Quantencomputer "steht physikalisch nichts im Weg"
"Dem Quantencomputer steht physikalisch nichts im Weg", zeigt sich der Innsbrucker Physiker Rainer Blatt zuversichtlich, dass künftig mit Hilfe der Quantenphysik Aufgaben gelöst werden, an denen konventionelle Computer scheitern. Es gebe zwar noch nicht die Technologie, "wir sehen aber den Weg dorthin". Dieser "Zweiten Quantenrevolution" widmen sich am Samstag die Alpbacher Technologiegespräche.
Verschränkung im Mittelpunkt
Mehr als 100 Jahre alt ist die Quantentheorie mittlerweile. Zahlreiche Entwicklungen wie der Laser, bildgebende Verfahren oder Halbleitertechnologien beruhen auf den quantenphysikalischen Prinzipien, die von Physikern wie Max Planck, Niels Bohr, Werner Heisenberg oder Erwin Schrödinger entdeckt wurden. Und sie haben wirtschaftlich sehr große Bedeutung: "35 Prozent des Bruttosozialprodukts eines Industriestaats werden heute mit quantenmechanischen Mitteln erwirtschaftet", sagte Blatt, der Professor an der Universität Innsbruck und einer der Direktoren des Instituts für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist, im Gespräch mit der APA.
Doch die Entwicklung schreitet ständig voran, wobei ein quantenphysikalisches Prinzip im Mittelpunkt steht: die Verschränkung. Schrödinger hat dieses Phänomen als charakteristische Eigenschaft der Quantenmechanik schlechthin bezeichnet, Albert Einstein nannte es "spukhafte Fernwirkung". Denn zwei verschränkte Teilchen bleiben dabei über beliebige Distanzen wie von Zauberhand miteinander verbunden, Manipulationen an einem Teilchen wirken sich augenblicklich auf das andere aus.
Verschlüsselung, Sensoren und Qubits
Die Verschränkung bildet die Basis für verschiedene Technologien, die als "zweite Quantenrevolution" zusammengefasst werden. Schon weit fortgeschritten ist dabei die Quantenkommunikation, die abhörsichere schnelle Netzwerke verspricht. China hat etwa im Vorjahr den ersten Quantenkommunikations-Satelliten ins All geschickt. In einem künftigen Quanteninternet sollen solche Sonden als Relaisstationen dienen.
Als nächsten Schritt erwartet Blatt verbesserte Sensorik durch Quantenmesstechnik: "Mit entsprechenden Quantenmethoden lassen sich alle möglichen Größen wie Felder, Kräfte, Beschleunigungen, etc. viel empfindlicher messen als bisher." Weit entwickelt sind auch schon Quantensimulatoren zur Erforschung komplexer Systeme, die sich nicht mehr auf klassischen Computern berechnen lassen. In den vergangenen Jahren wurden bereits zahlreiche Arbeiten veröffentlicht, in denen selbst mit den einfachen, derzeit verfügbaren Simulatoren überaus komplexe Phänomene berechnet werden konnten.
Und am Ende dieser Entwicklung sieht Blatt den Quantencomputer, der in einfacher Form ebenfalls bereits realisiert ist. Die kleinste Informationseinheit ist dabei nicht mehr das Bit, das exakt zwei Zustände (Ja/Nein oder 0/1) kennt, sondern das Quantenbit (Qubit). Dieses kann verschiedene Schwebezustände oder "Superpositionen" zwischen zwei Möglichkeiten einnehmen. Damit lassen sich bestimmte Probleme wesentlich schneller lösen als mit einem klassischen Computer.
"Wird noch ein wenig dauern"
In den vergangenen Jahren sei man dabei große Schritte weitergekommen, auch wenn viele dieser Fortschritte der Öffentlichkeit nicht so spektakulär erscheinen wie der Wissenschaft. "Aber wir müssen einmal gehen lernen, bevor wir laufen", so Blatt.
Wann es tatsächlich großflächig Quantencomputer geben werde, wisse man nicht. "Das kann fünf oder zehn Jahre dauern, vielleicht auch 20 Jahre. Sicher bin ich mir, dass es sie geben wird, ich weiß aber nicht, wie sie aussehen werden."
Als die beiden vielversprechendsten Techniken für Quantencomputer sieht Blatt einerseits Ionenfallen, wie sie in Innsbruck seit Jahren erfolgreich angewendet werden, und andererseits supraleitende Schaltkreise. "Derzeit stehen wir mit beiden Konzepten eher auf dem Stand eines Röhrencomputers und brauchen noch die nächsten Schritte, im übertragenen Sinn also die Transistortechnik, integrierte Schaltkreise, usw. - das wird noch ein wenig dauern."
Zu wenig Forschungsmittel
In den USA und in Japan würde diese Entwicklung mittlerweile vor allem in der Industrie erfolgen. Neben Spezialunternehmen haben sich das eine ganze Reihe von Halbleiterfirmen auf die Fahnen geschrieben. "Nur in Europa spießt es sich ein wenig, das ist unser großer Problem", sagte Blatt.
Er hält deshalb das geplante Flaggschiff-Projekt der EU zum Thema Quantentechnologie für "eine wirklich gute Initiative - auch wenn es zu wenig ist". Die geplante Milliarde Euro auf zehn Jahre für das Projekt höre sich zwar viel an. Tatsächlich müssten aber die Mitgliedsstaaten selbst die Hälfte davon aufbringen. "Bei so vielen verschiedenen Technologien und involvierten Wissenschaftern ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein", so Blatt, der Mitglied im High Level Steering Committee für das Projekt ist.
Dennoch sei die Initiative sehr zu begrüßen. "Letzten Endes brauchen wir die europäischen Netzwerke und Anstrengungen, weil wir nicht wie in den USA diesen militärisch-industriellen Komplex haben, der diese Dinge befördert."