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Ist die Energiewende wirklich schuld an den hohen Energiepreisen?

Haushalte und Unternehmen in Österreich stöhnen unter den momentan sehr hohen Preisen für Strom und Erdgas. Ende 2021 sind die Preise in Europa auf das Vierfache des Durchschnittswertes von 2015 bis 2020 gestiegen.

Die Mehrkosten belasten vor allem Menschen mit geringerem Einkommen, machen aber auch die Produktion von Gütern teurer. Einige Menschen haben als Schuldigen für die Misere die Energiewende ausgemacht. Durch die Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen steigen ihrer Meinung nach etwa die Kosten von Gaskraftwerken und die Konsumenten tragen die Rechnung. Aber stimmt das wirklich?

Corona und Wetter

Die internationale Energieagentur (IEA) sieht eine ganze Reihe von Faktoren als maßgeblich für den Energiepreisanstieg an. Die Grundsteine für die aktuelle Entwicklung seien ihren Kalkulationen zufolge bereits im vergangenen Winter gelegt worden. Dieser sei vergleichsweise kalt gewesen, wodurch der Gasverbrauch gestiegen sei. Im Frühjahr gab es dann weltweit eine zwischenzeitliche Erholung von der Corona-Krise. Viele Unternehmen kurbelten ihre Geschäfte wieder an.

2021 stieg der globale Strombedarf um 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Dieser Anstieg war der größte seit 2010, als sich die Wirtschaft von der Weltfinanzkrise 2008 erholte. Der heiße Sommer 2021 sorgte für zusätzlichen Stromverbrauch (Klimaanlagen). In einer Zeit, in der normalerweise Reserven aufgebaut werden, weil Erdgas dann billig ist, wurde es verstärkt zur Stromerzeugung benötigt. Der Preis stieg. Der Bedarf in China wuchs unterdessen noch stärker als jener in Europa: Um 10 Prozent gegenüber 2020.

Die Entwicklung des Österreichischen Strompreisindex von 2003 bis 2022. Zuletzt gab es einen scharfen Anstieg

Russland und Flaute

Im Gashandel kamen Probleme dazu. U.a. wegen pandemiebedingt verschobener Wartungsmaßnahmen kam es zu Ausfällen und Verzögerungen bei der Produktion von Flüssiggas. Aus Russland kam weniger Gas nach Europa, möglicherweise auch aus strategischen Gründen. Russland drängt auf die Inbetriebnahme der Nordstream-2-Pipeline nach Deutschland. Der Rest der EU ist davon wenig begeistert, weil damit die Abhängigkeit von Russland bei Gas verfestigt werde.

Zu allem Ungemach kam auch noch, dass Europas Windräder 2021 wetterbedingt weniger Strom als üblich lieferten. Alles zusammen kulminierte in einem "perfekten Sturm", wie es Karina Knaus, die Leiterin der Abteilung Wirtschaft, Konsumenten und Preise bei der Österreichischen Energieagentur, ausdrückt. Die Bepreisung von Kohlendioxid und den verbindlichen Kauf von Emissionszertifikaten durch Energieversorger und andere Unternehmen sieht sie nicht als Verursacher der aktuellen Preisentwicklung: "Wir haben die Stromerzeugungskosten in Gaskraftwerken ausgewertet. 90 Prozent der gestiegenen Kosten gehen auf höhere Preise für Erdgas zurück. Der Anteil der Preise für CO2-Zertifikate sind dem gegenüber marginal."

Die Entwicklung der Erzeugungskosten in Gaskraftwerken von Juni 2019 bis Dezember 2021

Emissionen sprunghaft angestiegen

Der Anstieg der Gaspreise hatte weltweit sehr negative Folgen für das Klima. In vielen Ländern wurde nämlich vermehrt auf Stromproduktion aus der Verbrennung von Kohle umgestellt - etwas, was aus Sicht des Klimaschutzes unbedingt vermieden werden sollte. Die Kohlestromproduktion stieg 2021 um 9 Prozent an. Laut der IEA wären Energieversorger noch stärker von Gas auf Kohle umgestiegen, wenn der CO2-Preis niedriger gewesen wäre. Die Emissionen des Stromerzeugungssektors sind durch diese Entwicklung jedenfalls sprunghaft angestiegen, nachdem sie in den 2 Jahren zuvor gesunken sind.

Mit Erneuerbaren wäre das nicht passiert

Könnten erneuerbare Energien bereits einen größeren Teil des Strombedarfs abdecken, wäre es nicht zu dem derzeitigen Preisanstieg gekommen, sind Expert*innen überzeugt. Die Preise für Wind- und Sonnenenergie sind sehr niedrig und stabil. Die Preise für fossile Energien schwanken dagegen stark. Angesichts dessen sei der Begriff "Greenflation", mit dem Kritiker*innen die Energiewende in Misskredit bringen, absurd. Vielmehr sehe man zur Zeit eine "Fossilflation", meint Karina Knaus. IEA-Direktor Fatih Birol fasst es so zusammen: "Die jüngsten Anstiege bei den Preisen für Erdgas sind das Resultat mehrerer Faktoren. Es ist falsch und irreführend, die Verantwortung dafür dem Wandel zu sauberer Energie zuzuschieben."

Wie die Preise gebildet werden

Auf dem europäischen Strommarkt herrscht das Prinzip der „Merit-Order“. Für die Berechnung der tagesaktuellen Großhandelspreise für Strom werden pro Land alle Kraftwerke herangezogen, die zur Abdeckung des Strombedarfs notwendig sind. Sie werden dabei nach Kosten aufsteigend gereiht. Das letzte und damit teuerste Kraftwerk bestimmt den Preis. Die Strompreise waren in der Vergangenheit in Österreich sehr gering, weil mit Deutschland eine gemeinsame Strompreiszone bestand.

In Deutschland wurden Wind- und Solarkraft massiv ausgebaut, was den Preis drückte. 2018 wurde die Strompreiszone getrennt. In Österreich ist der Anteil an Wasserkraft sehr hoch, die aber im Winter weniger Strom erzeugt, weshalb der Bedarf an Gas größer ist. Deshalb ist der Strompreis nun oft höher als in Deutschland.

Die EU stellt Regierungen allerdings einen Katalog möglicher Gegenmaßnahmen zur Verfügung, um die Preisschwankungen in Grenzen zu halten. In Österreich werden nun die Beiträge zur Ökostromförderung ausgesetzt, Haushalte erhalten 150 Euro Kostenausgleich, wie erst vor wenigen Tagen verkündet wurde.  

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David Kotrba

Ich beschäftige mich großteils mit den Themen Energie, Mobilität und Klimaschutz. Hie und da geht es aber auch in eine ganz andere Richtung.

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