die zeitgemäße, energieschonendere Öko-Version des leuchtenden Monds von einem schwedischen Zahnbürstenhersteller kommen, mit einem Anschub für die Weltwirtschaft und „einer drastischen Reduzierung des globalen CO2-Verbrauchs nach Sonnenuntergang“. Ein Irrlichtern im finsteren All.

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Peter Glaser

Peter Glaser, 1957 als Bleistift in Graz geboren, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Lebt als Schreibprogramm in Berlin und begleitet seit 30 Jahren die Entwicklung der digitalen Welt. Ehrenmitglied des Chaos Computer Clubs, Träger des Ingeborg Bachmann-Preises und Blogger. Für die futurezone schreibt er jeden Samstag eine Kolumne.

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